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Josef-Thomas Göller
JFK steht als Herausforderer Bushs fest
Ein Präsident Kerry würde von Europa
mehr Engagement im Irak einfordern
Er kam, sah und siegte: Wieder steht ein JFK aus Massachusetts
in Washington ante portas. Wie schon 1960 der demokratische Senator
John F. Kennedy (JFK), mit Orden versehener Veteran des Zweiten
Weltkrieges, so ist nun erneut ein Yankee aus Massachusetts,
ebenfalls demokratischer Senator und hochdekorierter
Vietnam-Veteran mit den gleichen Intitialen JFK - John F. Kerry -
bereit, die Republikaner das Fürchten zu lehren. Zufall?
Am 2. März, dem zweiten so genannten "Super Tuesday", holte
sich der 60-jährige Berufspolitiker Kerry
erwartungsgemäß die Vorentscheidung zur Nominierung als
Präsidentschaftskandidat seiner Partei der Demokraten. Er
gewann mit überwältigenden Mehrheiten in neun von zehn
Bundesstaaten, darunter in den bevölkerungsreichsten,
Kalifornien und New York, den Auswahlwettbewerb der Demokraten
für die Präsidentenwahl am 2. November. Zwar hat er damit
noch nicht die numerische Mehrheit der erforderlichen Mindestzahl
von 2.162 Delegierten-Stimmen erreicht, die er auf dem Parteitag
der Demokraten Ende Juli in Boston für seine Nominierung
braucht. Kerry hat es aber geschafft, seinen erfolgreichsten
Mitbewerber, den sympathischen Senator John Edwards aus South
Carolina, zur Aufgabe zu bewegen. Außerdem steht nach einem
solchen "Abräumer" am zweiten "Super Tuesday", wie ihn Kerry
hingelegt hat, der Kandidat in der Regel fest. Traditionell wird
während des Vorwahlkampfes - der in diesem Jahr nichts anderes
ist als ein Kandidatenwettbewerb innerhalb der Partei der
Demokraten und bei dem nur eingetragene demokratische Wähler
zur Stimmabgabe zugelassen sind - zweimal an einem Dienstag
(Tuesday) in mehreren Bundeststaaten gleichzeitig abgestimmt -
deshalb "Super Tuesday".
Der republikanische Präsident George W. Bush hat seinem
künftigen Herausforderer noch in der Wahlnacht gratuliert.
Eine Anstandsgeste, die nicht darüber hinwegtäuschen
sollte, dass die USA in den kommenden Monaten bis zur
Präsidentenwahl möglicherweise in eine der schlimmsten
politischen Schlammschlachten ihrer Geschichte hineintaumeln. Dies
zumindest erwarten nicht nur die Demokraten, sondern auch eine
Reihe namhafter politischer Kommentatoren der Washingtoner
Szene.
Der Grund dafür liegt in erster Linie darin, dass anhand
der ständig durchgeführten Wählerumfragen erneut ein
sehr enges Ergebnis am 2. November erwartet wird - so wie auch
damals zwischen dem Republikaner Richard Nixon und - John F.
Kennedy! Seit dem selbst herbeigeführten Irak-Debakel des
Präsidenten, sinken dessen noch vor einem Jahr historisch
einmalig hohen Beliebtheitswerte stetig. Und bezeichnenderweise
beherrschte John F. Kerry am Tag nach seinem Erfolg am "Super
Tuesday" die Schlagzeilen nicht allein, sondern musste sich die
Aufmacher in den Zeitungen teilen mit einem erneuten Terroranschlag
in Bagdad, der 143 schiitische Pilger das Leben kostete.
Die Wahl im November wird folglich in erster Linie eine
Abstimmung über Präsident George W. Bush und seine
Politik werden. Bush kann sich trotz der hochexplosiven Lage im
Irak, die die amerikanische Invasion dort verursachte, einer
großen Stammwählerschaft sicher sein. Genauso wie sein
Herausforderer Kerry auf die demokratischen Kriegsgegner und
notorischen Bush-Hasser zurückgreifen kann. Nur: Beide
brauchen mehr. Beide müssen bei der jeweils anderen
Feldpostnummer wildern beziehungsweise die große Masse der
Unentschlossenen - das ist mindestens die Hälfte der
amerikanischen Wahlbevölkerung - auf sich aufmerksam machen.
Anders ist keine Mehrheit zu holen. Jedoch: Die Demokraten
können fast nur darauf hoffen, dass Bush in den nächsten
Monaten ein schwerer Fehler unterläuft oder sich die Lage im
Irak dramatisch zuspitzt. Etwas anderes kann vom Kerry-Lager aus
nicht unternommen werden.
