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Hartmut Hausmann
Verhandlungen mit der Türkei in Sicht
Niederlande haben den EU-Vorsitz
Der niederländische Premier Jan Peter
Balkenende hat am 1. Juli für die nächsten sechs Monate
die Präsidentschaft in der EU übernommen und dabei ein
schlechtes Los gezogen. Denn mit einer Amtsperiode, gespickt mit
politischen Meilensteinen, werden der Niederländer - anders
als ihre irischen Amtsvorgänger - am Ende nicht aufwarten
können. Nach einer dilettantischen italienischen
Präsidentschaft in der zweiten Hälfte 2002, in der
Ministerpräsident Silvio Berlusconi die EU an den Rand einer
ernsten Krise brachte, konnte der Ire Berti Ahern mit seiner
geschickten Verhandlungsführung die Lorbeeren einheimsen.
Zehn neue Mitgliedstaaten wurden in die EU
aufgenommen, die Europäische Verfassung ist allen
Widerständen zu Trotz verabschiedet worden, und zwei Tage vor
der Stabübergabe gelang es auch noch, mit dem Portugiesen
Durao Barroso den neuen Kommissionspräsident zu nominieren.
Die Niederländer wollen aber an den Erfolg anknüpfen und
als erstes EU-Land noch im Herbst ein Referendum über die
EU-Verfassung abhalten. Die Stimme des Volkes ist allerdings
für die anschließende Ratifizierung durch das Parlament
nicht bindend. Ein überzeugendes Ja der Niederländer
könnte aber Vorbildfunktion für die Volksabstimmungen in
anderen EU-Ländern haben.
Als nächstes entscheidendes Thema steht
die Finanzausstattung der Union für den Zeitraum 2007 bis 2013
an. Auch wenn hier erst im kommenden Halbjahr unter Luxemburger
Führung Entscheidung anstehen, will Balkenende bereits
für Weichenstellungen sorgen. Ob er sich aber die Aufgabe
erleichtert hat, indem er die von einigen Mitgliedstaaten ins Spiel
gebrachte Erhebung einer eigenen, wenn auch aufkommensneutralen
EU-Steuer in das Programm aufnahm, darf bezweifelt werden. In
keinem anderen Bereich ist das nationale Beharrungsvermögen
schließlich so stabil wie in Steuerfragen.
Auch mit der Verabschiedung wichtiger
Gesetzesvorhaben werden die Holländer am Jahresende kaum
glänzen können. Das soeben neu gewählte
Europaparlament muss sich konstituieren und wird erst nach der
Sommerpause wirklich arbeitsfähig sein. Zudem folgt im Oktober
der Wechsel in der EU-Kommission mit einer weitgehend neuen
Mannschaft und veränderter Aufgabenverteilung.
So spricht Balkenende bei der Vorstellung
seines Arbeitsprogramms denn auch eher grundsätzliche Themen
an, wobei die Reform der EU-Wirtschaft für ihn eindeutig im
Mittelpunkt steht. In den USA sei die Gründung einer Firma
elfmal leichter als in Europa, Japan verfüge pro Kopf um die
Hälfte mehr Forscher, erklärte er vor Journalisten. Diese
Schwächen werfen uns nicht nur gegenüber den USA und
Japan zurück, sondern auch gegenüber aufsteigenden
Wirtschaftsnationen wie China und anderen fernöstlichen
Ländern. Die Probleme seien zwar längst bekannt, die
Lösungen auch, aber wir bringen die notwenigen Reformen
einfach nicht energisch genug voran, stellt Balkenende bedauernd
fest und will auch hier einen Schwerpunkt seiner Arbeit
setzen.
Eher umstrittener Natur sind die Impulse, die
Balkenende von der Union auch bei Fragen der Sicherheit verlangt.
Die Anschläge in Madrid hätten gezeigt, dass Recht und
Sicherheit nicht durch ein Land allein garantiert werden
könnten, unterstreicht er. "In der EU darf es keine
Schlupflöcher für Terroristen geben." Zugleich sehen die
Niederländer unter dem Thema "Sicherheit" aber auch die
Herausforderung durch den Zustrom von Asylanten und
Flüchtlingen, den es zu regeln gelte. Er verweist auf die
eigene Politik, die er zur Grundlage eines neuen EU-Programms
für die Asyl- und Einwanderungspolitik machen möchte.
Diese Ausländerpolitik war aber wegen ihrer rigorosen
Abwehrhaltung in anderen EU-Staaten keineswegs auf Zustimmung
gestoßen, sondern als Abkehr von der früher
gerühmten niederländischen Liberalität
aufgefallen.
Zum Jahresende aber steht dann mit der
Entscheidung über die Beitrittsverhandlungen mit der
Türkei doch noch das "große Thema" an, auch wenn die
Würfel schon längst gefallen sind, wie der
niederländische Europaminister Atzo Nicolai meint. Mit der
Anerkennung des Status eines Beitrittskandidaten habe die EU die
Grundsatzentscheidung über eine Aufnahme schon vor Jahren
getroffen. Im Dezember sollen die Regierungschefs der 25
Mitgliedstaaten über einen Termin zur Aufnahme konkreter
Beitrittsverhandlungen mit Ankara beschließen.
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