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Hartmut Hausmann
Entscheidung über das System ist wichtig
für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Beim digitalen Polizeifunk ist Deutschland das
Schlusslicht in Europa
Europa droht beim Aufbau von digitalen Sicherheitsfunknetzen
für Behörden eine Spaltung in nicht miteinander
kompatible Systeme mit entsprechenden Problemen bei der
grenzüberschreitenden Fahndungsarbeit. Dabei hatten sich die
Länder des Schengener Abkommens 1990 bereits dazu
verpflichtet, sich für die Einrichtung eines europaweit
einheitlichen Sprach- und Datenfunksystems für
Sicherheitsbehörden als einen Ausgleich für den Wegfall
der Grenzkontrollen einzusetzen. Inzwischen haben sich bereits zwei
verschiedene Standards etabliert und es liegt an Deutschland, ob
wenigstens im Kerneuropa weitgehend ein einheitlicher Standard
genutzt wird.
Da in Deutschland vor allem die Bundesländer mit ihrer
Hoheit in Polizeifragen involviert sind, aber auch die
Bundesregierung hinsichtlich des Bundesgrenzschutzes mit im Boot
sitzt, zögert sich die Entscheidung immer weiter hinaus.
Während andere Länder längst über einen
Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben (BOS) verfügen oder dabei sind, ihn
aufzubauen, streiten sich in Deutschland seit mehreren Jahren die
Bundesländer unter einander und gemeinsam mit dem Bund
über die Modalitäten der Ausschreibung und der
Kostenübernahme. Mit dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik
zusammen mit Albanien inzwischen das Schlusslicht im
europäischen Geleitzug für den Aufbau eines
leistungsfähigen und abhörsicheren Polizeifunks ist.
Für 2006 schon zu spät?
Fachleute sind sich sicher, dass der von Bundesinnenminister
Otto Schily erhoffte Termin, zur Fußballweltmeisterschaft 2006
über ein flächendeckendes Digitalfunknetz verfügen
zu können, nicht mehr zu halten ist. Bei diesem
spektakulären Großereignis, das unter Sicherheitsaspekten
wegen der Terrorismusbedrohung neben olympischen Spielen zu den
größten Herausforderungen zählt, muss Deutschlands
Polizei weiterhin mit einer veralteten Ausrüstung arbeiten,
die bei Großeinsätzen häufig zusammenbricht. Ein
Szenario, das im Bundestag sogar den Ansatz einer großen
Koalition entstehen ließ, indem Abgeordnete von SPD und CDU
davor warnten, die dringend notwendige Modernisierung der
Sicherheitskommunikation nicht am "Schwarzen-Peter-Spiel" der
Regierungen von Bund und Ländern scheitern zu lassen.
Die Länderchefs haben sich zwar nach dem langen Hin und Her
in einer Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler
grundsätzlich auf die Einführung eines bundesweit
einheitlichen Standards für den digitalen BOS-Funk geeinigt,
damit nicht auch in Deutschland ein Flickenteppich aus
verschiedenen Systemen entsteht. Kein Einvernehmen aber gab es
über einen Zeitplan für die Einführung und zur
Kostenaufteilung. Die Uneinigkeit wurde nur dadurch
überwunden, dass die Bundesländer das neue System nicht
gleichzeitig, sondern entsprechend ihren finanziellen
Möglichkeiten einführen dürfen. Da der Bund für
die Ausrüstung vor allem des Bundesgrenzschutzes nur zehn,
maximal 15 Prozent der Kosten zu übernehmen bereit ist, die
Länder von Berlin aber eine 50-Prozent-Beteiligung haben
möchten, wurde die Festlegung der Finanzierung erneut vertagt.
Erst wenn die konkreten Zahlen der Anbieter vorliegen, soll eine
Entscheidung fallen.
Am 19. Dezember gab es mit der Unterzeichnung einer
Dachvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die
Einführung eines bundesweit einheitlichen Digitalfunksystems
einen ersten Fortschritt. Damit ist die Chance gestiegen, dass
angesichts des enormen Zeitdrucks die Ausschreibung für den
Großauftrag in Höhe von rund drei Milliarden Euro
über zehn Jahre ohne die Endgeräte noch im ersten Quartal
formuliert werden kann.
