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Klaus Walter
Jetzt liegt der Schwarze Peter wieder beim
Landtag
Mecklenburg-Vorpommern: Neue Hoffnung auf eine
umfassende Verwaltungsreform
Harald Ringstorff (SPD), Ministerpräsident von
Mecklenburg-Vorpommern, ist wieder optimistisch. Seit der letzten
Sitzung des Koalitionsausschusses, dem Friedensgremium der
Regierungspartner SPD und PDS, hofft er, doch noch eine
richtungsweisende Verwaltungsreform voranbringen zu können.
Denn den Plan, das nordöstliche Bundesland mit seinen
zwölf Landkreisen und sechs kreisfreien Städten in vier
leistungsstarke Großkreise einzuteilen und dabei die unteren
Landesbehörden einzusparen, hatte die PDS, der kleine
Koalitionspartner, monatelang blockiert.
Möglich war diese Blockade durch eine Besonderheit bei den
Linkssozialisten. Die Parteibasis hatte die erneute
Regierungsbeteiligung ab 2002 an Bedingungen geknüpft:
Landtagsfraktion und Minister müssen sich praktisch jeden
Schachzug im Regierungshandeln mit der SPD von der Basis genehmigen
lassen.
Als SPD-Innenminister Gottfried Timm während der
Koalitionsverhandlungen im November 2002 mit seinen Planungen
für die vier Großkreise Westmecklenburg, Mittleres
Mecklenburg, Mecklenburger Seenplatte und Vorpommern in die
Öffentlichkeit platzte, schalteten die PDS-Mitglieder auf
stur: Vier Großkreise bedeuteten weniger Mitbestimmung und
einen Verlust an Demokratie. Ein Parteitag der PDS kam zu dem
Schluss, dass es zwar eine Reform der Verwaltung geben müsse.
Aber sechs bis acht Kreise seien das Minimum, um bürgernahe
Verwaltung zu sichern.
Im Dezember 2003 - nach einem guten Jahr voller Streitereien
innerhalb der PDS sowie zwischen SPD und PDS - schien die
Lösung greifbar nahe. Im zwölfköpfigen
Koalitionsausschuss einigte man sich auf einen Kompromiss. Nicht
vier Großkreise, wie die SPD sie wollte, nicht sechs bis acht,
wie die PDS verlangte, sondern fünf Landkreise sollten es nun
sein.
Doch die Spitzen der PDS, allen voran Landeschef Peter Ritter,
hatten die Rechnung ohne die Mitglieder ihrer Partei gemacht. Der
Chef der PDS-eigenen Arbeitsgruppe "Verwaltungsreform", Arnold
Schoenenburg, wetterte: "Ein fauler Kompromiss." Man habe einfach
den vierten Landkreis, Vorpommern, quer geteilt. Dadurch sei weder
der Parteitagsbeschluss nach sechs bis acht Kreisen erfüllt,
noch sei mehr Bürgernähe erreicht.
Für Ritter war das eine glatte Ohrfeige. Er habe gegen die
Interessen der eigenen Partei gehandelt, hieß es im Januar auf
einem PDS-Sonderparteitag. Und auch eine Basiskonferenz Mitte
März brachte kein anderes Ergebnis: Während Ritter, seine
PDS-Minister und ein Teil der PDS-Landtagsfraktion für den
Fünf-Kreise-Kompromiss warben, blieb die PDS-Basis beim Nein.
Schoenenburg und seine Arbeitsgruppe verlangten, erst die
künftigen Aufgaben der Kreise zu definieren und danach
Struktur und Anzahl festzulegen. So lautete schließlich auch
der Verhandlungsauftrag für Ritter gegenüber der SPD:
Reform ja, aber keine Festschreibung einer Zahl; Funktional- vor
Gebietsreform.
Nach der Basiskonferenz reagierte die SPD endgültig sauer.
Man bevorzuge zwar immer noch die Bildung von vier
Großkreisen, sagte Landeschef Till Backhaus drohend. Doch sei
man bereit, sich an den Fünf-Kreise-Kompromiss zu halten.
Backhaus forderte "Klarheit" und stellte ein Ultimatum: Am 23.
