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"Wo wir gehen und stehen, hinterlassen wir
digitale Spuren"
Interview mit Peter Schaar, neuer
Bundesbeauftragter für den Datenschutz
Peter Schaar, 49, ist der neue Bundesbeauftragte
für den Datenschutz. Die Grünen hatten sich bei den
Koalitionsverhandlungen das Vorschlagsrecht für die neue
Besetzung gesichert. Schaar war von 1997 bis 2000 Vorstandssprecher
der Hamburger Grünen und von 1994 bis 2002 stellvertretender
Datenschutzbeauftragter des Landes. Vorvergangenes Jahr machte er
sich mit einer Firma selbständig und beriet als Experte
für Internetsicherheit Unternehmer in Datenschutzfragen. Sein
Ziel im Amt ist es, den Datenschutz vom Image der
Pflichtveranstaltung zu befreien und das Eigeninteresse aller am
Erhalt der Privatsphäre zu fördern.
Das Parlament
Herr Schaar, was hat sich im Internet- und
Handy-Zeitalter für den Datenschutz verändert?
Peter Schaar Die Technik ist nahezu
allgegenwärtig. Wo wir gehen und stehen und wo wir
kommunizieren, hinterlassen wir digitale Spuren. Wenn ich zum
Beispiel mit einem eingeschalteten Handy unterwegs bin, sendet es
laufend Standortinformationen. Diese Spur ist im Prinzip
nachvollziehbar. Das Gleiche gilt für neue Systeme, die jetzt
diskutiert werden, zum Beispiel im Zusammenhang mit der
elektronischen Maut. Die Elektronik wird überall
miniaturisiert, das heißt, sie hält immer stärker
Einzug in Gegenstände des Alltags.
Das Parlament
Worin liegt bei dieser Entwicklung die
Herausforderung für den Datenschutz?
Peter Schaar Der Datenschutz muss sich
stärker als bisher darum kümmern, schon bei der
Konzeption der entsprechenden Technik mitzuwirken und darauf zu
drängen, dass Techniken, bei denen diese Spuren nicht oder nur
in geringerem Umfang entstehen, solchen Systemen vorgezogen werden,
bei denen diese Spuren umfassend sind. Es kommt darauf an, schon
bei der Infrastrukturkonzeption auf Datenschutz zu achten.
Früher ging es beim Datenschutz eher um die juristische
Beherrschbarkeit.
Das Parlament
Wie kann der Informationsbedarf bei allen
Beteiligten verbessert werden?
Peter Schaar Wir müssen vereinfachte
Standards definieren, auf die man sich verlassen kann. Ein
Beispiel: Bei einer TÜV-Plakette muss sich der Betroffene
nicht darum kümmern, welche Bremswerte noch akzeptabel sind
und wie viel Spiel die Lenkung haben darf. Wenn die
TÜV-Plakette vergeben wird, dann kann er davon ausgehen, dass
sein Fahrzeug verkehrssicher ist. Genau so etwas wünsche ich
mir auch für den Datenschutz. ... Zum Beispiel könnte man
bei Internetshops festlegen, dass es einen bestimmten
datenschutzrechtlichen Standard gibt und dass unabhängige
Gutachter feststellen, welcher Internetshop den Datenschutzvorgaben
entspricht. Wir brauchen eine gesetzliche Norm, die festlegt, nach
welchen Kriterien Gütesiegel vergeben werden und welche
Qualifikation Gutachter haben müssen. Das ist eines der
wichtigen Vorhaben, auf die ich schon lange warte.
Das Parlament
Das novellierte Telekommunikationsgesetz
liegt dem Deutschen Bundestag vor. Was hat die Novellierung
gebracht?
Peter Schaar Man kann nicht sagen, dass der
Datenschutz verbessert wird. Im Gegenteil, es gibt
Verschlechterungen. Die wesentlichen Regelungen werden zwar im
Gesetz selbst verankert, nicht mehr nur in einer
Telekommunikationsdatenschutz-Verordnung. Aber im Hinblick auf die
Datenverarbeitungsbefugnisse sehe ich kaum eine Verbesserung des
aktuellen Zustandes.
Das Parlament
Also wird sich der Schutz des
Telekommunikationsgeheimnisses tendenziell eher
verschlechtern?
