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Das Parlament
Nr. 50-51 / 06.12.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Dirk Klose

Hessisches Gebabbel

Kurz notiert

Hessen liegt in der Mitte der Republik, hier schneiden sich die großen Handels- und Verkehrswege, aber auch die der Mentalitäten und der Kultur. Und so kann man, etwas verallgemeinernd, sagen, dass hessische Geschichten immer auch deutsche Geschichten sind und umgekehrt.

Der Hessische Rundfunk hatte unlängst die gleichermaßen witzige wie historisch fundierte Sendung "Hessen schamlos" ausgestrahlt. Schamlos, das bedeutet heute immer geringere Skrupel, sich öffentlich auszuleben, moralische Urteile beiseite zu schieben und Hemmschwellen in Sitte und Anstand zu durchbrechen. Und es war für die Funkleute leicht, viel "schamloses" Verhaltens in Hessen festzumachen, wie dieser kleine Band beweist. Fünf Kapitel weisen auf belehrend-amüsante Weise in die unterschiedlichsten Bereiche schamlosen Verhaltens.

Bei den "Männern" reicht der Bogen von Napoleons lustigem Bruder Jeróme in Kassel bis zu Fassbinders Skandalstück "Der Müll, die Stadt und der Tod". Bei den Vereinen wird menschliches Verhalten am Beispiel von Karnevalsclubs bis zur Klasse der Frankfurter Finanzmanager ausgeleuchtet, wofür in einer bissigen Satire Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann steht. Und wer einmal auf Hessens Autobahnen gefahren ist und die vielen Hinweisschilder auf "Hessischen Fachwerkbau" kennt, den wird nicht wundern, dass auch tief in die hessische Provinz eingetaucht wird, - in das Gerangel in Kassel um den Abriss der documenta-Treppe, in die Erinnerung an zwei in Seligenstadt beigesetzte Heilige, in Streiterein über historische Gebäude im südhessischen Lorch.

Am schönsten sind die Frauengeschichten, aus denen der mit "Fleischliche Dialektik" überschriebene Bericht über das Busenattentat auf Theodor W. Adorno im April 1969 an der Frankfurter Universität herausragt ("Ach, was muss man doch von bösen/Mädchen hören oder lesen" begann damals Robert Gernhardt sein unsterbliches Gedicht!). Insgesamt bestätigt der hübsche Band den Slogan aus alten Wahlkämpfen: "Hessen vorn". Bei solchen Begebenheiten kann man ja auch gar nicht hinten liegen!

Martin Maria Schwarz, Ulrich Sonnenschein (Hrsg.)

Hessen schamlos. Orte verwegener Taten.

Jonas Verlag, Marburg 2004; 144 S., 15,- Euro

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