März sollte die PDS in einer erneuten Sitzung des
Koalitionsausschusses Farbe bekennen.
Ritters Dilemma war damit perfekt. Die SPD wollte eine Zahl
hören, die Basis seiner Partei nicht - ein Ja zu fünf
Kreisen bedeuteten Ärger mit den eigenen Leuten, ein weiteres
Hinauszögern der Entscheidung aber Krach mit der SPD,
womöglich sogar das Ende der Koalition.
Dabei macht der Plan der SPD, die künftige
Verwaltungsstruktur an den bestehenden Planungsregionen
auszurichten, durchaus Sinn. Namhafte Wissenschaftler
bestätigten das im Verlaufe des letzten Jahres mehrfach,
zuletzt der Kieler Veraltungsrechtler Albert von Mutius.
Innenminister Timm wiederholte seine Argumentation zuletzt sogar
als Gastredner vor der PDS-Basis: "Schon jetzt arbeiten viele
Behörden in der Viererstruktur: Gerichte, Arbeits-, Schul-,
Versorgungs- und Straßenbauämter." Was liege näher,
als die gesamte Verwaltung dieser Struktur anzupassen. Rund 180
Millionen Euro Verwaltungskosten jährlich könne man auf
diese Weise einsparen, rechnete Timm vor, bei einmaligen
Reformkosten von 40 Millionen Euro. Um den damit einhergehenden
Personalabbau sozial verträglich zu gestalten, gebe es jedoch
ein Zeitfenster. 2006/07 gingen zahlreiche Landesbedienstete
planmäßig in den Ruhestand. "Um diesen Umstand für
die Reform auszunutzen, müssen die gesetzlichen Grundlagen
noch in dieser Legislatur gelegt werden", betonte Timm. Daher sei
Eile geboten.
Als sich am Abend des 23. März die Türen zur zweiten
Sitzung des Koalitionsausschusses schlossen, saß der
Optimismus mit im Raum. Ritter hatte zuvor verkündet: "Wir
werden uns heute auf den Zeitplan verständigen." Drei Stunden
später war der Deal zwischen den Regierungsparteien perfekt:
Der Landtag soll noch im Mai einen Grundsatzbeschluss zur
Verwaltungsreform fassen und neben der künftigen
Aufgabenverteilung zwischen Land, Kreisen und Kommunen auch
über die Anzahl der Kreise bestimmen. Dazu werde ein Modell
erarbeitet. Es werde dem Prinzip der "Einräumigkeit der
Verwaltung" folgen. Dabei sollen "Planungs-, Entscheidungs-,
Vollzugs- und Kontrollaufgaben auf einer Ebene" liegen. Wenn damit
die Zahl der Kreise auch nicht festgelegt ist, der Bezug zu den
vier Planungsregionen und damit zum Vier- oder
Fünf-Kreise-Modell liegt auf der Hand.
Regierungschef Ringstorff freut sich: "Die Diskussion über
die Reform ist damit wieder im Landtag." Dort gehöre sie auch
hin. Auch PDS-Chef Ritter ist froh: Egal, wie der Landtag
entscheidet, hat er das Gesicht gegenüber der Basis gewahrt.
Als sicher hingegen gilt in Schwerin, dass die Abgeordneten der SPD
und etliche der PDS einem Vier- oder Fünf-Kreise-Modell
zustimmen werden.
Ob damit die Reform eine Chance hat und Ringstorffs Optimismus
berechtigt ist, wird sich dennoch erst während der
Landtagssitzung im Mai zeigen. CDU-Fraktionschef Eckhardt Rehberg
hält nämlich wenig von einer voreiligen Grenzziehung,
neigt eher zur Meinung der PDS-Basis: Erst die Aufgaben, dann die
Struktur. Zudem sieht er noch einen verfassungsrechtlichen Aspekt:
"Solange nicht der Nachweis erbracht ist, dass die Landkreise in
der bestehenden Struktur die neuen Aufgaben nicht erbringen
können, ist eine Neuaufteilung der Kreise rechtlich
höchst fragwürdig." Klaus Walter
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