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Das Parlament
Nr. 26 / 21.06.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Susanne Sitzler

Bilder sagen mehr als Worte

Das Bonner Haus der Geschichte widmet sich der Macht der Bilder
Die Hände ruhen auf dem Schwert, der schwere Hermelinmantel hängt ihm um die Schultern, aufrecht steht er vor seinem Thron - Kaiser Wilhelm II. Die absolutistische Pose verweist auf Ludwig XIV. Die Botschaft des Porträts von 1895 versteht auch heute noch jeder: Hier steht einer, der Herrschaftsanspruch erhebt, jemand, der sagen will: "Der Staat bin ich", so wie es der Sonnenkönig einst tat.

Botschaften werden nicht nur gehört, sondern auch gesehen. Jedes Bild hat eine Botschaft, und inszenierte Bilder verdeutlichen ihre Botschaft umso mehr. Bilder verfehlen ihre Wirkung nicht. "Seeing is believing", sagt man im Englischen, und Bill Gates resümierte, "Wer die Bilder beherrscht, beherrscht die Köpfe der Menschen". Einen aktuellen Bezug haben diese Aussagen in den inszenierten Folterbildern aus dem Irak gefunden, die um die Welt gingen. Bilder zeigen Macht und Machtverhältnisse. Und bereits in der Antike ließen Herrscher ihre Bildnisse auf Münzen prägen, sich in Stein- und Marmor-skulpturen verewigen.

Das Bonner Haus der Geschichte präsentiert derzeit die Ausstellung "Bilder und Macht im 20. Jahrhundert". "Das Thema war nie so aktuell wie heute", sagt Ausstellungsleiter Jürgen Reiche. "Wir haben den Aspekt der politischen Inszenierung herausgegriffen". Von der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus über DDR, BRD und die Nachwendezeit - der Bogen spannt sich von Kaiser Wilhelm II. bis zu Kanzler Gerhard Schröder.

Auf dem Weg durch die Ausstellungsräume begegnet man Reichspräsident Friedrich Ebert, der die Herrschaftsposen weniger liebte. Er sah sich als Mandatsträger auf Zeit, gab sich bescheiden. Die Nationalsozialisten hingegen professionalisierten den Umgang mit Bildern. Propaganda, Gleichschaltung der Medien und Führerkult generierten aus Adolf Hitler eine Art Übermenschen. "Propaganda, Propaganda, so lange, bis daraus ein Glaube wird und man nicht mehr weiß, was Einbildung und Wirklichkeit ist", lautete die Strategie des NS-Regimes.

In der jungen Bundesrepublik war Konrad Adenauer derjenige, der die Weichen zur Personalisierung in der Politik stellte - in einer Art Homestory berichtete der Stern bereits 1953 über den Bundeskanzler, fotografierte ihn beim Pfannkuchenbacken, plauderte über seine Lieblingsgerichte. Auch die erste USA-Reise Adenauers kurz vor den Wahlen im selben Jahr wurde professionell inszeniert, erklärt Projektleiter Ulrich Op de Hipt. Die Presse begleitete den Kanzler, die Wochenschau berichtete über den USA-Besuch.

In der DDR wurde der Personenkult nach dem Vorbild des kommunistischen Ostblocks praktiziert. Zunächst war es Josef Stalin, der ideologisch verklärt und überhöht wurde - ein über drei Meter hohes und über 3,2 Tonnen schweres Stalin-Denkmal steht in Bonn als Symbol dieses Kults. Später galt die Verherrlichung den Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker, die sich als Arbeiterführer in stilisierter Verbundenheit mit dem Volk medial präsentieren ließen.

Mit dem Aufkommen des Fernsehens als Massenmedium seit den 60er-Jahren änderten sich auch die Bedingungen des politischen Alltagsgeschäfts für die Politiker selbst. Einen guten Eindruck vor laufender Kamera zu hinterlassen wurde immer wichtiger. Die SPD beschäftigte mit Charles Wilp für den Wahlkampf 1969 erstmals eine große Werbeagentur. "Das war damals neu", so Op de Hip. Wilp studierte mit Brandt Gesten ein, die Offenheit und Dialogbereitschaft signalisieren sollen. Helmut Schmidt hingegen gefiel die andauernde Beobachtung offenbar weniger: "Ich wäre anders, wenn ihr nicht dauernd zusehen würdet", wird er missmutig zitiert.

Heute fordert das Fernsehen von Politikern eine zunehmende Selbstdarstellung - ob in Talkshows oder beim Kanzlerduell. "Das Auftreten und die Präsentation werden immer wichtiger", meint Gabriele Zienterra vom Institut für Rhetorik und Kommunikation in Bornheim. Die Person selbst, ihre Stimme und Sprache machten zwar einen großen Teil des Ausdrucks aus. Noch eindrucksvoller für den Zuschauer seien jedoch die nonverbalen Kommunikationsmittel wie Gestik und Mimik, denn sie bleiben laut der Rhetorik-Trainerin in Erinnerung. Vom Inhalt behielte man dagegen nur sieben Prozent, sagt sie. Deshalb schreibt Reiche im Ausstellungs-Katalog: "Heutzutage scheint Politik nur dann erfolgreich sein zu können, wenn sie Bilder erzeugt, die allein Dank ihrer suggestiven Kraft und emotionalen Wirkung im Gedächtnis haften bleiben".

Der Macht der inszenierten Bilder steht die Satire gegenüber. Sie gehört in Bonn mit zum Ausstellungskonzept. "Einige Exponate sind erschreckend groß - die Diktatur suchte mit Bildern zu erschlagen", so Museums-Präsident Hermann Schäfer. "Diese Größe", erklärt er weiter, " muss man brechen durch andere Exponate." Deshalb begegnet man im Raum zum Nationalsozialismus plötzlich Charlie Chaplin, der als "Großer Diktator" mit einer Weltkugel wie mit einem Luftballon spielt. Oder man stößt gegen Ende auf die Gummipuppen der Polit-Comedy "Hurra Deutschland", die von 1988 bis 1998 bekannte Politiker karikierten - der Deutschen liebste Figur war damals "Helmut", die Puppe des stämmigen Ex-Bundeskanzlers.

Die Botschaft hinter der Ausstellung wird nach dem Rundgang klar. Sie lautet: "Schau dahinter und sei kritisch", so Schäfer. Und Reiche ergänzt: "Bildkompetenz ist heute so wichtig wie Sprachkompetenz. Deshalb richtet sich die Ausstellung besonders an junge Leute."

"Bilder und Macht im 20. Jahrhundert", im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. Die Ausstellung ist dort noch bis zum 17. Oktober, anschließend im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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