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Claudia Heine
Hauptstadt mit Hindernissen
Damals... vor 10 Jahren am 10. März 1994:
Der Bundestag verabschiedet das Berlin/Bonn-Gesetz
Berlin ist eine arme Stadt. Nicht, weil der Karneval dort nicht
so stilecht ist wie im Rheinland, sondern weil ein Schuldenberg von
über 50 Milliarden Euro den Landeshaushalt belastet. Berlin
ist eine reiche Stadt, weil sie trotzdem eine bemerkenswerte
kulturelle Vielfalt besitzt. Und: "Berlin ist die Hauptstadt
Deutschlands." So formulierte es der Eini- gungsvertrag von 1990
und setzte damit eine bis heute geführte Debatte über die
Rolle und den Zustand der neuen Hauptstadt in Gang. Daran
änderten auch der Berlin-Beschluss des Bundestages von 1991,
der die Verlagerung von Parlament und Regierung an die Spree
bestimmte, und seine juristische Fixierung im Berlin/Bonn-Gesetz
von 1994 nichts. In Bonn hatte man Angst, mit der politischen
Bedeutung auch die Wirtschaftskraft der Region zu verlieren, und in
Berlin träumte man von künftigem Glanz, in dem sich alle
Probleme von selbst auflösen würden.
Weil das nicht passierte, forderte der Regierende
Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), kürzlich
eine Hauptstadt-Klausel im Grundgesetz. Sie solle festlegen, dass
Berlin Hauptstadt ist und vor allem, dass die Gewährleistung
notwendiger hauptstadtbezogener Infrastruktur und die
Repräsentation des Gesamtstaates, insbesondere auf kulturellem
Gebiet, Aufgabe des Bundes wären. Schützenhilfe erhielt
dieser Vorschlag ausgerechnet aus Bayern: "Ich weiß, Berlin
braucht Hilfe", sagte dessen Ministerpräsident Edmund Stoiber
(CSU). Die Probleme der Stadt hängen nicht nur, aber auch mit
deren Aufgaben als Bundeshauptstadt zusammen. Andere
Länderchefs reagierten dagegen ablehnend: "Wir werden Berlin
nicht zum Paris Deutschlands machen", sagte Hessens
Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Es war nicht zuletzt
diese Angst vor einer Zunahme zentralistischer Strukturen, die die
Berlin-Bonn-Debatte im vergangenen Jahrzehnt bestimmte.
Das Berlin/Bonn-Gesetz, das der Bundestag am 10. März 1994
verabschiedete, regelte deshalb nicht nur die Einzelheiten des
Umzugs von Parlament und Regierung nach Berlin. Ein wesentlicher
Teil konzentrierte sich auf die Maßnahmen, mit denen die Stadt
und Region Bonn gefördert werden sollte. Als Ausgleich
für den anstehenden Verlust sollte eine Neuansiedlung von
Bundeseinrichtungen in Bonn stattfinden. Unter anderem sah das
Gesetz vor, den Bundesrechnungshof, das Bundesversicherungsamt und
das Bundeskartellamt an den Rhein zu verlagern. Der Bund sagte
zudem zu, sich zu bemühen, weitere internationale
Organisationen dort zu konzentrieren. Heute sind die Vereinten
Nationen mit vielen neuen Einrichtungen in Bonn vertreten.
Eine "gerechte Aufgabenverteilung" zwischen der Bundeshauptstadt
Berlin und der "Bundesstadt" Bonn und deren Finanzierung standen im
Zentrum der Bundestagsdebatte vom 10. März.
Seine Kritiker bemängelten den Umzug nach wie vor als zu
teuer, was den Grünen-Abgeordneten und Berlin-Befürworter
Wolfgang Ullmann veranlasste zu fragen, "wie das wohl im Ausland
ankommen mag, wenn man hört, die Deutschen debattieren
darüber, ob sie reich genug sind, um sich die Vollendung der
Deutschen Einheit leisten zu können". Sein Argument für
Berlin, dass dort nun eine "Regierung sitzt, die nicht mehr
abgeschirmt in einer Weltferne, wie wir es hier sind" arbeiten
kann, reizte allerdings auch andere aus dem Berlin-Lager dazu, die
alte Hauptstadt zu verteidigen: "Hier in Bonn ist weder
provinzielle noch weltabgewandte Politik gemacht worden. Hier ist
eine Politik gemacht worden, die Wiedervereinigung und
europäische Integration ermöglicht hat", erwiderte
Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Sie betonte
außerdem, dass es neben der Kostenfrage doch eigentlich, um
die "Zukunftsplanung und -gestaltung für die Politik" gehe.
Berlin sei die "Zukunft für unsere Demokratie",
bekräftigte auch die Parlamentarische
Geschäftsführerin der Union, Brigitte Baumeister. Diesen
Optimismus teilte der fraktionslose Abgeordnete Ulrich Briefs
nicht, der darauf hinwies, dass dort die "scheußlichsten
Verbrechen der Menschheit geplant und organisiert wurden". Immerhin
werde die Regierung aber damit konfrontiert, dass Berlin "eine
Stadt der nationalen Niederlagen, eine Stadt der nationalen
Verlierer sei". Harte Worte über eine Stadt, der es zehn Jahre
danach tatsächlich schwer fällt, sich als Gewinnerin
ihres "Hauptstadt-Bonus" zu präsentieren, wenn auch aus
anderen Gründen.
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