Peter Schaar Das ist zu befürchten. Und
zwar insbesondere in Bezug auf die Verarbeitung der Verkehrsdaten.
Daten wurden in der Vergangenheit regelmäßig nur
verkürzt gespeichert. In Zukunft wird es nach der Vorlage der
Bundesregierung so sein, dass zunächst eine Vollspeicherung
stattfindet und der Betroffene selbst aktiv werden muss, wenn er
eine verkürzte Speicherung wünscht. Noch schlimmer
käme es, wenn eine Initiative des Bundesrates zum Tragen
käme. Dieser will eine Verpflichtung einführen, dass die
Verkehrsdaten sozusagen auf Vorrat für einen längeren
Zeitraum gespeichert werden. Wir Datenschutzbeauftragen lehnen das
ab, weil es für die Abwicklung der Telekommunikation nicht
erforderlich ist. Bereits jetzt gibt es gesetzliche Vorschriften,
die es nicht nur ermöglichen, diese Verkehrsdaten zum Zweck
der Strafverfolgung zu nutzen, sondern es kann auch für die
Zukunft angeordnet werden, dass diese Daten zu speichern sind, wenn
bestimmte Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat
dokumentiert werden. Eine pauschale Vorratsdatenspeicherung geht
allerdings weit darüber hinaus. Es ist zu befürchten,
dass überwiegend Daten von Personen, die unschuldig sind,
vorgehalten werden.
Das Parlament
Wie gut gelingt denn grundsätzlich der
Spagat zwischen den Anforderungen zur Wahrung der inneren
Sicherheit und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des
Einzelnen?
Peter Schaar Kurz nach dem 11. September sah
es so aus, als würden alle Dämme brechen, der Datenschutz
beiseite geschoben und zwar auch in der öffentlichen Meinung.
Im Laufe der Diskussionen über die Sicherheitspakete hat sich
vieles wieder in nüchterneren Bahnen bewegt. Es sind
Datenschutzeinschränkungen beschlossen worden, zum Beispiel
die Datenerhebungssbefugnisse der Sicherheitsbehörden
gegenüber Telekommunikations- und Luftfahrtunternehmen. Es
sind aber auch Sicherungen wie Befristung und Evaluierung
gesetzlich verankert worden, die das vertretbar erscheinen
ließen. Wichtig ist in besonderem Maße, dass
tatsächlich auch eine effiziente Erfolgskontrolle der
geschaffenen Befugnisse durchgeführt wird.
Das Parlament
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die
Anforderungen für Reisende von Seiten der USA?
Peter Schaar Von den Flugpassagieren werden
sehr viel mehr Daten durch die Sicherheitsbehörden der USA
angefordert, als das aus unserer Sicht zur
Terrorismusbekämpfung erforderlich ist. Es werden zum Beispiel
bei der Menüwahl Diätwünsche oder sonstige
Servicewünsche sowie Kreditkartennummern oder Daten über
Kontaktpersonen abgefragt. Diese Daten werden mit Dateien in den
USA abgeglichen. Wir wissen nicht, mit welchen. So können
recht umfassende Profile von Personen gebildet werden, insbesondere
auch, weil die US-Seite die Daten lange speichern will. Die
Sicherheitsproblematik wird in den USA nach dem 11. September
natürlich sehr ernst gesehen. Gleichwohl muss man nach der
Angemessenheit der Anforderungen fragen.
Das Parlament
Menschen, die seit dem 1. Januar 2004 die USA
bereisen, EU-Europäer ausgenommen, müssen den
Fingerabdruck und ein Foto hinterlassen, zum Beispiel wenn sie
länger als 90 Tage bleiben. Ist das ein hilfreicher Schritt zu
mehr Sicherheit?
Peter Schaar Es wird darüber
nachgedacht, ob nicht ab Oktober sämtliche USA-Reisende den
Fingerabdruck und das Foto abgeben müssen, weil es bis dahin
biometrische Merkmale in Pässen und Personalausweisen in
Deutschland und auch anderen Ländern mit Sicherheit nicht
geben wird. Das bedeutet, dass in den USA umfangreiche Datenbanken
über Reisende entstehen. Das ist kritisch zu sehen, und man
fragt sich tatsächlich, ob dadurch mehr Sicherheit hergestellt
werden kann.
Das Interview führte Ines
Gollnick.
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