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Das Parlament
Nr. 46 / 08.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Fritz-Jochen Kopka

"Ich war immer hübsch, und ich altere auch sehr schön"

Warum Männer und Frauen nicht zusammen passen oder doch
Wie vermutet, fanden sich etliche Männerbücher in meinen Regalen: "Verständigungstexte von Männern", Bücher, die ich nicht gekauft, sondern mit nach Hause genommen hatte, nachdem sie auf Redaktionstische geflattert waren. Bücher, die ich lesen wollte, aber nicht lesen konnte, weil sich von der ersten Zeile an abzeichnete, dass keine Erleuchtungen zu erwarten waren. Man sieht vor lauter Wald den Baum nicht, oder: Wie man am Mann vorbeiredet, wenn man von Männern spricht. "Wann ist ein Mann ein Mann?", sang Herbert Grönemeyer - eine Frage, die ernst gemeint war, aber keiner Antwort bedurfte.

Laut Volker Elis Pilgrim sind die Eigenschaften, die dem Mann zugeordnet werden, diese: stark, hart, strukturiert, konzentriert, willensbetont, planend, zielgerichtet, selbstbewusst, exakt, scharf, fest, vernunftgesteuert, folgerichtig, unnachgiebig, tat- und geiststrategisch, bestimmend, aus sich selbst heraus handelnd, rücksichtslos. Einige Jahre später leitete ein Amerikaner namens Loren E. Pedersen folgende Merkmale der Männlichkeit ab: zäh, stark, viril, unabhängig, realistisch, rational, gefühllos. Des Weiteren zitiert er gesellschaftliche Gemeinplätze wie: "Männer können ihre Gefühle nicht ausdrücken", "Frauen können nicht denken", um bei dem Phänomen zu landen, dass der Mann eine innere Weiblichkeit, eine Anima, und die Frau einen männlichen Kern, den Animus, besitze, wobei die Anima Seele bedeutet und Animus Geist. Diesen inneren Kern mag man leugnen, unterdrücken oder pflegen, er bereichert oder schattiert die Persönlichkeit; so mischt sich alles auf schillernde Weise, aber letzten Endes enttäuschen die Verallge-meinerungen, und es zählt nur die Empirie.

In Hanley's Hairshop in den Hackeschen Höfen in Berlin Mitte gibt es keinen Damen- und Herrensalon, alles ist eins. Es gibt die Friseurin Deborah und ihren Kompagnon Thomas, der durch seine originellen, meist bunten Beinkleider auffällt, die man ruhig mal loben darf. Nicht ständig diese Levi's. Neulich sagte er: "Ich war immer hübsch, und ich altere auch sehr schön." Neben mir saß eine Frau, die im selben Haus wie die Friseurin wohnt und langatmig davon berichtete, dass sie ihren Balkon mit Holzfliesen ausgelegt habe. "Wie breit sind denn unsere Balkons?", fragte Deborah. Die Kundin unter der Haube sagte: "Mehr als ein Meter und weniger als 1,20. Man muss etwas absägen von den Fliesen." Ich sagte in gebotener Sachlichkeit: "Frauen können nicht messen." Obwohl nicht viele Personen im Salon weilten, entstand ein Volksgemurmel, dessen Unterton eindeutig drohend war. Ich meinte, das Wort "Macho" vernommen zu haben, und fragte mich, ob ich einer Einkerkerung noch entgehen könnte. Alles wegen eines Missverständnisses. Denn dass Frauen nicht messen können, zeigt nur, dass sie eine großzügige Grundtendenz in ihrem Charakter aufzuweisen haben und der Pedanterie abhold sind. Sie müssen auch nicht messen können, was daran liegt, dass es doch Männer gibt, die schon mit einem Bandmaß zur Welt gekommen sind. Deshalb fügte ich hinzu: "Doch, sie können schon messen! Nur die Ergebnisse stimmen nicht." Daraufhin hatte man das Interesse an meiner Person, selbst an meiner Einkerkerung, verloren.

