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Ines Gollnick
Der Realist: Rainer Wend
Parlamentarisches Profil
Der Staat ist nur eine Marionette der Konzerne." Ganz so
drastisch wie zu seiner Studentenzeit, als er sich noch im
Sozialistischen Hochschulbund engagierte, würde der
Sozialdemokrat Rainer Wend, Vorsitzender des Bundestagsauschusses
für Wirtschaft und Arbeit, diesen Satz heute nicht mehr
formulieren. "Marionette ist der Staat sicher nicht", sagt er
heute. "Allerdings glaube ich, dass gerade in Zeiten der
Globalisierung die objektiven Möglichkeiten, durch die
demokratisch gewählten Institutionen Politik und Wirtschaft zu
gestalten, eher ab- als zugenommen haben." Damit sich in diesem
globalen Wettbewerb demokratisch legitimierte Institutionen noch
behaupten können, sei seiner Meinung nach eine noch
stärkere internationale Kooperation nötig, um sich
dadurch auch wieder freie Handlungsspielräume für die
Politik zu erobern.
Rainer Wend empfindet seine parlamentarische Arbeit zur Zeit als
ausgesprochen befriedigend. Er hat Karriere gemacht, nach und nach
mehr Verantwortung übernommen. Anfang 2002 "kürte" ihn
seine Fraktion am Ende seiner ersten Legislaturperiode zum Sprecher
für Wirtschaft und Technologie. Im Herbst nach der Wahl stieg
er dann zum Vorsitzenden eines Bundestagsausschusses mit neuem,
größerem Zuschnitt auf. Wirtschaft und Arbeit wurden
sowohl auf exekutiver wie parlamentarischer Ebene
zusammengeführt. Die Tagesordnung und die Themen sind in
diesem Gremium nun wesentlich umfangreicher geworden, die Arbeit
für Rainer Wend dadurch aber reizvoller. "Als Vorsitzender ist
man zwar nicht aus der Fraktionsdisziplin ausgegliedert, aber man
hat doch ein Stück weit mehr Selbständigkeit und
Möglichkeiten, seine persönlichen Positionen einzubringen
als vielleicht in anderen Funktionen. Davon mache ich auch
ausgiebig Gebrauch", unterstreicht der Jurist, der auch
stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss ist.
So zweifelt Wend beispielsweise am Erfolg einer
Ausbildungsumlage für Betriebe, die nicht ausbilden. "In NRW
hat man sehr viel Erfolg damit, dass Wirtschaft und Staat auf
freiwilliger Basis kooperieren und die Ausbildungsnot
bekämpfen. Ich glaube, dass eine staatlich verordnete Umlage
in der Wirtschaft tendenziell dazu führt, sich weniger
verantwortlich zu fühlen. Man kann sich mit einem Betrag
freikaufen."
Ab dem Sommer rechnet Wend fest mit einer Abnahme der
Arbeitslosigkeit, beziehungsweise mit mehr Beschäftigung,
vorausgesetzt, die Vorhersagen der Institute und der
Bundesregierung stimmten. Um Arbeitslosigkeit abzubauen, empfiehlt
Wend eine Expansion rund um den privaten Haushalt. Soll
heißen: Haushalte sollen als Arbeitgeber anderen Arbeitgebern
gleichgestellt werden, mit der Folge, dass Lohn und Gehalt, die
für Mitarbeiter gezahlt werden, von der Steuerlast abgezogen
werden können. So könnten nach Wends Vorstellungen vor
allem Menschen mit geringeren Qualifikationen neue Chancen
erhalten, denn Langzeitarbeitslose mit geringerer Qualifikation
seien das größte Problem.
Auch bei der Schwarzarbeit hat sich Wend klar positioniert:
"Neben der stärkeren Verfolgung, neben dem Bemühen, die
Rahmenbedingungen zu verbessern, was die Beiträge angeht, muss
sich in der Gesellschaft eine Kultur etablieren, die es verachtet,
wenn auf Kosten der Gemeinschaft gelebt wird."
Der 50-Jährige bevorzugt bei aller Notwendigkeit, Kritik zu
formulieren, die sachliche Debatte. Das war ihm auch bei der
Aufarbeitung der Vorkommnisse um Beraterverträge und
explodierende Kosten für die digitale Stellenvermittlung in
der Bundesagentur für Arbeit wichtig. Der
Wirtschaftsausschuss, in den der alte und der neue Vorsitzende
geladen waren, hat keinen direkten Einfluss auf die Bundesagentur
für Arbeit (BA). Aber um die Behörde auch aus
parlamentarischer Sicht wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu
geleiten, könne der Ausschuss indirekt helfen, so Wend, "indem
die Debatte um notwendige Veränderungen auch in der BA selbst
möglichst sachlich, von parteipolitischen Profilierungen her
zurückhaltend, geführt wird."
Im Deutschen Bundestag an exponierter Stelle mitzuarbeiten, ist
für Wend die Erfüllung eines kleinen Jugendtraumes. Schon
als Junge habe er Willy Brandt und Herbert Wehner bewundert,
schildert er die "romantischen" Wurzeln seines politischen
Engagements. Mit 16 trat er in die SPD ein. Seine Einblicke in die
Arbeitswelt, sein Vater war Schriftsetzermeister, seine Mutter
Putzmacherin, prägten ihn. Und noch heute pflege er diese
Kontakte und Verbindungen in dieses Milieu.
Realist sei er, sagt Wend. Realist mit Ambitionen, denn sein
Jurastudium in Marburg und Münster schloss er mit
Prädikatsexamen ab. 1982 folgte die Promotion. Für
Realitätssinn sorgt dann auch immer wieder seine Familie. Wend
hat ein "Vier-Mädelhaus", die Töchter sind 21, 17 und
sieben Jahre alt. Er weiß, was sich in der Jugend so abspielt
und was sich hinter Jugendkultur heute verbirgt. Durch seine
"vernünftige Beziehung zur Wirklichkeit", wie er es nennt,
könne er gut einschätzen, welche politischen
Maßnahmen nutzen oder schaden würden.
Dass er seinen Bielefelder Wahlkreis mit so
überwältigender Mehrheit geholt hat, führt er auch
darauf zurück, dass er es mit vielen Menschen kann, wie man so
sagt, dass er eine Beziehung zu vielen Lebenswirklichkeiten habe.
Persönliche Wertvorstellungen umzusetzen, das gelinge in der
Politik anders als in anderen Berufen, darüber könne man
mehr bewegen als in anderen Berufen, findet er. Hier liege der
Reiz. Und dies war auch das zentrale Motiv für Wend, in die
Politik einzusteigen. Eines unterstreicht er aber
ausdrücklich: "Ich bin kein verbissener Politiker, der 15
Stunden darbend auf Sitzungen oder im Büro verbringt." Die
Familie dankt es ihm, denn die besucht ihn manchmal in der
Hauptstadt.
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