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Volker Koop
Quoten gegen Geschmacksdiktatur
Deutsche Musik: Stiefkind in den
Radio-Programmen?
Wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen das
Musikantenstadl seine Pforten öffnet, wenn überhaupt zu
Volks- und Blasmusik gebeten wird, dann können sich die
Programmverantwortlichen über zu niedrige Quoten nicht
beklagen. Deutsche Musik findet hier offensichtlich sein Publikum,
was sich in den Hörfunkprogrammen allerdings nicht
wiederspiegelt. Wer dort nach deutschsprachigen Titeln fahndet,
braucht Geduld. Bisweilen werden zwar deutsche Interpreten
gesendet, doch die singen selten in ihrer Muttersprache. Vor Jahren
bereits war die französische Regierung der Überflutung
mit fremdsprachiger Musik überdrüssig und führte
Bestimmungen ein, nach denen mindestens 40 Prozent der
Musikprogramme mit Produktionen französischer Künstler zu
gestalten waren. Ein Vorbild auch für Deutschland?
Claudia Roth, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen,
zeigt sich höchst skeptisch, was die Einführung einer
Mindestquote anbelangt. Denn, so fragt sie: "Was ist heute schon
ein deutscher Titel? Ist es ein deutscher Titel, wenn ein
türkischstämmiger Barde deutsche Lieder trällert?
Ist es eine deutsche Produk-tion, wenn eine gebürtige
Münchnerin englisch, fran-zösisch oder spanisch ins
Mikrofon schmachtet?" Popmusik, die in ihrer ganzen Vielfalt einmal
Motor der Erneuerung und Bereicherung gewesen sei, sei von vielen
Sendern zum Pausenfüller degradiert worden, der das Abschalten
zwischen den Werbeblöcken verhindern solle. Neue und
ungewöhnliche Produktionen hätten kaum eine Chance - und
wer gar deutsch singe, für den blieben, wenn er Glück
habe, nur ein paar Minuten pro Sendetag. Die
öffentlich-rechtlichen Programme seien, so Claudia Roth
weiter, in der Quotenjagd längst auf den Pfad der rein
werbefinanzierten Sender eingeschwenkt: "Gespielt wird, was
unmittelbar eingeht - und eingängig ist, was immer gespielt
wird. Einige Radioprogramme kommen inzwischen mit einem Repertoire
von wenigen hundert Titeln aus; auch die Musikindustrie hat daran
ihren Anteil." Den kreativen Popmusikern könne eine faire
Chance sicher nicht dadurch gegeben werden, dass die Beteiligten
den schwarzen Peter im Kreis herumschöben. Sender, Industrie
und Politik müssten zusammen auf die Suche nach Lösungen
gehen. Resümee der Grünen-Abgeordneten: "Ob die Politik
dabei nur moderieren oder letztlich auch regulieren sollte, muss
Teil einer solchen, meines Erachtens längst
überfälligen Debatte sein. Auch die Diskussion über
eine Quote für neue und deutschsprachige Titel sollte ein Teil
dieser Debatte sein."
Daran, dass die Diskussion um eine Musikquote für
deutschsprachige Titel in den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten bereits seit 1996/97 geführt wird, erinnert
Monika Griefahn (SPD). Damals habe sich vor allem Heinz-Rudolf
Kunze neben einer Vielzahl anderer Künstler dafür
ausgesprochen. Über die beiden herausragenden Ziele herrsche
bis heute weitgehende Einigkeit: Förderung von Vielfalt, also
auch deutschsprachiger Titel, und Förderung des Nachwuchses in
den Rundfunkanstalten. Beides finde seine Basis im Kulturauftrag
der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Monika Griefahn verweist
allerdings darauf, dass dementsprechende Konkretisierungen des
Rundfunkstaatsvertrages den Ländern obliegen. Der Bund
könne hier nur moderierend tätig werden. Dem habe
beispielsweise ein breit angelegtes Symposium gedient, bei dem
Kulturstaatsministerin Christina Weiss und Ministerpräsident
Kurt Beck Musikwirtschaft und Rundfunkanstalten zusammengebracht
hätten. Bald sei klar geworden, dass die Interessen der
Rundfunkanstalten und der Musikwirtschaft sich zu erheblichen
Teilen deckten. Griefahn: "Umstritten ist nur der Weg, auf dem die
Ziele erreicht werden können. Die regulierte Selbstregulierung
der Sender scheint momentan der Weg zu sein, den viele bereit
wären, mitzugehen. Die überwiegende Zahl der Länder
befürwortet eine stärkere Förderung
deutschsprachiger Musik. Dies entspricht auch der Position der
SPD-Bundestagsfraktion, die sich im Einklang mit der
Bundesregierung immer wieder stark macht für kulturelle
Vielfalt und die Vermittlung von kulturellen Bildungsangeboten als
Grundlage unserer heterogenen Kulturnation."