Wenige Monate später widerfuhr mir an gleicher Stelle ein lächerliches Vorkommnis. Ich saß, schon mit nassen Haaren, auf dem Friseurstuhl, als ich im Spiegel meinen Freund Eugen den Salon betreten und sich nähern sah. Es ging alles sehr schnell. Eugen legte die Hand auf meine Schulter, beugte sich über mich und zwitscherte: "Richtig, Schatz! Lass dich schön machen für mich, paar Löckchen und so. Ich warte im Café Cinema auf dich." "Das war mein Freund Eugen", erklärte ich (der Macho) lasch, "seine Frau ist heute nach Amerika geflogen, deshalb wollen wir einen saufen, aber wie ich höre und rieche, hat er schon ohne mich angefangen." Nun gelte ich wohl in Hanley's Hairshop als Tiger, der als Bettvorleger gelandet ist. Wer weiß, wozu das gut sein kann. Im Zusammenhang mit solchen Ereignissen habe ich den Eindruck gewonnen, dass das Schimpfwort "Macho" weniger sticht (und immer noch einen Kern Anerkennung birgt) als die Ausdrücke "Softie", "Weichei" oder gar "Frauenversteher". Den tradierten Rollenbildern sind eben die Frauen genau so verfallen wie die Männer und manchmal geben sie das auch zu. Wer wird nicht einen sanften Mann loben? Doch wird ihn jeder lieben? Nein.

Eben dieser Eugen, der in jüngeren Jahren in der Lage war, mit einem einzigen Armzug den ganzen Tisch leer zu fegen, wenn etwa seine Frau eine Flasche Schnaps zu späterem Verzehr versteckt hatte, ist wie auch Hemingway der Meinung, dass Frauen streng sein müssen. "Mary war streng, aber gütig. Lass dir nichts erzählen. Strenge Frauen sind die einzigen, die zählen", sagte Hemingway. Allein gelassene Männer sind ein mindestens ebenso großes Sicherheitsrisiko wie allein gelassene Kinder. Es sei denn, man hat ihnen eine überschaubare Aufgabe übertragen. "Frauen müssen streng sein", sagt Eugen, "sonst gehen wir unter." Männer allein neigen zur Verwahrlosung. "Verwahrlosung ist ein innerer Zustand, der allein lebende Männer mittleren Alters trifft, nicht Frauen", schreibt E. L. Doctorow. "Allein lebende Frauen mittleren Alters werden lebhaft und bleiben geschäftig. Sie bleiben sauber und ordentlich und ändern von Zeit zu Zeit ihre Frisur." Nichts wäre lächerlicher als ein Mann in mittleren Jahren mit häufig wechselnder Frisur. Außerdem haben verwahrloste Männer eine gute Chance, von Frauen gerettet zu werden, während verwahrloste Frauen wohl kaum Objekte von männlichem Heroismus werden. Andererseits kann sich jeder Mann, auch jeder homosexuelle Mann, vorstellen, sich für eine schlaflose Marilyn Monroe zu opfern.

Versuchen wir, Männer anders zu beschreiben als durch Wörter wie "stark" oder "rational". Männer sind Wesen, die keine Ahnung von Frauen haben. Oder? Männer sind Wesen, die in der Küche stehen, sich die Hände reiben und damit Frauen zur Weißglut treiben. Oder nicht? Männer sind Wesen, die schlurfen und schlürfen, ich weiß auch, was Frauen mehr aufregt, beides, immer das, was gerade praktiziert wird. Männer verspüren wenig Neigung, sich selbst zu erforschen, sind aber begnadete Hypochonder. Gerade in Krisensituationen sind Männer von erhebli-cher Bedeutung für Frauen, selbst wenn sie schlafen oder ihre Fingernägel betrachten. Denn es ist dieses männliche Talent zur Apathie in angespannten Lagen, das schließlich auch den Frauen Ruhe einflößt. Nicht weniger pragmatisch ist der männliche Hang zu Nebensachen. Wenn die großen Dinge misslingen, kann sich der Mann voller Hingabe in das aktuelle Bundesliga-Tabellenbild vertiefen; einer Frau ist das nicht gegeben. Frauen begehren übrigens nur Männer, die sie einer anderen Frau wegnehmen können, keine Singles. Sie sehen sich einerseits als Teil einer weltumspannenden schwesterlichen Frauenbewegung, andererseits wollen sie über Männer, also im verdeckten Kampf, immer auch Geschlechtsgenossinnen besiegen, um scheinheilig zu fragen: "Kann ich was dafür, wenn er sich in mich verliebt? Ich weiß ja auch nicht, was ich an mir habe, das Männer so anzieht. Ich finde dich viel hübscher." Und sie wollen einen beziehungstechnisch ausgebildeten Mann. Sie möchten nicht noch mal von vorn anfangen. Der Mann muss schon eine abgeschlossene Geschlechtsausbildung haben, sonst wird es zu mühsam.

