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Das Parlament
Nr. 20 / 10.05.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Claudia Heine

Der einzig mögliche Dolmetscher

Kulturminister der Beitrittsländer eröffnen "Kulturjahr der Zehn"

Berlin und das Brandenburger Tor, symbolträchtiger konnte der Ort für die Auftaktveranstaltung kaum sein: "Berlin hatte die Kraft, die Spuren des Hasses und der Teilung wegzuwischen", sagte die nachdenkliche Kulturministerin Lettlands, Helena Demakova nach einem Exkurs über die Narben, die die Geschichte in der Stadt hinterlassen hat. Das war auch als Wunsch gemeint: Die neue, größere Europäische Union möge die Kraft haben, eine Teilung zu überwinden, die zumindest politisch seit dem 1. Mai beseitigt ist, nach dem Beitritt von Estland, Litauen, Lettland, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

Zusammen mit ihren Amtskollegen aus den übrigen neun EU-Beitrittsländern und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, diskutierte sie die Frage "Ein Europa - wieviel Kultur(en)?" Versammelt war die hochkarätige Runde am 6. Mai 2004 in einem Gebäude am Brandenburger Tor in Berlin, um den offiziellen Startschuss für das "Kulturjahr der Zehn" zu geben: Ein Jahr lang werden die neuen Mitgliedsländer in über 60 Veranstaltungen ihre Kultur in Berlin vorstellen.

Der politischen Annäherung müsse nun eine mentale folgen, da wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit allein keine Staatengemeinschaft formen könnten. Es komme vielmehr darauf an, gemeinsame kulturelle Werte und Traditionen wieder zu beleben und ein Bewusstsein für diese zu schaffen. Das war der Tenor der Podiumsrunde und gleichzeitig der Grund, warum sich die Kulturminister der Beitrittsländer zusammenfanden. Denn Kultur ist "vielleicht der einzig mögliche Dolmetscher zwischen den Ländern. Sie ist der Ort, der die eigene Geschichte für Menschen aus anderen Ländern übersetzt", sagte der slowakische Minister Rudolf Chmel unter Hinweis auf den deutschen Film "Good bye, Lenin". Und die Aufgabe der Minister ist es, einen Rahmen für einen interkulturellen Austausch zu schaffen. "Füllen müssen ihn jedoch die Künstler", ergänzte der Stellvertreter des polnischen Kulturministers, Michal Tober.

Das "Kulturjahr der Zehn" ist ein erster Schritt auf diesem Weg. Ein weiterer könnte ein so genanntes Blaubuch für die Länder Ost-, Mittel-, Nord- oder Südosteuropas sein, "um auf die großen kulturellen Reichtümer in den neuen Mitgliedstaaten zu verweisen", schlug Christina Weiss vor. Ihre Begründung: "Wir hier in der Bundesrepublik haben mit einem solchen Kompendium gute Erfahrungen gemacht, als wir vor fast 14 Jahren damit begannen, die Kulturlandschaft Ostdeutschlands zu analysieren und schwere Formen der Vernachlässigung zu beheben." Hunderte von Kultureinrichtungen seien im Zuge dieser Blaubuch-Bewegung bereits umstrukturiert und saniert worden. Weiss plädierte außerdem dafür, dass der Rat der europäischen Kulturminister Ende Mai die Bewerberliste für die europäischen Kulturhauptstädte um die neuen Mitgliedstaaten erweitert.

Auf Widerstand stieß sie damit erwartungsgemäß nicht bei ihren Kollegen auf dem Podium, wie überhaupt die gesamte Veranstaltung ein harmonieträchtiges Ereignis war. Viele gute Absichten wurden verkündet, und es muss sich in den nächsten Jahren zeigen, inwiefern sich diese verwirklichen lassen. Gerade dem kulturellen Sektor einer Gesellschaft wird, zum Teil ohne Rücksicht auf Verluste, mit der Begründung allgemeinen Sparzwangs erheblicher Schaden zugefügt. Berlin ist auch dafür ein gutes Beispiel und könnte so als Mahnung gelten.

Die einhellige Meinung der im Gebäude der Dresdner Bank versammelten Runde, dass der Kommerzialisierung der Kultur entgegengewirkt werden müsse, könnte sich auch darin verwirklichen, die Existenzberechtigung kulturell wichtiger Institutionen nicht von einem reinen Zahlenspiel im Finanzhaushalt abhängig zu machen. Die Bedeutung der Berliner Symphoniker zum Beispiel lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken, sondern in dem, was sie für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen leisten und damit für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. "Kultur macht die Größe eines Landes aus", das dürfe nicht vergessen werden, sagte Michal Tober seinen Zuhörern.

Weitere Infos unter: www.kulturjahrderzehn.de

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