Friedhelm Wolski-Prenger
Agenda 2010 - am Ende nur ein
Vermittlungsproblem?
"Management of Change" - eine
Dokumentation
Die Wirtschafts- und vor allem die Sozialpolitik der
Bundesregierung ist nicht populär. Als vorerst letzte Warnung
des Wahlvolkes an die sozialdemokratische Volkspartei, deren
einstige Stammwähler in Massen zur Opposition, vor allem aber
in die Wahlenthaltung abwandern, gilt die Wahl zum Europaparlament.
Während für die Restbestände der SPD-Linken oder bei
den Gewerkschaften die Richtung der Politik als
revisionsbedürftig gilt, klammert sich die Mehrheit der
sozialdemokratischen "Reformer" an die Hoffnung, der
Wählerschwund sei eine Folge der "Vermittlung".
Hier nun bemüht sich die Gesellschaft für
Programmforschung (GfP) um hilfreiche Ratschläge. Die GfP,
gegründet 1978, ist ein gemeinnütziger Verein zur
Förderung von Wissenschaft und Forschung über
öffentliche Aufgaben und Programme. Ziel der GfP ist es ihrer
Eigendarstellung zufolge, die Kommunikation zwischen
öffentlicher Verwaltung und Vertretern der Forschung zu
fördern. Dies geschieht nicht zuletzt durch wissenschaftliche
Veranstaltungen.
Eine solche fand zum Thema "Management of Change" im zeitlichen
Vorfeld der Regierungserklärung von Bundeskanzler
Schröder im März 2003 in Berlin statt. Wissenschaftler
verschiedener Disziplinen debattierten mit Praktikern aus Politik,
Verwaltung und Unternehmen Ansätze und Erfolgsbedingungen
politischer Reformstrategien. Den Diskutanten galt die Richtung der
"Agenda 2010" als nicht hinterfragbar, als alternativlos. Es ging
der GfP und ihrem Kooperationspartner Wissenschaftszentrum Berlin
(WZB) vielmehr um die Frage, wie der Wandel in der Arbeitsmarkt-
und Beschäftigungspolitik so zu gestalten wäre, dass ein
betrüblicher Wählerschwund zu vermeiden wäre.
Mit anderen Worten, es ging um "Politics"- Strategien. Dazu
bemühte man einen betriebswirtschaftlichen Begriff, eben
"Management of Change", der - entsprechend aufbereitet - die
"Politikberatung" innovativ bereichern soll.
Um darzulegen, was unter dem Management des Wandels in der
Industrie zu verstehen sei, eröffnete Jürgen Haase von
der Volkswagen Coaching Gesellschaft, wie sein Unternehmen sich
darum bemüht, betriebswirtschaftlichen Wandel bei VW und
anderen Firmen zu begleiten. Dass die dargelegten Strategien kaum
umstandslos in "die Politik" umzusetzen seien, merkte nicht nur der
Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit, Gerd Andres an. Auch Sabine Kropp von der Universität
Potsdam entgingen die Unterschiede zwischen den Systemen
"Großunternehmen" und "Staat" nicht.
Stefan Ramge, Regierungsdirektor im Bundeskanzleramt, stellte
historische und gegenwärtige korporatistische
Politikansätze in den Zusammenhang der Dis-kussion um
"Management of Change". Letztlich stellt eRamge mit Karl Schillers
"Konzertierter Aktion" und dem "Bündnis für Arbeit"
gescheiterte Versuche dar, den Wandel in der Arbeitsmarkt-, Sozial-
und Tarifpolitik zu managen. Denn in der Politik geht es um
Interessen und Macht, so dass korporatistische Ansätze nur in
Phasen relativen Machtgleichgewichtes eine Chance haben. Angesichts
der globalisierungsgestärkten Arbeitgeber und der aus gleichem
Grund geschwächten Gewerkschaften kann derzeit davon keine
Rede sein. Das Fragezeichen im Titel ist nur zu berechtigt.
Daher ist es wohl nicht realitätsfern anzunehmen, dass
"Management of Change" kaum geeignet sein wird, die Opfer der
neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik auch noch zur
Stimmabgabe gegen ihre eigenen Interessen zu bewegen.
Die Tagungsdokumentation ist jedoch in anderer Hinsicht ein
interessantes Dokument, nicht zuletzt für Akteure der
politischen Bildung. Der Band zeigt, wie eine instrumentelle
Richtung der Politikberatung, losgelöst von Zielen und
Inhalten, meint, Ratschläge für eine bessere
"performance" erteilen zu können. Prominente Opfer solcher
Strategien heißen jüngst, parteiübergreifend, Rudolf
Scharping und Walter Döring.
Friedhelm Wolski- Prenger
Stefan Ramge/ Günter Schmid (Hrsg.)
Management of Change in der Politik?
Reformstrategien am Beispiel der Arbeitsmarkt- und
Beschäftigungspolitik. Ein Werkstattbericht.
Waxmann- Verlag, Münster/New York/München/Berlin 2003;
165 S., 19,50, - Euro
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