Erik Spemann
Avantgarde oder "Rückfall in die
forstpolitische Steinzeit"?
Bayerns rigoroser Spar- und Reformkurs: Das
Beispiel Staatsforsten
Mit einer radikalen und umstrittenen
Umstrukturierung der traditionsreichen Staatsforstverwaltung
beginnt die bayerische Staatsregierung einen ganzen Reigen von
Reformen zur Verschlankung der Verwal-tung des Freistaats. Von der
CSU-Fraktion im Landtag bereits beschlossen, sieht es die
Auflösung der bisherigen 128 Einheitsforstämter vor, wo
bisher Forstbetrieb, hoheitliche Aufgaben und Beratung von Privat-
und Körperschaftswäldern in einer Hand lagen. Stattdessen
wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit einer klaren,
betriebswirtschaftlich ausgerichteten Struktur und
unternehmerischem Freiraum die Bewirtschaftung übernehmen. Die
hoheitlichen Aufgaben werden getrennt und in die rund 50
Landwirtschaftsämter integriert. Außerdem sollen in den
nächsten zehn bis 15 Jahren 1.000 Mitarbeiter eingespart
werden, das sind rund 20 Prozent.
Gegen die Reform im 770.000 Hektar
großen Staatswald laufen die Naturschutzverbände mit
einer Million Mitgliedern Sturm und prüfen ein Volksbegehren
zur Erhaltung der bewährten Einheitsforstämter. BUND-Chef
Hubert Weiger sieht einen "Rückfall in die forstpolitische
Steinzeit". Die SPD-Abgeordnete Heidi Lück befürchtet im
Wald einen Qualitätsverlust, und der forstpolitische Sprecher
der Grünen, Christian Magerl, warnt: "Der vermeintliche
Einspareffekt steht in keinem Verhältnis zu den
ökologischen Verschlechterungen."
Für Land- und Forstwirtschaftsminister
Josef Miller werden durch die Reform die grundlegenden
Zielsetzungen des bayerischen Waldgesetzes, vor allem die
Gemeinwohlaufgaben des Waldes, nicht in Frage gestellt.
CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann bekräftigte, dass davon
kein Jota abgestrichen werde. "Das Gerede" von Kahlschlag oder
Qualitätsverschlechterung in den Wäldern bezeichnete er
als "reinen Unfug". Der für die Reformen verantwortliche
Staatskanzleichef Erwin Huber, der die Neuordnung vorangetrieben
hatte, rühmte das Vorhaben als "maßgeschneidert" für
Jahrzehnte und stellte fest, eine wichtige Etappe der
Verwaltungsreform sei genommen.
Rosskur im Staatswald
Huber hatte seine Rosskur im Staatswald
bereits im Dezember und dann im Januar von der CSU-Fraktion
absegnen lassen wollen, und zwar in der noch bedeutend
drastischeren Form einer GmbH für den staatlichen
Forstbetrieb. Der sollte mit seinen Gewinnen die wichtigen
Gemeinwohlaufgaben selber finanzieren, zu denen auch die
kostspielige Sanierung der vielfach vom Wild verbissenen
Schutzwälder im Gebirge zählt. Doch die
Regierungsfraktion sah eine Reihe wichtiger Fragen noch
ungeklärt und verlangte zusammen mit der Opposition erst
einmal eine bisher überhaupt nicht vorhandene
Kosten-Nutzen-Analyse der möglichen
Organisationsmodelle.
Bei einer Expertenanhörung vor dem
Landwirt-schaftsausschuss wurde die derzeitige Form der
Staats-forstverwaltung mit ihren Einheitsforstämtern von allen
Fachleuten einhellig als die optimale und allen Bedürfnissen
gerecht werdende Organisation bezeichnet. Bereits unter dem
früheren Landwirtschaftsminister Reinhold Bocklet war sie
umfassend verschlankt worden und hatte seit 1995 bereits 30 Prozent
ihres Personals, 35 Forstämter, zwei Direktionen und über
130 Reviere abgebaut. Der reine Forstbetrieb schrieb schwarze
Zahlen, doch die Erfüllung der besonderen Gemeinwohlaufgaben
führte wieder in die Verlustzone. Die Staatsregierung mit
ihrem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis 2006 sah
Handlungsbedarf für ein stärker gewinnorientiertes
Wirtschaften.
Die Kritiker der Huberschen Reformpläne
warnten, dass angesichts sinkender Holzpreise die Erlöse aus
dem Wald weiter zurückgingen. Dies würde zu
ver-stärktem Einschlag und Raubbau führen, der die
Nachhaltigkeit der Wälder und ihre Wohlfahrtswirkungen wie
Hochwasser- und Lawinenschutz in den Bergen, Trinkwasserspeicher
und Erholungsfunktion gefährde. Nach intensiven Diskussionen
in der CSU-Fraktion einigten sich die Minister Miller und Huber
bereits vor der Fertigstellung der Kosten-Nutzen-Analyse auf die
Neugestaltung in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts
und ließen die GmbH wie auch das Modell einer reformierten
Forstverwaltung mit bisherigen Strukturen fallen.
