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Alexander Weinlein
Rote Karte für Schleifer Platzek
Damals... vor 45 Jahren am 19. Februar 1959:
Wahl des ersten Wehrbeauftragten des Bundestages
Hauptwachmeister Schulz und Schleifer Platzek hätten nur
verständnislos mit dem Kopf geschüttelt. Der Gefreite
Asch und Kanonier Vierbein hingegen wären begeistert gewesen.
Ein Wehrbeauftragter, der sich - nur dem Parlament verantwortlich
und keiner militärischen Befehlskette unterworfen - um die
Sorgen und Nöte der Soldaten kümmert, war in ihrer Welt
jedoch noch nicht vorstellbar. Als die vier Protagonisten der
Romantrilogie "08/15" des Schriftstellers Hans Hellmuth Kirst in
den Jahren 1954 bis 1956 auf deutschen Kinoleinwänden noch
einmal preußischen Kasernenhofdrill und den Wahnsinn des
Krieges zum Leben erweckten, da schickte sich die junge
Bundesrepublik gerade an, wieder eine eigene Armee aufzubauen. Klar
war, dass in den neuen Streitkräften kein Platz mehr sein
sollte für Kadavergehorsam und Schleifertum. Und damit das
Leitbild vom "Staatsbürger in Uniform" und die Richtlinien der
"Inneren Führung" nicht nur Papiertiger blieben, wurde unter
anderem das Amt des Wehrbeauftragten geschaffen.
Der Bundestag richtete dieses Amt nach langem politischen Streit
am 26. Juni 1957 ein. Danach begann die Suche nach dem richtigen
Mann für diesen Job. Nach der Gesetzeslage musste er das 35.
Lebensjahr vollendet und mindestens zwölf Monate Wehrdienst
geleistet haben. Schließlich wurde man sich einig, der
Bundestag wählte den ehemaligen Generalleutnant Helmuth von
Grolman mit 366 gegen 16 Stimmen bei 32 Enthaltungen zum ersten
Wehrbeauftragten. Der damalige niedersächsische
Flüchtlingsminister Pastor Heinrich Albertz hatte den
ehemaligen Wehrmachtsoffizier 1949 als Referent für
Umsiedlungsfragen nach Hannover geholt. Der von den Nazis verfolgte
Albertz war während des Krieges von Grolman wiederholt vor dem
Zugriff der Gestapo geschützt worden. 1954 stieg Grolman zum
Staatssekratär im niedersächsischen Ministerium für
Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte auf, von
1955 bis 1957 arbeitete er im Personalgutachterausschuss für
die Bundeswehr mit.
In seiner Antrittsrede als Wehrbeauftragter legte Grolman ein
bemerkenswert klares Bekenntnis zu den Männern des 20. Juli
1944 ab und machte somit deutlich, in welcher Tradition er die neue
deutsche Armee sah.
Wie ernst er seine neue Aufgabe nahm, bewies Grolman gleich mit
seinem ersten Jahresbericht, den er im Mai 1960 vorlegte. Seine
Kritik an der Überforderung von Truppenführern in der
Aufbauphase der Bundeswehr, die zu Stimmungsabfall und Resignation
in den betroffenen Truppenteilen geführt habe, stieß auf
wenig Gegenliebe bei Verteidigungsminister Franz Josef Strauß
und anderen Unionspolitikern. Prompt entzündete sich eine
Diskussion um Amt und Person des Wehrbeauftragten, der, so die
Kritiker, seine Kompetenzen zu weit ausgelegt habe.
Auch der Bundestag selbst tat sich noch schwer im Umgang mit
diesem "Glanzstück der Verfassungswirklichkeit", wie das Amt
des Wehrbeauftragten heute gerne genannt wird. So wurden die
Berichte Grolmans für die Jahre 1959 und 1960 vom Bundestag in
seiner Plenumssitzung am 29. Juni 1961 ohne Debatte lediglich "zur
Kenntnis genommen", wie es im Parlamentsdeutsch so schön
heißt. Vizepräsident Carlo Schmid konnte sich deshalb
auch einige mahnende Worte nicht verkneifen: "Ich nehme nicht an,
dass dies in jedem Jahr die Form der Erledigung der Berichte des
Wehrbeauftragten sein wird und es so bleiben bleiben sollte. Ich
glaube dies feststellen zu müssen, denn das Amt des
Wehrbeauftragten ist ein hohes Amt und ein wichtiges Amt."
Nur zwei Wochen später reichte Grolman seinen
Rücktritt ein - aus persönlichen Gründen. Doch wenig
später kündigten die Schlagzeilen der Presse, dass
Grolman wegen einer homosexuellen Beziehung zu einem Jugendlichen,
der später einen Selbstmordversuch unternahm, hatte gehen
müssen. Grolman versuchte darauf hin, sich selbst das Leben zu
nehmen, überlebte aber. Nach seinem Rückzug aus der
Öffentlichkeit lebte er zusammen mit seiner Frau und seinen
fünf Kindern in Hannover. Im Januar 1977 starb er im Alter von
78 Jahren.
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