"Eine Stärkung des nationalen Repertoires im
öffentlichen-rechtlichen Rundfunk ist unbedingt
wünschenswert, die verpflichtende Quote für deutsche
Musik jedoch keine Lösung für die Akzeptanzprobleme, mit
denen diese gegenwärtig zu kämpfen hat." Mit diesen
Worten umreißt der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Kampeter
seine Haltung. Letztlich entscheide der Hörer, was gut sei.
Eine Zwangsquote könne weder Qualität noch
verlässliche Rahmenbedingen ersetzen. Sie sei insofern ein
Instrument zur Vermarktung von Produkten, die regulär keinen
Markt hätten, gute Musik werde sich auch ohne Quote am Markt
durchsetzen. Die Plattenindustrie möge, so schätzt der
Unions-Abgeordnete es ein, in der Quotenreglung außerdem einen
Weg sehen, ihre rückläufigen Absätze wieder
ankurbeln zu können. Radiostationen dürften jedoch nicht
als Absatzkanal für die Tonträgerindustrie
instrumentalisiert werden. Schließlich widerspreche eine
gesetzliche festgeschriebene Quotenreglung der Programmfreiheit der
öffentlich-rechtlichen Sender und sei bei den privaten
Radiostationen juristisch nicht durchsetzbar. Seine Haltung in der
Debatte fasst Kampeter so zusammen: "Im Gegensatz zu einer
Zwangsquote halte ich daher eine freiwillige Selbstverpflichtung
für ein praktikables Mittel zur Erhöhung des Anteils von
deutscher Musik im Radio. Auch durch eine Änderung oder
Abschaffung des Sendeprivilegs könnte die Gestaltung des
Repertoires im Hinblick auf eine stärkere
Berücksichtigung deutscher Produktionen beeinflusst werden."
Politik sollte die Forderung nach mehr deutscher Musik im
Hörfunk unterstützend begleiten. Zu viele Gesetze und
Vorschriften erstickten jedoch die Kreativität und den
Wettbewerb.
Es mag überraschend klingen, aber ausgerechnet der
FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin ist heftiger Ver-fechter einer
Quote. Als ehemaliger Leiter einer Mu-sikredaktion beim NDR hat er
hierzu eine klare Mei-nung: "Wir brauchen ein Quote. 30 bis 40
Prozent der Musik in Radiosendungen sollten von deutschspra-chigen
Interpreten kommen." Er räumt ein, dass es für einen
liberalen Politiker sicher ungewöhnlich sei, nach staatlicher
Regulierung zu rufen. Es sei sicher richtig anzunehmen, dass
rechtliche Rahmenbedingungen, die eine Quotierung der
deutschsprachigen Musik festschrieben, sehr schnell zu geistiger
Einengung führen könnten und damit einer, wie er es
bezeichne, Geschmacksdiktatur Vorschub leisteten. Die Forderung
nach Quote begründet Koppelin so: "Überall in Deutschland
entstanden private Rundfunksender und werden erfolgreich betrieben.
Wir alle haben uns damals davon eine herrliche und
überwältigende Vielfalt an Programmen erhofft. Durch
Konkurrenz sollte Vielfalt entstehen. Leider hat sich der Markt in
eine andere Richtung entwickelt als ursprünglich erhofft. Es
entstanden Einheitsmusikprogramme, so dass die einzelnen Sender
nicht mehr zu erkennen sind. Statt der Vielfalt haben wir
Geschmacksdiktatur." Deutschsprachige Talente hätten nicht die
geringste Chance gespielt zu werden und ihr Talent zu entwickeln.
Nur eine Quote könne Abhilfe schaffen, ist Koppelin
überzeugt und fügt hinzu: "Es ist eigentlich schade, dass
eine solche Forderung aufgestellt werden muss."
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