Dabei soll jedoch keine Vorfestlegung auf ein bestimmtes System
erfolgen, sondern es sollen lediglich die grundlegenden
rechtlichen, technischen und betrieblichen Anforderungen definiert
werden. Neben der Forderung nach einer transparenten Kostenstruktur
muss in den Angeboten auch die Option für verschiedene
Finanzierungsmodelle berücksichtigt werden, wie
Maßstäbe für die Kostenverteilung zwischen den
künftigen Nutzern des Digitalfunks wie Polizei, Grenzschutz,
technische Hilfswerke, Rotes Kreuz bis hin zu möglichen
privaten Organisationen, beispielsweise ADAC. Die Systemfestlegung
als Ergebnis der Ausschreibung könnte dann Ende des Jahres
erfolgen. Voraussetzung aber bleibt eine Einigung über die
Finanzverteilung.
Wer immer auf der Anbieterseite den Zuschlag erhält, die
Entscheidung provoziert nicht nur für Deutschland, sondern
auch auf europäischer Ebene erhebliche neue Probleme, weil die
beiden wichtigsten, aber unterschiedlichen Systeme nicht
miteinander kompatibel sind. Die Polizei und das Land
NordrheinWestfalen favorisieren das System "Tetra 25" von
Telekom/Motorola, weil ein Feldversuch im Dreiländereck Aachen
auch unter dem Aspekt der grenzüberschreitenden polizeilichen
Zusammenarbeit mit Belgien und den Niederlanden, bei denen Tetra
bereits in Betrieb ist, ohne Probleme verlief. Darüber hinaus
aber verwenden dieses System bisher nur die für eine
Kooperation mit Nachbarländern uninteressanten, weil am Rande
Europas liegenden Länder Großbritannien, Island und
Finnland.
Weiter verbreitet ist da schon das von EADS Telekom verbreitete
System "Tetrapol", das in Spanien, Frankreich, der Schweiz,
Tschechien, der Slowakei und Rumänien bereits in Betrieb ist.
Alle übrigen Staaten befinden sich noch in der Prüfungs-
oder Ausschreibungsphase. Luxemburg möchte bei seiner
Systemwahl die deutsche Entscheidung berücksichtigen, da sich
an seinen Grenzen beide Standards etabliert haben. Vor einem
Neuanfang steht Österreich, das mit einem von Siemens
angeführten Konsortium einen Vertrag zum Aufbau eines
landesweiten Behördennetzes auf der Basis von Tetra
geschlossen hatte. Dieser Vertrag wurde Mitte vorigen Jahres
gekündigt, weil vorangegangene Tests unzureichende
Feldstärken bis hin zu regelrechten Funklöchern ergeben
hatten, selbst im Zentrum von Innsbruck und auf der
Brennerautobahn. Auch konnten vertraglich zugesagte Leistungen, wie
die Versorgung der Tunnel, nicht erbracht werden.
Ähnliche Probleme tauchten in Norwegen auf, das sich 1997
für das Tetra-System entschieden hatte. In den oft engen
Fjorden war eine ausreichende Funkabdeckung nicht überall zu
erreichen. Deshalb wurden Ausschreibungen neu geöffnet, und in
Oslo wird erwogen, auf das Tetrapol-System umzuschwenken. Arne
Schönbohm von EADS erklärte diese technischen Probleme
damit, dass Tetrapol gegenüber dem Wettbewerber klare
Reichweitenvorteile habe, die auch in Deutschland in einem
bundesweiten Test bestätigt wurden und die sich besonders in
Gebirgsregionen deutlich auswirken, während sie im Flachland
kaum Bedeutung haben. Vorteile hätte Tetrapol für
Deutschland auch deshalb, weil bereits die Bundeswehr dieses System
benutzt, was bei gemeinsamen Großeinsätzen zusammen mit
Polizei und Grenzschutz, wie bei der Flutkatastrophe 2002, von
großem Vorteil wäre. Auch die EU-Kommission hat sich
für diesen Standard entschieden..
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