Theo Wassmann
Ein Tiefwasserhafen als Port für dicke
Pötte
Niedersachsen und Bremen: Große Pläne
für eine Konkurrenz zu Rotterdam
Schwere Fracht hatte der Bote im Auto, als er Anfang November
bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) in Aurich vorfuhr.
In zwölf Aktenordnern befand sich, was dem Nordwesten
Niedersachsens den Aufschwung bringen soll. Der Jade-Weser-Port
soll, wenn er einmal fertig ist, als zweitgrößter
Tiefwasserhafen Europas Rotterdam Konkurrenz machen.
WSD-Präsident Klaus Frerichs und seine Mitarbeiter
prüfen derzeit die vorgelegten Unterlagen; mit einem
Genehmigungsbeschluss wird in der ersten Jahreshälfte 2005
gerechnet. Geht alles glatt, werden anschließend die ersten
Bauaufträge vergeben: auf 1.725 Meter Kajenlänge sollen
bis Ende 2009/Anfang 2010 vier Liegeplätze errichtet
werden.
Der jetzt eingereichte Genehmigungsantrag setzt den Schlusspunkt
unter eine mehr als zweijährige Planungsphase des gemeinsamen
Projektes der Länder Niedersachsen und Bremen. Auf den Weg
gebracht hatte das Projekt der frühere niedersächsische
Ministerpräsident Sigmar Gabriel zusammen mit dem Bremer
Bürgermeister Henning Scherf (beide SPD). Zunächst hatte
sich auch Hamburg beteiligen wollen, war aber dann ausgestiegen,
als der mögliche Standort Cuxhaven zugunsten Wilhelmshavens
aufgegeben wurde. Am liebsten hätten die Hamburger den
Tiefwasserhafen selbst verwirklicht, die Pläne scheiterten
aber an der Tideabhängigkeit der Hansestadt.
Gabriel und Scherf gaben im Januar 2003 mit der Gründung
der Jade-Weser-Port-Realisierungsgesellschaft den Startschuß
für das ehrgeizige Projekt. 50,1 Prozent der Anteile an der
Gesellschaft hält das Land Niedersachsen, 49,9 Prozent die
Hansestadt Bremen. Die Baukosten wurden zunächst auf insgesamt
750 Millionen Euro veranschlagt. Darin waren allerdings die Neben-
und Folgekosten des Hafenbaus, etwa für Ausgleichsflächen
und die Verkehrsanbindung, nicht enthalten. Inzwischen werden die
Gesamtbaukosten auf rund 930 Millionen Euro veranschlagt, davon
sollen etwa 300 Millionen Euro vom privaten Hafenbetreiber Eurogate
aufgebracht werden.
Die Kosten für den ersten Bauabschnitt für vier
Liegeplätze, die so genannte "terminalnahe Infrastruktur",
werden auf 177 Millionen Euro veranschlagt. Diese Summe teilen sich
Niedersachsen und Bremen. Die "Suprastruktur",
Containerbrücken und Abfertigungsgebäude beispielsweise,
soll Eurogate finanzieren. Der Jade-Weser-Port ist damit eines der
wenigen Projekte, die von der Streichliste der
niedersächsischen Landesregierung nicht betroffen sind.
"Für uns ist der Hafen die wichtigste Großinvestition
in den nächsten Jahren - ein Projekt von europäischer
Dimension", sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). Und
auch die Europäische Union wird sich finanziell beteiligen -
zunächst an den Voruntersuchungen. Hierfür stellt die EU
zwei Millionen Euro zur Verfügung. Denn vor dem ersten
Spatenstich stehen noch Prüfungen zu sicherheits- und
naturschutzrechtlichen Anforderungen und zur Anbindung des Hafens
an das transeuropäische Verkehrsnetz an.
Rund 1.000 neue Jobs sollen langfristig allein im Hafen
entstehen. Für den Nordwesten Niedersachsens bedeutet der
Jade-Weser-Port damit nach zahlreichen Standortschließungen
der Bundeswehr eine Hoffnung. "Dies ist eine Aufbruchsregion",
sagte Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP). Für die Region
bringe der Hafen Arbeitsplätze und Wertschöpfung,
für das Land Internationalität und
Weltläufigkeit.
In der Branche geht man beim Containerumschlag von
jährlichen Steigerungen von rund sechs Prozent aus. Und so
begleitet die Wirtschaft an der Küste die Planungen mit Eifer.
Kürzlich fanden sich 400 Unternehmer in Wilhelmshaven zu einer
Regionalkonferenz zusammen. Sie wollten sich über den Stand
der Planungen informieren und über die Chancen, die der Hafen
nach seiner Inbetriebnahme den Unternehmen in der Region bieten
wird. "Der Hafen wird das Gesicht der Region verändern", gab
Karl Harms, Präsident der Oldenburgischen Industrie- und
Handelskammer (IHK), der Überzeugung der Unternehmer
Ausdruck.
Der Hafenbau bringt auch eine Erweiterung und Erneuerung der
Verkehrsanbindung mit sich. Als vorrangig sieht die
niedersächsische Landesregierung die Elektrifizierung der
Bahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven. Die geplante
Küstenautobahn von der ebenfalls geplanten A20 bei
Glückstadt zur A28 nach Oldenburg ist jedoch noch
Zukunftsmusik. Zumindest ein Teilstück soll aber vorzeitig
gebaut werden.
Einen Termin hat sich Wirtschaftsminister Hirche schon rot im
Kalender angestrichen: den 23. November 2009. Da will der Minister
das Band durchschneiden, und der erste Teil des Hafens soll in
Betrieb genommen werden.
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