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Florian Kain
Um ein Haar hätte es "Superstar" Ole von
Beust gar nicht geschafft
Hamburg: Vier Parteilose in der Senatsbarkasse
sorgen für erheblichen Frust in der CDU-Fraktion
Noch in der Wahlnacht vom 29. Februar war in der Hamburger CDU
das große Rätselraten, Hoffen und Bangen ausgebrochen:
Wen würde Wahlsieger Ole von Beust in sein Team holen? Viele
machten sich Hoffnungen, als automatisch "gesetzt" galt indes kaum
jemand. Geduld war gefragt, denn der Bürgermeister plante die
Zusammenstellung seines Teams mit einem bewusst klein gehaltenen
Beraterkreis, der absolutes Stillschweigen bewahrte.
Rund zweieinhalb Wochen später war das Personaltableau dann
festgezurrt. Für Freude in der Unionsmannschaft allerdings
bestand kaum ein Grund. Denn der Regierungschef setzt konsequent
auf unabhängige Köpfe: Er holte mit Alexandra
Dinges-Dierig als Schulsenatorin, dem bisherigen Hamburger
Polizeipräsidenten Udo Nagel als Chef der Innenbehörde
und Karin von Welck für das Kulturressort gleich drei
Parteilose in den Senat. Selbst der vor zwei Jahren noch über
FDP-Ticket ins Amt gekommene - jedoch ebenfalls nicht mit einem
Parteibuch ausgestattete - Wissenschaftssenator Jörg
Dräger darf seinen Job behalten.
Der einzige wirkliche Aufsteiger aus der CDU-Fraktion ist ihr
früherer Vorsitzender und enge Beust-Vertraute Michael
Freytag. Er leitet jetzt das Mammutressort "Bau, Verkehr,
Stadtentwicklung und Umwelt". Die CDU-Senatoren für Soziales
(Birgit Schnieber-Jastram), Justiz (Roger Kusch), Finanzen
(Wolfgang Peiner) und Wirtschaft (Gunnar Uldall) bleiben im
Amt.
"Ich will keine Jasager und Abnicker" erklärte von Beust
sein selbstbewusstes Vorgehen, mit dem er Hoffnungen, Erwartungen
und Ansprüche der Mitstreiter vom Tisch gewischt und die 63
Köpfe zählende Fraktion nahezu komplett ignoriert hatte.
Zwei Mitglieder nahmen diese Aussage daraufhin wörtlich und
versagten Ole von Beust bei der Wahl zum Bürgermeister am 17.
März prompt ihre Stimme - ein peinlicher Fehlstart für
den Senatspräsidenten, der nach seinem grandiosen Triumph auf
der Zielgeraden fast noch an den eigenen Leuten gescheitert
wäre: Nur eine Stimme weniger, und es hätten abermals
Neuwahlen gedroht! Auch künftig kann sich Beust nicht darauf
verlassen, dass seine absolute Mehrheit wirklich steht - eine
schwere Hypothek für die Regierungsarbeit in den kommenden
Jahren.
Von einem Klima der Missgunst und des Neides unter den
CDU-Abgeordneten ist nun die Rede, von offenen Rechnungen,
"fehlender geistiger Größe" und einer insgesamt
"miserablen Stimmung". Für die oppositionelle SPD ist diese
explosive emotionale Situation natürlich eine Steilvorlage:
"Der Bürgermeister traut seiner Fraktion offensichtlich nicht
viel zu", goss Noch-Landeschef Olaf Scholz weiteres Öl ins
Feuer. Die SPD habe solche Import-Lösungen zu ihrer
Regierungszeit nicht nötig gehabt.
Tatsächlich wäre es bei den jahrzehntelang mit
absoluter Mehrheit in Hamburg herrschenden Sozialdemokraten
geradezu unvorstellbar gewesen, dass die Hälfte des Kabinetts
mit parteifremden Experten bestückt wird. Ole von Beust
wählt nun bewusst einen anderen, weitaus steinigeren Weg. In
seiner Umgebung erklärt man das mit den fehlenden
Verwaltungskenntnissen der meisten Fraktionsmitglieder, die sich
zwangsläufig aus der langen Oppositionszeit der CDU ergeben.
Doch das dürfte nur die halbe Wahrheit sein. Erfahrungen im
Umgang mit großen Beamtenapparaten gelten traditionell eher
als Einstellungskriterium für Staatsräte, denn für
Senatoren mit originärem politischen Gestaltungsauftrag.
Tatsächlich gab es in der Hamburger Union keine Namen, die
sich unmittelbar für einen frei gewordenen Regierungsposten
aufgedrängt hätten. Bestes Beispiel ist der wichtige
Bereich "Bildung und Wissenschaft": Seit dem Rückzug von
Ingeborg Knipper, einer bundesweit anerkannten, inzwischen aber
verdientermaßen im Ruhstand weilenden Expertin der CDU, konnte
niemand die hier entstandene Lücke schließen.
Ähnlich die Situation in der Innenpolitik: Keinem
Christdemokraten ist es in den vergangenen Jahren gelungen, sich
als seriöse Alternative zu Ronald Schill zu empfehlen. Und das
Kulturressort war bereits vor zwei Jahren mangels Alternativen an
eine parteilose, in Verwaltungsdingen übrigens ebenfalls
vollkommen unerfahrene Frau gefallen - die umstrittene Journalistin
Dana Horáková, die nun ihren Platz für die als
qualifizierter geltende Karin von Welck räumen muss. Diese
hatte die Position damals unter Hinweis auf die
Regierungsbeteiligung von "Richter Gnadenlos" abgelehnt.
So viel Unmut die Personalentscheidungen in der Union auch
ausgelöst haben, in der Stadt wurden sie mit Wohlwollen zur
Kenntnis genommen. Udo Nagel, vor zwei Jahren aus München
abgeworben und zunächst als Polizeipräsident an der Elbe
installiert, kann auf jahrzehntelange Praxis verweisen und freut
sich nach eigenem Bekunden "sehr auf die neue Aufgabe". Alexandra
Dinges-Dierig hat eine bildungspolitische tour d`horizont durch die
halbe Bundesrepublik hinter sich und auf beruflichen Stationen in
Baden-Württemberg (Regierungsschuldirektorin), Hessen
(Ministerialrätin) und Berlin (Leitende Oberschulrätin)
genug Qualifikationen erworben, um in dem als schwierig geltenden
Amt bestehen zu können. Karin von Welck schließlich ist
in der hanseatischen Kulturszene keine Unbekannte: Als
Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder pflegt
sie schon länger Kontakt zu maßgeblichen Hamburger
Häusern und Initiativen.
Als Bumerang könnte sich aber Ole von Beusts Entscheidung
erweisen, Wissenschaftssenator Jörg Dräger weiter im Amt
zu halten und dem Physiker und früheren
Geschäftsführer des Nothern Instititute of Technology
auch noch die Verantwortlichkeit für den Gesundheitsbereich zu
übertragen. Denn unklar ist, welche Kenntnisse er für
dieses zusätzliche Aufgabengebiet eigentlich mitbringt. Und an
den Hochschulen stößt sein umstrittenes Reformprogramm,
das im Kern darauf hinausläuft, die ausdifferenzierte
Wissenschaftslandschaft der Stadt in einer Art "Gesamthochschule"
mit exorbitant großen Fachbereichen zu konzentrieren,
weiterhin auf erbitterten Protest von Studenten und Professoren
unterschiedlichster politischer Couleur. Florian Kain
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