Der Spruch des Senators aus Massachusetts, er wolle die "Zweifel
der Bürger durch Hoffnung ersetzen, und Angst durch
Sicherheit", klingt wie eine Anlehnung an das Bush-Repertoire. Und
die Manager der Wahlkampagne von Bush werden darauf herumreiten,
dass der Demokrat Kerry nach dem Terroranschlag gegen die USA im
Senat allen Anträgen des Präsidenten zugestimmt hat, bis
hin zum Abnicken der Invasion im Irak. Die nächsten Monate
werden erfahrungsgemäß viele persönliche
Schmutzkampagnen, auch unter die Gürtellinie, produzieren. Das
Privatleben des John Kerry ist nicht unproblematisch. Er ist einmal
geschieden - ein rotes Tuch für Katholiken -, lebt in zweiter
Ehe mit einer fünf Jahre älteren Frau aus dem
Ketchup-Imperium "Heinz" zusammen, die ein loses Mundwerk hat und
auch schon mal gerne einen Cocktail hebt.
Vor allem aber sein Anschluss an die Friedensbewegung gegen den
Krieg in Vietnam nach seiner Rück-kehr von dort wird ihm heute
von den Veteranen übel genommen und wirft kein starkes Licht
auf ihn als möglichen Oberkommandierenden der amerikanischen
Streitkräfte im Falle seines Einzuges ins Weiße Haus. Das
Land ist im Krieg: in Afghanistan, im Irak. Die USA sind mit
zahlreichen Truppen in diversen Krisen rund um den Globus
engagiert: auf den Philippinen, in Haiti, Kolumbien, Korea,
Liberia, auf dem Balkan, in Usbekistan, und stets bereit, eine
dritte große militärischer Herausforderung anzunehmen. Da
ist eine starke Führungspersönlichkeit mit
militärischem Willen gefragt, zumindest bei der Mehrheit der
Bevölkerung. Jene Stimmen, die "Ami go home" im eigenen Land
fordern, sind zwar laut, aber nicht repräsentativ.
John Kerry ist schon jetzt anzumerken, dass er auf dem Gebiet
der Außen- und Sicherheitspolitik vorsichtig in seinen
Argumenten bleibt. Er ist kein Ankläger, wie Howard Dean, der
vor drei Wochen als Kandidat scheiterte. Er hat nur noch ein halbes
Jahr Zeit, sein Profil zu schärfen, sich von Bush abzuheben,
seine Alternativen vorzustellen.
Im Grunde genommen interessiert dies aber kaum einen
Wähler. Entscheidend wird sein, wie sich Kerry in den
berühmten drei Fernsehdebatten kurz vor dem Wahltag der
Öffentlichkeit präsentieren kann - und: welche Fehler der
Präsident macht, dessen Amt er haben will.
Aus europäischer Sicht ist wichtig zu wissen, dass Senator
Kerry zwar über ein hohes Bildungsniveau verfügt, nicht
aber über Auslandserfahrung. Seine außenpolitischen
Kenntnisse beschränken sich auf angelesenes
Bücherwissen.
Im Fall des Irak gibt er sich zum Beispiel zuversichtlich, er
könne als Präsident die verfahrene innenpolitische Lage
zwischen Euphrat und Tigris mit mehr internationaler
Unterstützung lösen als George Bush. Kerry glaubt, die
europäischen "Nein-Sager" wären bereit, ihm, "dem Guten",
jenes zu geben, was sie Präsident Bush, "dem Bösen",
versagen: Truppen und Geld, und sei es nur, um Bush im nachhinein
zu ärgern. Auch glaubt Kerry, mit einem konzilianteren
Auftreten vor der UNO die Sympathie der Weltgemeinschaft für
die Vereinigten Staaten zurückzugewinnen und auf diesem Wege
ebenfalls Engagement im und für den Irak herausschlagen zu
können, mit dem Ziel, die Marines wieder nach Hause zu
bringen, so schnell wie möglich. Das war sein Ziel für
Vietnam. Das ist sein Ziel für den Irak. Und damit das
arabische Land nicht ins gleiche Chaos verfällt wie Indochina,
bedarf eine US-Regierung unter Kerry ganz besonders der Hilfe der
Europäer, respektive Deutschlands und Frankreichs. Wer in
Berlin würde ihm die ausgestreckte Hand ausschlagen?
Es ist derzeit leicht für jedwede europäische
Regierung, dem in der Alten Welt als Hardliner wirkenden Bush
entgegenzutreten, aber auch einem, wenngleich konservativen
Liberalen?
Vielleicht wünscht sich deshalb manch' deutscher Politiker
auf dem linken Spektrum, dass lieber Bush im Amt bleiben möge.
Es ist allemal leichter, einem George W. Bush weiterhin das Image
des "schießwütigen dümmlichen Cowboys"
anzuhängen als dem intellektuellen, telegenen Liberalen John
F. Kerry.
Falls ein zweiter JFK ins Weiße Haus einziehen sollte,
werden auf Deutschland, auf Europa insgesamt, wesentlich mehr
weltpolitische Verantwortung und Engagement zukommen,
militärisch wie finanziell.
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