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Das Parlament
Nr. 26 / 21.06.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Martin Ebbing

Unzureichende Antworten aus Teheran

Der Verdacht geheimer Atomwaffenproduktion in Iran bleibt bestehen

Die iranischen Tageszeitungen mussten schon Redaktionsschluss gehabt haben, als die Einzelheiten eines vertraulichen Berichtes der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zum iranischen Atomprogramm bekannt wurden. So lautete die Schlagzeile auf der Titelseite der englischsprachigen Iran Daily: "Kein militärischer Bezug in Irans Atomprogramm". Die Zeitung zitierte aus einer Rede des Chefs der Atomenergiebehörde, Mohammed Elbaradei, vor einer Versammlung von Nato- Parlamentariern in Bratislava.

Die Schlagzeile ist aber nur die halbe Wahrheit. ElBaradei hatte hinzugefügt, dass das endgültige Urteil, ob der Iran ein Atomwaffenprogramm betreibe, noch ausstehe. Der jetzt bekannt gewordene Bericht, der die Ergebnisse der letzten Inspektionen der Behörde im Iran zusammenfasst, macht klar, warum Teheran immer noch weit davon entfernt ist, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten.

Zum einen hat der Iran, der nicht müde wird zu betonen, er habe nichts zu verbergen, bei früheren Angaben offensichtlich nicht die ganze Wahrheit gesagt. So ist das Versprechen, den Bau von Anlagen zur Anreicherung von Uran zu stoppen, nicht eingehalten worden.

Bei der Anreicherung wird das Uran so weiterverarbeitet, dass sich der Anteil von leicht spaltbaren Partikeln erhöht. Eine höhere Konzentration dieser Isotope ist notwendig, um zivile Reaktoren damit zu betreiben. Noch weiter konzentriert kann das Uran aber dann auch als Sprengstoff für eine Atombombe eingesetzt werden.

Ein beliebtes, weil sehr effektives Verfahren ist es, das Uran in einen gasförmigen Zustand zu überführen und dann in schnell drehenden Zentrifugen die gewünschten von den nicht gewünschten Partikeln zu trennen. Teheran hatte jahrelang verschwiegen, ein solches Programm zu betreiben, dann aber im vergangenen Jahr eingestanden, erste Anlagen gebaut zu haben. Die iranische Atombehörde gestand ein, entsprechende Pläne aus einem Labor von Abdul Khan in Pakistan erhalten zu haben. Khan gilt als Vater der pakistanischen Atombombe. Sein Labor hat Libyen und Nordkorea mit Plänen zum Bau eigener Bomben beliefert. Schließlich kam heraus, dass Iran auch über Pläne für das verbesserte Zentrifugenmodell P2 von Khan verfügt.

Unter internationalem Druck hatte Teheran erklärt, ab dem 9. April 2004 den Bau solcher Anlagen einstweilen einzustellen. Die IAEA stellte nun aber fest, dass auch weiterhin in drei Fabriken Teile für die Zentrifugen hergestellt werden.

Auch die Behauptung der iranischen Atomenergiebehörde, zwar die P2-Pläne zu besitzen, aber nur aus Versuchszwecken einige wenige Prototypen gebaut zu haben, stellt sich als falsch heraus. Vielmehr wurde versucht, 4.000 Magnete für eine solche Anlage auf dem internationalen Markt zu kaufen. Damit ließen sich 2.000 Zentrifugen für eine Anlage bauen - weit mehr als man für Forschungszwecke benötigen würde.

Auch kleinere Angaben stellten sich als unzutreffend heraus und wecken Verdacht. So gab der Iran an, dass Rotoren für die Zentrifugen in drei privaten Unternehmen gefertigt wurden. In Wirklichkeit fand die Produktion in Betrieben statt, die dem iranischen Militär unterstellt sind.

Die Inspektoren der IAEA fanden bereits im vergangenen Jahr an zwei Orten Spuren von hochangereichertem Uran an Zentrifugenteilen. Der Iran, der behauptet, bislang keine eigene Anreicherung zu betreiben, gab an, die Teile müssten wohl verschmutzt worden sein, bevor Teheran sie gekauft habe.

Die IAEA forschte nach und fand nicht nur an zwei weiteren Orten Spuren des hochangereicherten Materials, sondern kam auch zu dem Schluss, die Teile stammten aus Pakistan, nicht aber das hochangereicherte Uran. Die Frage, ob der Iran dieses Uran aus anderen Quellen gekauft hat oder doch mit der Anreicherung begonnen hat, ist bislang noch offen. Beide Möglichkeiten sind sehr beunruhigend, weil dies bedeuten würde, der Iran ist in der Lage, hochangereichertes Uran für eine Bombe zu beschaffen.

Schließlich ertappten die Inspektoren den Iran auch dabei, Vorbereitungen für die Umwandlung von Uran in einen gasförmigen Zustand zu treffen. Dies ist die erste Stufe des Anreicherungsprozesses, und entsprechende Pläne waren von Teheran bislang verheimlicht worden.

Zusammen genommen, haben die Inspektoren zwar keinen Beweis dafür gefunden, dass eine iranische Atombombe bereits gebaut wird, aber all die falschen Angaben wecken den Verdacht, dass heimlich die notwendigen Vorbereitungen dafür getroffen werden.

Der vertrauliche Bericht liegt nun den 35 Mitgliedern des Gouverneursrates der Atomenergiebehörde vor, und es wird darüber beraten, wie mit dem Iran weiter verfahren werden soll. Der Rat kann weitere Aufklärung verlangen oder aber die Angelegenheit als so schwerwiegend ansehen, dass er sie an den UN Sicherheitsrat weiterleitet.

Der US Vertreter bei der Atomenergiebehörde, Kenneth Brill, ließ keine Zeit verstreichen, dem Iran erneut vorzuwerfen, geheime Atomwaffenpläne zu verfolgen. "Diese anhaltende Weigerung, mit der IAEA vollständig zu kooperieren, entspricht dem lange existierenden Muster der Leugnung und Täuschung, das nur dazu dienen kann, Irans militärisches Atomprogramm zu verschleiern", sagte er vor Reportern.

Der Sekretär des iranischen Nationalen Sicherheitsrates, Hassan Rowhani, wertete den Report dagegen auf einer Pressekonferenz als eine Bestätigung, dass Teheran seinen Verpflichtungen gegenüber der IAEA nachkomme. Es existierten nur noch "kleinere technische Probleme", die in der Zukunft ausgeräumt werden könnten.

Die in den vergangenen Wochen immer wieder angekündigte Drohung, alle Kooperation einzustellen, wenn die Atomenergiebehörde die Akte Iran nicht endlich schließe, wiederholte Rowhani bei dieser Gelegenheit jedoch nicht.

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