Im Eilverfahren wurde hinterher die
umfangreiche Analyse an einem Vormittag dem auswärts in einer
Waldbauernschule an der Donau tagenden Landwirt-schaftsausschuss
präsentiert - unter Abwesenheit der Opposition, die aus
Protest gegen das Vorgehen der Sitzung ferngeblieben war und von
einer "Schmieren-komödie" sprach. Am Nachmittag wurde die
Vorlage zur Forstreform in der CSU-Fraktion nach kontroverser
Diskussion bei nur zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung
abgesegnet.
Nach der Kosten-Nutzen-Analyse von Minister
Miller lassen sich mit der neuen Organisationsform im Laufe der
nächsten Jahre bis zu 133 Millionen Euro einsparen.
Andererseits hätte sich fast ähnlich viel mit einer
Reform des bestehenden und von den Forstexperten favorisierten
Systems sparen lassen. Der Unterschied zwischen beiden Modellen
macht lediglich zwischen fünf und höchstens 15 Millionen
aus - umgerechnet aufs Jahr nur zwischen 0,5 und 1,5 Millionen
Euro. Der Forstetat allein für dieses Jahr umfasst 177
Millionen Euro.
Minister Miller versprach ein solides
Konzept, damit die besonderen Gemeinwohlaufgaben des Staatswaldes,
für die zur Zeit jährlich 18 bis 20 Millionen Euro
aufgewendet werden, auch künftig über eine "externe
Finanzierung" gesichert würden. Aus den rund 350.000 Hektar
Körperschaftswald, wo der Freistaat auf Wunsch und gegen einen
Bruchteil der Kosten die Betriebsleitung und -ausführung
übernimmt, ist der Rückzug geplant beziehungsweise nach
und nach die volle Berechnung der Aufwendungen. Die bisher
kostenlose Beratung der 70.000 Privatwaldbesitzer - sie haben 54
Prozent der bayerischen Waldfläche in der Hand - wird sich
künftig ausschließlich am Gemeinwohl orientieren. Die
betriebswirtschaftliche Beratung soll von freiwilligen forstlichen
Selbsthilfeeinrichtungen wahrgenommen werden.
Gestützt auf die Kosten-Nutzen-Analyse
von Minister Miller kritisierte der Grüne Magerl, dass sich
durch Abrücken von der bisherigen Struktur der
Einheitsforstverwaltung Faktoren wie Nachhaltigkeit, Naturnähe
und Zustand der Waldverjüngung verschlechtern würden. Es
sei offensichtlich, dass die Umbaupläne nicht zu Gunsten des
Forstes und der dort Beschäftigten beschlossen worden seien,
sondern allein, um dem Druck aus der Staatskanzlei nachzugeben.
Magerl: ""Der drohende Gesichtsverlust für Minister Huber wog
offenbar schwerer als die Faktenlage."
Aus dem Umstand, dass die Kostenvorteile der
neuen Betriebsstruktur vor allem auf einer angenommenen
Erschließung neuer Geschäftsfelder beruhen, folgerte die
SPD-Abgeordnete Lück, dass eine solche Erweiterung auf Kosten
der Privatwaldbesitzer gehen werde. Die könnten "einpacken,
wenn der Staatsforst seine Muskeln spielen lässt". Bisher
hatte sich die Staatsforstverwaltung beim Einschlag mit
Rücksicht auf die privaten Holzanbieter
zurückgehalten.
Bereits vor dem Fraktionsbeschluss war ein
Brief von Landtagspräsident Alois Glück (CSU) an die
Minister Huber und Miller bekannt geworden, in dem er eine
"Zielsetzung schwarze Null" zumindest für den Bergwald "nicht
nur für illusorisch, sondern für gefährlich" hielt
und die landeskulturellen Zielsetzungen in diesen wichtigen
Regionen gefährdet sah.
Der Streit über Hubers Reform wird den
Landtag weiter beschäftigen. Nachdem die CSU-Mehrheit einen
ersten Anlauf der Grünen, über einen Dringlichkeitsantrag
das Einheitsforstamt noch zu retten, abgeschmettert hat, stehen
neue kontroverse Debatten ins Hohe Haus: Die von der CSU
angestrebte Anstalt des öffentlichen Rechts für den
Forstbetrieb kann nur auf der Grundlage eines Gesetzes
gegründet werden.
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