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Das Parlament
Nr. 40 / 27.09.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hartmannn Wunderer

Beharrliche Unterminierung der pluralen Gesellschaft

Netzwerke und Gefahrenpotenzial der Neuen Rechten

Gemeinhin assoziiert man mit der "Neuen Rechten" gefährliche, gewaltbereite, oft alkoholisierte, sozial marginalisierte Jugendliche mit Springerstiefeln und Glatze, die Passanten anpöbeln. Man denkt an "ewig Gestrige", die von einem starken Staat mit einem starken Mann an der Spitze träumen, der schlagartig und radikal mit allen sozialen Problemen der Gegenwart aufräumt und Deutschland wieder international zu einer Stellung führt, die der "deutschen Rasse" zustehe...

Von diesem gewaltbereiten Rechtsextremismus ist in den beiden Werken "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie" und "Rechte Netzwerke - eine Gefahr" kaum die Rede. Vielmehr geht es um kleine, im Hintergrund agierende intellektuelle, politisch rechte bis rechtsextreme Zirkel und um ihre Publikationen, die das Ziel einer Meinungsführerschaft verfolgen und dabei insbesondere die pluralistische Demokratie und die Wertvorstellungen einer offenen Gesellschaft bekämpfen. Die Gefahr, die von derartigen Gruppen ausgeht, sollte nicht unterschätzt werden, so die wohlbegründete und auch empirisch erhärtete These, die in den Sammelbänden mit 40 Beiträgen entwickelt wird. Die beiden Bände sind nicht sehr trennscharf konzipiert. Sie bearbeiten die gleichen Themenfelder, teilweise werden spezifische Akzente gesetzt. Der Sammelband von Braun und Hörsch gruppiert die Beiträge unter folgenden Kapiteln: "Worauf sich die deutsche Rechte bezieht, wie sie arbeitet und Unterstützung findet", "Beispiele rechter Netzwerke", "Gegenstrategien".

In den ersten beiden Kapiteln finden sich einige Einzelanalysen, die belegen, dass die "intellektuelle Rechte" teilweise im konservativ-rechten politischen Spektrum unauffällig als Stichwort- und Ideologieschmiede agiert und einen politischen Klimawandel, eine "kulturelle Hegemonie" anstrebt. Dabei sucht sie die Trennlinien zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Kräften zu verwischen. Zu Recht spricht in diesem Zusammenhang der Verfassungsschutz von NRW von einer "Erosion der Abgrenzung". Diese Beobachtung wird an zahlreichen Fallbeispielen konkret entwickelt.

Weniger ergiebig sind die Aufsätze im Kapitel "Gegenstrategien". Hier stehen neben instruktiven und konkreten Fallanalysen etwa zum Onlinemagazin "haGalil onLine", das mittlerweile zahlreiche Leser erreicht und erfolgreich eine Gegenaufklärung gegen rechtsextreme Propaganda im Internet betreibt, Beiträge, die sich in Allgemeinplätzen erschöpfen: "Durch die Förderung von Toleranz und Demokratiefähigkeit wird rechtsextremem Denken und Verhalten vorgebeugt ... Neben der primären Prävention, also der allgemeinen Kompetenzförderung, ist hier auch sekundäre Prävention angezeigt".

Auch andere Beiträge - wie etwa der von Ute Vogt über das "Bündnis von Demokratie und Toleranz" - enthalten zwar gutgemeinte Vorschläge, wie man die politische Kultur in Deutschland fördern könnte, aufschlussreicher wäre aber die kritische Analyse von konkreten Projekten gewesen. Ähnliches gilt für den Aufsatz "Pädagogische und sozialarbeiterische Arbeiten ?gegen rechts'", der die Frage beantworten will, wie weit die gängigen Konzepte reichen. Genau diese spannende Problemstellung wird kaum verfolgt.

Der Sammelband von Gessenharter und Pfeiffer, hervorgegangen aus einer Fachtagung "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?", die der Verfassungsschutz NRW im vergangenem Jahr in Düsseldorf veranstaltet hat, bündelt seine Beiträge unter folgenden Titeln: "Ideologie und Sprache der Neuen Rechten", "Neurechte Einflüsse auf studentische Verbindungen", "Internationale Schlaglichter" (hier gilt der Blick den "Neuen Rechten" in Frankreich, Österreich und in den USA), "Publizistik der Neuen Rechten".

Wie kompliziert und wenig eindeutig die Einschätzung des Bedrohungspotenzials ist, macht der Beitrag von Roger Woods "Die Leiden der jungen Werte" deutlich, der auf interne Fragmentierungen im "neurechten" Denken verweist. Diesem Denken gelinge es kaum, "neue, positive Werte zu artikulieren". Intellektuelle Repräsentanten der "Neuen Rechten" spielten in ihren Zirkeln nicht immer eine gestaltende, sondern auch eine dysfunktionale, störende, kritische Rolle.

Die Vorstellung, in der "Neuen Rechten" gäbe es ein kohärentes Weltbild, ist allenfalls ein Mythos. Der scharfe Blick auf ihre Ideologieproduktion lässt so manche interne Risse deutlich werden. Bereits die intellektuellen Repräsentanten der Konservativen Revolution der Weimarer Zeit waren untereinander heillos zerstritten. Gleichwohl waren sie Wegbereiter des Nationalsozialismus, bisweilen auch Opfer des "Dritten Reichs".

Die beiden Bände analysieren intensiv die "Neue Rechte" und in ihre vielfältigen Netzwerke, die bis in das demokratisch-konservative Lager reichen. Bedauerlicherweise enthalten beiden Bände teilweise - mehr oder minder umformuliert - ähnliche Beiträge. Vor allem der Band von Gessenharter und Pfeiffer ist das erstaunliche Resultat einer ungewöhnlichen, aber durchaus produktiven Zusammenarbeit zwischen universitärer sozialwissenschaftlicher Forschung und der Arbeit des Verfassungsschutzes. Traditionelle Berührungsängste zwischen diesen beiden öffentlichen Bereichen wurden offenbar mühelos überwunden.

Wolfgang Gessenharter/Thomas Pfeiffer (Hrsg.)

Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?

VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004; 251 S., 19,90 Euro

Stephan Braun/Daniel Hörsch (Hrsg.)

Rechte Netzwerke - eine Gefahr.

VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2004; 281 S., 19,90 Euro

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