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Imke Rosebrock
"Ich wollte nicht so befremdlich auf andere
Menschen wirken mit meinem Kopftuch"
Wenn Mode politisch wird: Die gläubige
Muslimin Emel Algan entwirft elegante Kopftücher
Das hier ist das Ninja-Modell", sagt Emel Algan, lacht, und
zupft sich die grau-grüne Stoffkappe mit dem angenähten
Halsteil zurecht, "zumindest nennen meine Söhne das so". An
die martialischen japanischen Kämpfer erinnert die zierlich
Frau nicht. Und ihre ungewöhnliche Kopfbedeckung will die
gläubige Muslimin auch nicht als Waffe verstanden wissen,
sondern als einen Kompromiss. Hüte, Hauben und Mützen,
aus Filz, Wolle und Jersey, kombiniert mit Schals und Tüchern,
die Haare, Ohren und Hals bedecken. Emel Algan hat Alternativen zum
Kopftuch entworfen und sie hofft, damit das Kopftuchverbot für
den öffentlichen Dienst verhindern zu können.
Die 43-Jährige ist Vorsitzende eines islamischen
Frauenvereins in Berlin-Kreuzberg, der vier Kitas betreibt. Sie hat
Anglistik studiert, liebt irische Musik und macht Pilates, ein
Fitnesstraining, das bei Hollywood-Stars, Managern und Models
gerade ziemlich angesagt ist. Die beiden Hutmacherinnen, die nun
nach Emel Algans Ideen gut zehn Alternativen zum herkömmlichen
Kopftuch angefertigt haben, sind nicht nur von der handwerklichen
Herausforderung angetan. Susanne Gäbel zum Beispiel, die in
ihrem Geschäft schon an der nächsten Kreation arbeitet,
findet es spannend, sich mit anderen Kulturen auseinander zu
setzen. Emel Algan mit ihren immer neuen Ideen bezeichnet sie
schmunzelnd als "unersättlich". Algan zögert kurz:
"Hm..., das hört sich so gierig an. Ich würde eher sagen:
Ich bin nicht zu bremsen."
Und als wollte sie ihre eigene Beschreibung noch einmal
unterstreichen, legt sie los. Sie redet, holt aus, erklärt.
Über Muslime, die Mehrheitsgesellschaft, Frauen, Männer,
Politiker. Dann lächelt sie. Schaut den Gesprächspartner
an. Fragend, neugierig und interessiert, aber nicht wirklich
unsicher. Dabei könnte die eine oder andere Gruppe ihre
Ansichten durchaus als ketzerisch auslegen. Emel Algan hat mit
ihren Entwürfen die von Männern gerne belächelte
Welt der Frauen und der Mode verlassen. Das Kopftuch ist zum
Politikum geworden. In diesen Tagen schreibt sie an Politiker, gibt
Interviews, sitzt auf Podien. Dabei hatte es vor ein paar Monaten
ganz anders angefangen. "Es ging um Mode. Ich wollte nicht so
befremdlich auf andere Menschen wirken mit meinem Kopftuch",
erinnert sich die Mutter von sechs Kindern. Sie wollte einfach eine
schickere Kopfbedeckung als das klassische Kopftuch aus Seide.
Islam und Mode sind in Algans Augen miteinander verträglich.
Religiöse Vorgaben müssen aber eingehalten werden.
Den Halsausschnitt bedecken
Aber mit den Bekleidungsregeln ist das so eine Sache. Emel Algan
zum Beispiel bedeckt ihr Haar, ihre Ohren und ihren Hals. "Dabei
steht das so gar nicht im Koran", sagt sie und führt ihre
Quellenstudien an. In der Sure 33/59 heißt es, gläubige
Frauen sollten, um erkannt und von den Sklavinnen unterschieden zu
werden, ihre Gewänder "reichlich über sich ziehen". Die
Sure 24/31 besagt, die gläubigen Frauen sollten ihren
Halsausschnitt verdecken. "Mehr steht da nicht", betont Emel Algan.
Hinweise darauf, dass Haare, Ohren und Hals zu verdecken seien,
stehen in den Hadithe, den Überlieferungen des Propheten. Doch
wo überliefert wird, da wird interpretiert. Das müsse man
kritisch hinterfragen, sagt sie. Und so prüft sie gerade auch
ihre eigene Haltung zum Kopftuch. Im Koran steht auch, es gibt
keinen Zwang im Glauben. Das bedeutet für Algan, dass sie nur
sich selbst und ihrem Schöpfer eine Erklärung schuldig
sei. Wenn das alles so einfach wäre. Tradition und Moderne,
Glaube und Zweifel - das alles scheint in Emel Algans Leben
gleichzeitig vorzukommen. Letztendlich müsse sie sich auf
ihren gesunden Menschenverstand verlassen, sagt sie.
Auf die Frage, warum manche muslimische Frauen ein Kopftuch
tragen, gibt es für sie und andere nicht immer eine klare
Antwort. Die Grenzen zwischen freier Entscheidung, kulturellen
Gebräuchen, religiösen Geboten und schlichtem
familiärem Zwang verschwimmen. Emel Algan sagt, die
Kopfbedeckung sei für sie ein ganz normales
Kleidungsstück: wie eine Socke, ein Pullover, und damit vor
allem ihre Privat- und Intimsphäre. "Da mischt sich niemand
ein! Nicht mein Mann, nicht mein Sohn, nicht meine Mutter." Und der
Staat? "Der Staat schon gar nicht!"
