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Hartmut Hausmann
Kommission klagt gegen Aussetzung des
Verfahrens
EU-Gerichtshof soll Klarheit im Streit um
Solidarpakt schaffen
Die EU-Kommission hat sich am 13. Januar in
Straßburg für eine Klage vor dem Europäischen
Gerichtshof gegen die Entscheidung der EU-Finanzminister
durchgerungen, die laufenden Defizitverfahren gegen Deutschland und
Frankreich zunächst auszusetzen. "Als Hüterin der
EU-Verträge sei die Kommission verpflichtet, den Klageweg
einzuschreiten", sagte Kommissionssprecher Gerassimos Thomas
gegenüber der Presse.
Bei diesem bisher beispiellosen Verlangen
gehe es nicht um den inhaltlichen Beschluss der Minister, sondern
ausschließlich um das von ihnen beschlossene Verfahren. Obwohl
beide Länder zum dritten Male in Folge gegen die im
EU-Stabilitätspakt festgelegte Obergrenze bei der
Haushaltsverschuldung verstoßen, gelang es Deutschland und
Frankreich am 25. November im Ministerrat mit der
Unterstützung von Italien und Luxemburg, die Inkraftsetzung
des von der Kommission vorgeschlagenen nächsten Schritts in
dem vertraglich festgelegten EU-Defizitverfahren zu vermeiden.
Stattdessen waren die Regierungen in Berlin und Paris nur zu
verstärkten Sparmaßnahmen und zur Rückkehr zu einem
vertragsgerechten Haushalt im Jahr 2005 aufgefordert
worden.
Diese Mahnung war auch ähnlich von der
Kommission vorgeschlagene worden. Doch die zusätzliche
Inkraftsetzung der nächste Stufe hätte bedeutet, dass auf
beide Ländern bei einem weiteren Verstoß gegen den
Stabilitätspakt empfindliche Geldstrafen zugekommen
wären. Nach Auffassung der Kommission reichen die vom Rat
verabschiedeten Schlussfolgerungen hierfür aber nicht aus. Den
"Entscheidungselementen" fehle somit jegliche juristische Basis,
sagte Thomas. Schon vor der Sitzung des Gremiums hatte sich der
deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen skeptisch zu der Klage
geäußert. Thomas machte aber auch deutlich, dass die
Kommission die Überwachung der Haushaltspolitik in den
Mitgliedstaaten fortsetzen und im Februar Vorschläge für
eine bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit vorlegen werde. Die
Luxemburger Richter müssen nun darüber befinden, ob sie
die Klage für zulässig halten, und wenn das der Fall ist,
ob sie in der Lage sind, sie im Eilverfahren zu behandeln. Lehnen
sie dies ab, könnten bis zu einer Entscheidung Jahre vergehen,
und dann bliebe der Stabilitätspakt endgültig auf der
Strecke.
Auch die Vorsitzende des Wirtschafts- und
Finanzausschusses des Parlaments hatte die Kommission aufgefordert,
von einer Klage Abstand zu nehmen. Angemessen "wäre ein
Reformvorschlag der Kommission, der den Stabilitäts- und
Wachstumspakt derart weiterentwickelt, dass er tatsächlich zur
Stabilisierung der europäischen Wirtschaft auf hohem und
inflationsfreiem Niveau beiträgt". Parlamentspräsident
Pat Cox hatte die Kommission noch mit dem Argument umzustimmen
versucht, der "Zerbrechlichkeit" des Wirtschaftsaufschwungs in
beiden Ländern Rechnung zu tragen. Kritik an der Klage kam
auch von den Betroffenen. Bundesfinanzminister Eichel bezeichnete
den Beschluss in Berlin als "wenig nachvollziehbar".
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