Moderne Frauen trinken täglich ein enormes Quan-tum Wasser, bewegen sich mehr mit den Ellenbogen als mit den Beinen fort und lernen andere Frauen durch die Vermittlung ihrer Hunde kennen. Vom

Powerwalking zur Powerfrau ist es nur ein Schritt. Zu Terminen kommen Frauen zu spät, weil sie von der Annahme ausgehen, dass Pünktlichkeit unweiblich sei. Frauen verübeln Männern, dass es denen erlaubt ist, jeden Tag dieselbe Hose und dasselbe Jackett zu tragen, während sie sich jeden Morgen voller Fragen und Zweifel vor dem Kleiderschrank aufhalten müssen.

In einem Gespräch, das André Müller mit Loriot führte, findet sich folgende bemerkenswerte Passage: "Ein häufig wiederkehrendes Thema in Ihrer Arbeit ist der zur Groteske gesteigerte, meist katastrophal endende Ehestreit." "Ja, ich bin der Meinung, dass Mann und Frau nicht zusammen passen." "Warum nicht?" "Das habe ich noch nicht herausgefunden." "Sind Frauen sanftmütiger?" "Das ganz bestimmt nicht. Ich bin überzeugt, dass die Frauen, wenn ihre Jahrtausende alte Benachteiligung gegenüber dem Mann erst einmal überwunden ist, all die schlechten Eigenschaften, die man heute den Männern zuschreibt, genauso entwickeln" (Die Zeit, 7. 2. 1992).

Im Krieg zwischen Mann und Frau, Verzeihung, Frau und Mann, geht es in der Regel um kleine Dinge wie das zu hartgekochte Frühstücksei, die jedoch für große, mit Vorliebe ausgesparte Probleme wie Penis- und Gebärneid stehen, oder gar darum, dass Frauen auf Dauer nicht damit leben wollen, dass Männer sich nicht öffnen können. Wie oft musste ich das in meinem Leben vernehmen. Du kannst dich nicht öffnen. Ja, sollte man antworten, wär schön, wenn du dich auch nicht öffnen könntest. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass Männer und Frauen stellenweise sehr gut zusammen passen. Es ist auch zu fragen, was denn von lebenden Subjekten auf Dauer überhaupt zusammen passe und sich nicht auf die Nerven gehe. Was hat sich Loriot bei seiner Bemerkung gedacht, ein Mann, der seit langem gut verheiratet zu sein scheint? Soll man seinen Satz als Arbeitshypothese auffassen, eine Quelle, aus der Humor und Satire sprudeln? Nicht auszuschließen. Offenbar stecken Frauen hüfthoch in dem Wahn, dass man alles aussprechen und ausdiskutieren könne; insofern sind sie wie die Marxisten historische Optimisten. Wenn aber die Kommunikation nicht zum Ziel führt oder gar überhaupt nicht stattfindet, dann liegt das am Mann, der ein historischer Pessimist ist, denn er bemerkt sensibler als die Frau, deren Optimismus blind macht (oder taub), wenn Gespräche anfangen, sich im Kreis zu drehen. Männer, darf ich sagen, wissen um die begrenzte Nützlichkeit von Gesprächen, fürchten das Zerstörerische von Dialogen etwa im sexuellen Bereich. (Doch kaum war ihm das Wort entfahren, möchte er's im Busen gern bewahren.) Also nichts von wegen "benannt - gebannt". Auf die immer gleichen Insists folgen die immer gleichen Blockaden. Warum vertrauen, wenn Beziehungen in die Jahre kommen, so wenige Frauen auf nonverbale Kommunikation? Bei bestimmten The-men geht es Männern und Frauen im Dialog so wie Trinkern und Nichttrinkern: Sie sprechen einfach nicht über dieselbe Sache.