Tatsächlich mischen sich aber ziemlich viele ein. Der
Streit um das Kopftuch zieht sich nun schon über Jahre hin. Im
letzten September hat das Bundesverfassungsgericht die Diskussion
zurück an die Politik verwiesen. Ohne Gesetz kein Verbot.
Jetzt wird in den Landtagen heftig gestritten. Die Positionen sind
kontrovers: Das Kopftuch ist ein Symbol religiösen
Fundamentalismus. Das Kopftuch ist ein rein privater Glaubensakt.
Es ist eine politische Äußerung. Es ist ein simples
Kleidungsstück. Frauen, die ein Kopftuch tragen, werden
unterdrückt. Frauen, die ein Kopftuch tragen, sind emanzipiert
und handeln aus freien Stücken. So war es nicht nur eine Frage
der Mode, warum Emel Algan sich auf die Suche nach Alternativen
gemacht hat, sondern es waren auch die negativen Assoziationen, die
ein Kopftuch bei manchen Menschen hervorruft. Diskriminierung habe
sie früher zwar nicht erfahren, sagt sie, aber eine Distanz,
die hat sie gespürt. Jetzt werde sie auch von
Nicht-Musliminnen auf der Straße angesprochen. Wo es denn die
Charleston-Hüte, die schicken Filzkäppis, die
asymmetrischen Wickelhauben zu kaufen gebe? Es sind solche
Begegnungen, die wiederum dafür sorgten, dass Algan
selbstbewusster auf die Menschen zugehen könne.
Emel Algan ist in Istanbul geboren und als Kleinkind mit ihren
Eltern nach Deutschland gekommen. In Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen hat sie ihre Kindheit und Jugend verbracht. Sie
definiert sich als "in Deutschland aufgewachsene Muslimin", die
einiges zu kritisieren hat: "Deutschland ist ein multikulturelles
Land geworden, aber die geschlossene Gesellschaft der Politiker ist
monokulturell geblieben", Jahrzehntelang hätten die Menschen
Zeit gehabt, sich an den Anblick des Kopftuchs zu gewöhnen. Im
Verbot sieht Algan darum einen Rückschritt und eine Gefahr,
denn Muslime könnten sich darin bestätigt fühlen,
dass man sie ausgrenzt. Und ihre Glaubensschwestern könnte der
Mut verlassen, befürchtet sie. "Die Familie sagt: Du musst!
Der Staat sagt: Du darfst nicht! Das Opfer ist immer die Frau."
"Frauen" ist ein Wort, das bei einer Unterhaltung mit Emel Algan
häufig fällt. Dabei geht es ihr nicht nur um Muslima.
"Die Arbeitswelt zum Beispiel ist viel zu sehr auf Männer
ausgerichtet. Wer kümmert sich da um unsere Bedürfnisse?
Wenn sich alle Frauen zusammentun, dann könnten wir was
verändern." Aber deutsche Politikerinnen verhielten sich oft
unverhältnismäßig unterwürfig. Sie
lächelt, wenn sie solch kämpferische Losungen
verkündet. Ein Kopftuchverbot könnte Musliminen
vielleicht dazu bewegen, in einigen Berufszweigen ihre Bedeckung
aufzugeben. Vielleicht aber auch nicht.
Zum Beispiel Merve. Die 17-jährige Schülerin aus
Neukölln trägt ein Kopftuch. Freiwillig, sagt sie. Nicht
das Tuch sei eine Unterdrückung, sondern dass die
Öffentlichkeit das ständig behauptet. Jetzt denkt sie
darüber nach, welchen Beruf sie erlernen kann, bei dem ihr das
Kopftuch nicht im Wege steht. Obwohl in Berlin über das
Kopftuchverbot noch nicht endgültig entschieden sind, bezieht
sie den öffentlichen Dienst nicht mehr in ihre
Überlegungen mit hinein. "Ich würde mir nur unnötig
Hoffnungen machen", sagt sie.
Die Mädchen im Kreuzberger Frauenverein waren geteilter
Meinung, als Emel Algan ihnen die neuen Kopfbedeckungen vorstellte.
Die einen hätten es gern noch peppiger, jugendlicher, die
anderen waren eher skeptisch. "Dann assimilieren wir uns doch",
sagte eine. "Wir assimilieren uns erst, wenn wir das Tuch
abnehmen", war Algans Entgegnung. "Das ist doch Mode! Das ist
Konsum!", sagte eine andere. "Na und? Mode ist auch kreativ",
antwortete Algan. "Nirgendwo steht geschrieben, dass wir uns wie
Vogelscheuchen verhüllen müssen."
Emel Algan, Islamischer Frauenverein Cemiyet-i Nisa e. V., Tel.:
0 30-6 94 94 07. Hutmacherinnen: Susanne Gäbel, "Salon
Hüte & Accessoires", Bleibtreustraße 40,
10623 Berlin, www.hut-salon.de und Doreen Persche,
"Kleemanns Hüte", Schönhauser Allee 131, 10435
Berlin.
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