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Das Parlament
Nr. 20 / 10.05.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Bernadette Schweda

Wer nicht ausbildet, soll zahlen

Bundestag beschließt die umstrittene Ausbildungsplatzabgabe
Der Bundestag hat das Gesetz zur Einführung einer Lehrstellenumlage am 7. Mai mit der Koalitionsmehrheit beschlossen. In einer namentlichen Abstimmung votierten 300 Abgeordnete für die Regierungsvorlage samt 23 Änderunganträgen, 284 stimmten dagegen. Zuvor lieferten sich Regierung und Opposition einen leidenschaftlichen, mit Kurzinterventionen, Zwischenrufen und -fragen gespickten Schlagabtausch im Plenum. Die Redner der Koalition verteidigten das auch in ihren Reihen umstrittene Umlagevorhaben. Vorrang vor einer gesetzlichen Regelung habe allerdings eine "freiwillige Verbindlichkeit" der Wirtschaft. Die Opposition warf hingegen der Regierung vor, eine kontraproduktive und planwirtschaftliche "Scheinlösung" auf dem Rücken der Jugendlichen und der Wirtschaft anzubieten.

Die Fronten in der Debatte blieben - wie zuvor schon in den öffentlichen Diskussionen - hart. "Den Kopf in den Sand zu stecken" reiche angesichts der besorgniserregenden Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt nicht aus, sagte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und warnte vor einem Fachkräftemangel in Deutschland. Bis 2010 drohe in der Altersgruppe der 30- bis 45-Jährigen ein Defizit von 3,5 Millionen Fachleuten. Die Regierung setze jedoch nach wie vor darauf, dass die Wirtschaft, die für die berufliche Ausbildung verantwortlich sei, aus eigener Kraft verbindliche und konkrete Lösungen anbietet. "Der Ball liegt jetzt in der Feld der Wirtschaft." Diese habe es selbst in der Hand, ob die gesetzliche Regelung in Kraft treten werde, so die Ministerin.

Es sei "ein absurdes Theater" kritisierte hingegen Unions-Fraktionsvize Maria Böhmer, dass die rot-grüne Koalition ein Gesetz beschließe, das nicht in Kraft treten soll. "Unter Druck kommen freiwillige Lösungen verdammt schwer zu Stande", spottete Hartmut Schauerte (CDU). Die Union zeigte sich zudem besorgt, dass dieses bürokratische Instrument "Billigausbildung" fördern werde, während sich Betriebe von der Ausbildung in hochqualifizierten Berufen "freikaufen" würden. Auch wäre es kaum möglich, allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu garantieren, wie dies die Koalition fordert. Man müsse die Realität beachten. Denn nicht alle jungen Menschen seien ausbildungswillig und ausbildungsfähig, so Böhmer.

Das Argument der mangelnden Reife der Ausbildungssuchenden ließ Willi Brase (SPD) hingegen nicht gelten. Denn auch junge Menschen mit mittlerer Reife könnten nicht selten keine Ausbildsplätze finden.

Dies sah Christoph Hartmann von der FDP anders. So hätten 25 Prozent der Heranwachsenden Schwierigkeiten mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Eine von den Liberalen bereits mehrmals vorgeschlagene Stufenausbildung mit einer zweijährigen Grundausbildung könnte vielen ausbildungsschwachen Jugendlichen helfen. Ursachen für die schlechte Situation auf dem Ausbildungsmarkt sei im Übrigen nicht die Unwilligkeit der als "vaterlandslose Gesellen" beschimpften Unternehmer, sondern die konjunkturelle Schwäche Deutschlands, die zu hohe steuerliche Belastung der Betriebe und die unflexible Ausbildungsvergütung. Dies habe die Regierung zu verantworten. Allerdings würden mit dem "Ausbildungsverhinderungsgesetz" keine neuen Lehrstellen geschaffen, sondern mittelständische Unternehmen in die Pleite getrieben.

Diesen Vorwurf wies die Grünen-Abgeordnete Grietje Bettin entschieden zurück. Die Opposition habe nur die Interessen der Wirtschaft im Kopf; die Jugendlichen müssten die Zeche zahlen. Die Umlage sei keine Strafabgabe. Sie schaffe vielmehr einen gerechten Ausgleich zwischen den Betrieben. Dabei würden die großen "Ausbildungsverweigerer" zur Kasse gebeten. Als "Politik nach Gutsherrenart" wurde hingegen die Regelung von Werner Lensing (CDU) bezeichnet, der gleichzeitig vor einer "gewaltigen Fehlsteuerung" auf dem Ausbildungsmarkt warnte. Lehrstellen entstünden nicht auf Knopfdruck.

Unterstützung fand die Ausbildungsplatzabgabe bei den PDS-Abgeordneten. Das Gesetz sei zwar "nicht das Gelbe vom Ei", jedoch besser als Nichthandeln, sagte Petra Pau in der Debatte.

In der anschließenden Abstimmung nahm das Parlament neben dem rot-grünen Gesetz (15/2820, 15/3065) einen Entschließungsantrag der Koalition (15/3066) an und lehnte einen Entschließungsantrag der Union (15/3067) sowie einen Antrag der FDP-Fraktion (15/2833) ab.

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