Ich weiß von saturierten Charlottenburg-Friedenauer Kreisen, in denen behauptet wird, dass Männer stinken. Ein Totschlagargument. Real richtet es sich gegen den Umstand, dass Männer kein Parfüm verwenden. Darüber müssen wir hier auch noch sprechen. Wer auf Waldwegen joggt und dabei Damen begegnet, hat längst gespürt, welcher unnatürliche, unheilvolle Geruch diese umgibt; es gibt billige, teure und sündhaft teure Parfüms, wirklich gute gibt es nicht und kann es nicht geben. Wann werden Frauen das einsehen, wann werden sie ihrem Körper und ihrem Stoffwechsel trauen? Aus einer Familie im Bekanntenkreis höre ich, dass die Frau und Mutter ihren Söhnen verbietet, im Stehen zu pinkeln. Wie sollen sie's denn sonst machen, frage ich verständnislos, im Liegen? Nein, im Sitzen, antwortet der Mann finster, und ich ahne, dass ihn dieses Verdikt ebenfalls trifft. Im Stehen pinkeln zu können, das ist vielleicht das letzte Privileg, das uns verblieben ist, sagt der oben erwähnte Eugen, das dürfen wir nicht hergeben. Was für ein Vorzug, sich nicht auf jede besudelte Brille mit dem nackten Hintern setzen zu müssen, natürlich erregt so was Neid und Missgunst.

So ist es zwischen Männern und Frauen. Manches sieht auf den ersten Blick ungerecht aus. Männer haben zum Beispiel bessere, nämlich natürliche Möglichkeiten, ihre Figur zu verbessern. Sport macht männliche Körper ansehnlicher, aber weibliche Leiber männlicher. Das heißt ja aber wohl nur, dass der weibliche Körper das geheimnisvollere Gut, die kompliziertere Kreation ist, der von Menschenhand nicht beizukommen ist. In seiner Erzählung "Auf der Farm" schreibt John Updike: "Meine Frau ist weit, weithüftig großflächig, und, von oben betrachtet, vermittelt sie den Eindruck eines Terrains, eines Gutes, dessen Besitz in meinem eigenen Leib ein süßes Dehnen bewirkt; wenn man in sie eintritt, bietet sie eine Mannigfaltigkeit von Landschaften dar." Um alles Weiblichkeit Vernichtende mache ich einen großen Bogen, um Gewichtheben, Boxen, Ringen, Hammerwerfen, ich sehe mir das im Fernsehen nicht an, Männerboxen schon. Boxer sind, wie man weiß, äußerst gefühlvoll, haben nah am Wasser gebaut. So nah sind sich die Geschlechter, und so fern. Wir müssen nicht alles können, was die anderen können. Ein Rest Fremdheit bleibt zwischen Frauen und Männern, und was ist schlecht daran?

Männer sind, zum guten Schluss, nur Projektions-flächen. Es zählt nicht, wie sie charakterlich beschaffen sind, es zählt nur, was Frauen in sie hineinphantasieren können. Damit müssen wir leben, damit haben wir manchmal Glück und manchmal nicht. Vielleicht ist es umgekehrt nicht anders. Welcher Mann weiß schon, was wirklich in seinem Kopf vorgeht und warum. Du bist wie 'ne Frau, sagt Eugen, Frauen müssen auch immer das letzte Wort haben.

Ja. Nein. Das letzte Wort und das vorletzte.

Fritz-Jochen Kopka ist Schriftsteller in Berlin

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