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Bert Schulz
Deutschland als "Land der Ideen"
Programmatische Ansprache des neuen
Bundespräsidenten Horst Köhler
Bundespräsidenten sollen integrativ wirken. Gemessen an
diesem Kriterium war bereits die Wahl Horst Köhlers zum
neunten Präsidenten der Republik am 23. Mai ein Erfolg. 604
der insgesamt 1.205 Mitglieder der Bundesversammlung stimmten
für den früheren Direktor des Internationalen
Währungsfonds, 589 votierten für die Kandidatin von
Rot-Grün, Gesine Schwan. Mit diesem Ergebnis konnten alle
zufrieden sein: Horst Köhler, die Union und die FDP, weil
bereits im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht wurde;
Gesine Schwan, die SPD und die Grünen, weil die
Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt
(Oder) selbst Stimmen im CDU/CSU- und FDP-Lager gewinnen konnte und
deutlich besser abschnitt, als dies zuvor erwartet worden war.
Die politischen Lager übergreifend war auch die erste
Ansprache des designierten Bundespräsidenten im Anschluss an
seine Wahl. Horst Köhler skizzierte in der kurzen, aber
thematisch weit gefassten Rede einige seiner Vorstellungen. Ein
Präsident aller Deutschen und ein Präsident "für
alle Menschen, die hier leben", wolle er sein. Das zukünftige
Staatsoberhaupt forderte rasche und grundlegende Reformen.
Deutschland müsse seinen Weg in die Wissensgesellschaft
schneller beschreiten als bisher. Es solle sich zu einem "Land der
Ideen" entwickeln, geprägt von "Mut, Kreativität und Lust
auf Neues", ohne dabei "Altes und Alte auszugrenzen". Mehrfach
bezog sich Köhler direkt auf jüngere Ausführungen
von Johannes Rau.
Sorgen um den Zustand der Wirtschaft
Sorge mache er sich um den Zustand der hiesigen Wirtschaft, so
61-jährige Ökonom. Gleichzeitig sprach er aber auch von
"inakzeptablen Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft" und der
großen Bedeutung einer kinderfreundlichen Politik. Köhler
mahnte, dass die Globalisierung auch den "Armen dieser Welt"
nützen solle; die Industrieländer müssten deswegen
ihre Märkte öffnen. Deutlichen war sein Bekenntnis zu
Deutschland: "Ich liebe unser Land", erklärte Horst
Köhler anfangs. Für ihn seien Patriotismus und
Weltoffenheit keine Gegensätze - sie bedingten sich vielmehr.
Und mit den Worten: "Gott segne unser Land", schloss der neu
gewählte Bundespräsident seine 15-minütige
Ansprache. Stehende Ovationen der ganzen Bundesversammlung waren
der Dank. Vertreter aller Parteien lobten die Ausführungen
Köhlers - zumindest jene Teile, die dem jeweils eigenen
Programm entsprachen.
Unmittelbar nach seiner Wahl wandte sich Horst Köhler
energisch gegen Deutungen, seine Wahl zum Bundespräsidenten
habe einen "Machtwechsel" im Bund eingeläutet. Er wolle sich
auf keinen Fall parteipolitisch instrumentalisieren oder
vereinnahmen lassen. Einflussreiche Mitglieder der Union, darunter
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), hatten unter
anderem von einer "Zeitenwende" durch die Wahl des eigenen
Kandidaten gesprochen. Allgemein wurde dies zumindest als Erfolg
und Stärkung der Position der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel
in ihrer eigenen Partei eingeschätzt. Sie war es gewesen, die
im vergangenen März gemeinsam mit FDP-Chef Guido Westerwelle
den damaligen Währungsfondsdirektor für die Kandidatur
vorgeschlagen hatte.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geht von einer
reibungslosen Zusammenarbeit mit dem neuen Bundespräsidenten
aus. An ihm schätze er vor allem dessen internationale
Erfahrung, so Schröder am Tag nach der Wahl.
Horst Köhler, der auf fünf Jahre gewählt ist,
wird sein neues Amt am 1. Juli antreten. Bis dahin muss er seinen
Mitarbeiterstab zusammenstellen. Noch ist zum Beispiel unklar, wer
Chef des Präsidialamtes wird - eine wichtige Position, da
jener auch an den Sitzungen des Bundeskabinetts teilnimmt.
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