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Das Parlament
Nr. 46 / 08.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Lars Bregenstroth

Was ihr wollt: Von streichelzart bis stahlhart

Männerzeitschriften starten den Gegenterror
Allmonatlich lädt ein durchtrainiertes männliches Cover-Model den Kioskbesucher zur "Men's Health"-Lektüre ein. Eigenen Angaben zufolge nehmen regelmäßig über 900.000 Leser diese Einladung an, um sich erläutern zu lassen, wie "perfekter Sex" funktioniert, "wie Sie noch heute Ihre neue Freundin finden" oder wie man seinen Körper in die richtige Form bringen kann: "Waschbrett statt Wampe!"

Die Zeitschrift "Men's Health" trat 1996 an, als beratungsorientiertes Lifestyle-Magazin für Männer eine Lücke des deutschen Zeitschriftenmarktes zu schließen. Seitdem gelingt es dem Heft mit seiner Mischung aus Unterhaltung und Information rund um die Gestaltung von Männlichkeit, sich unter der inzwischen gewachsenen Konkurrenz erfolgreich zu behaupten. Doch was hat das "Zentralorgan männlicher Selbstfindung" ("Der Spiegel") seinem Zielpublikum zu bieten?

Kurz zusammengefasst: Die Zeitschrift bietet einfache Antworten im Kontext zunehmender Fragwürdigkeiten. Die ehemals relativ klaren Bestimmungen dessen, was "männlich" und was "weiblich" ist, sind aufgebrochen. Das Verhältnis der Geschlechter ist uneindeutig und unübersichtlich geworden. Das Individuum ist zunehmend gefordert, Antworten auf die Fragen "Wer bin ich?" und "Wie will ich leben?" selbstständig zu entwickeln. Auf diese Situation reagiert "Men's Health". Das Magazin greift Themen und Probleme auf, die sich Männern stellen - allerdings ohne diese fundiert zu reflektieren oder Hintergründe und Zu-sammenhänge zu verdeutlichen. Vielmehr sind die Darstellungen und Ratschläge der Zeitschrift dazu geeignet, den Blick auf die Widersprüchlichkeiten und Auflösungserscheinungen der Gegenwart zu verstellen. Dies beruht darauf, dass das Heft an Klischees anschließt und diese "modernisiert", sozusagen Altes mit Neuem verbindet. Wie sie dies tut, lässt sich an dem von ihr entworfenen Männerbild aufzeigen:

Männer sind Rationalisten. Sie machen ungern un-nötige Worte und sind an harten, verlässlichen Fakten interessiert. Sie sind stark, mutig und wissen die Welt zu beherrschen. Männer sind Perfektionisten und die Träger unserer Zivilisation. All diese Stereotype finden sich in dem Männerbild wieder, das "Men's Health" entwirft. Dieses Bild verdichtet sich in dem Begriff des "echten Kerls", der allen Anforderungen gewachsen ist und auch "in brenzligen Situationen cool" bleibt. Die Zeitschrift schließt so an sattsam Bekanntes an, bleibt jedoch nicht dabei stehen. So werden etwa Tipps zur Bewältigung von Anforderungen gegeben, die im Verlauf der jüngeren Vergangenheit für Männer an Bedeutung gewonnen haben. An erster Stelle stehen dabei Erwartungen, die der Zeitschrift zufolge Frauen an Männer richten - etwa bezüglich sexueller Leistungen, Körperpflege oder Kleidungswahl. Die Bewältigung derartiger "neuerer" Anforderungen wird innerhalb der Zeitschrift in die tradierten Männlichkeitsmuster integriert: Der kochende Perfektionist oder der souveräne Liebhaber mit "streichelzart" gepflegten Händen und Waschbrettbauch verorten das Neue innerhalb bekannter Koordinaten.

Sich als "echter Kerl" zu erweisen, erscheint somit in den unterschiedlichsten Lebenslagen möglich: als erfolgreicher Geschäftsmann oder als tüftelnder Motorrad-Liebhaber, als Extremsportler oder als Mann von Welt bei gesellschaftlichen Anlässen - oder eben durch Virtuosität beim Kochen oder beim Sex: "Ihr Stehvermögen wird gefragt sein." Auf diese Weise gelingt es dem Magazin, eine Vielzahl von Versatz-

stücken unterschiedlicher - wenn auch stets gängiger - Männertypen in ihr Männerbild zu integrieren. Dieses Bild erhält dadurch eine gewisse Vielgestaltigkeit und Variabilität, welche die Pluralisierung männlicher Lebensrealität zumindest in Ansätzen berücksichtigt. Im Kontext dieser Vielgestaltigkeit gewinnt der Körper als Medium zur Darstellung von Männlichkeit an Bedeutung: "Stahlharte" Muskeln sollen Leistungsfähigkeit symbolisieren und die sexuelle Attraktivität steigern. Der Körper wird so zu einer zentralen, jederzeit verfügbaren Requisite zur Darstellung von Männlichkeit, zu einem gemeinsamen, universell gültigen Männlichkeitsnenner - denn "nichts wirkt männlicher als ein ausgeprägter, V-förmiger Oberkörper".

Durch dieses Face-Lifting tradierter Männlichkeitsmuster gelingt es "Men's Health", eine Kontinuität überhistorischer Männlichkeit zu suggerieren und dem sozialen Wandel Rechnung zu tragen. Dabei fordert das leistungsorientierte Bild vom "echten Kerl" den Leser implizit dazu auf, seine Männlichkeit fortlaufend zu überprüfen und zu optimieren: "Wer sich im Urlaub am Strand nicht schämen will, sollte noch schnell seinen Körper auf Vordermann bringen." Männlichkeit wird zu einem zerbrechlichen und potenziell flüchtigen Gut, das erkämpft und umsorgt sein will.

Und an dieser Stelle rückt die Männerzeitschrift selbst ins Rampenlicht. Denn für den Kampf um die eigene Männlichkeit, für den steinigen Weg zum Männlichkeitsfluchtpunkt des "echten Kerls", so die Botschaft, liefere sie das passende Rüstzeug: "Wir zeigen Ihnen den Weg zum Gipfel ..." Dabei werden komplexe Problemzusammenhänge so zusammengedampft, dass sie mittels der einfachen und unmittelbar umsetzbar wirkenden Tipps der Zeitschrift bewältigbar erscheinen. Gleichzeitig wird das hier entworfene Männerbild damit zu einem geeigneten Hintergrund für Anregungen zu Konsumhandlungen. Dies gilt nicht zuletzt für Produkte, die traditionell als "männeruntypisch" gelten beziehungsweise galten, wie Mode oder Kosmetika, die in "Pflege-Tipps" und ausführlichen Foto-Strecken dem Leser nahe gebracht werden.

"Men's Health" versteht sich selbst als "persönlichen Ratgeber für den Mann" mit dem Anspruch, dessen "Lebensgenuss und persönliche Souveränität zu steigern". Zu diesem Zweck mag sie hilfreiche Ratschläge bieten - ein Medium der Emanzipation von althergebrachten Geschlechterbildern und deren Zwängen ist "das Magazin für Männer" jedoch nicht. Statt dessen ist es dazu geeignet, Männlichkeit den Anforderungen des Warenmarktes gerecht zu bestimmen, Leistungszwänge zu befördern und, wie es eine Redakteurin des Magazins formulierte, "Gleichberechtigung im Attraktivitätsterror" herzustellen. Die Frage ist, ob dies zu einem genussvollen und souverän gelebten Leben beizutragen vermag.

Lars Bregenstroth arbeitet als Kommunikationswissenschaftler und Autor.

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