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Peter Manstein
Effizienz kann nicht länger der einzige
Gradmesser sein
Handbuch zum nachhaltigen
Wirtschaften
Anders als der Titel suggeriert, geht es dem "Handbuch" nicht
primär um arme, südliche Länder, sondern um unsere
eigene, hausgemachte Entwicklung. Sein roter Faden ist, dass es
eine sektorale, begrenzte Nachhaltigkeit schlichtweg nicht geben
kann. Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht möglich, ohne
Beachtung seiner sozialen und ökologischen Dimension. Das Neue
an dem Buch ist die umfängliche Einbindung der Wirtschaft in
die Nachhaltigkeitsdiskussion, eine bislang eher unterbelichtete
Seite.
Was ist eigentlich nachhaltiges Wirtschaften: Ist es bereits mit
einer modernen Version des "Haushaltens" getan, und ist es
überhaupt sinnvoll, ein solches Leitbild
"überzukonkretisieren", ohne das es seine Leitbildfunktion
verliert? Sind freie Initiative und marktwirtschaftliches Handeln
mit einer inhaltlichen Festlegung vereinbar? Wie und wieweit muss
die Politik den Nachhaltigkeitsprozess steuern? Geht das
überhaupt in nationaler oder europäischer
Beschränkung?
Der jüngste Streit um den Emissionszertifikathandel zeigt,
wie ein marktwirtschaftliches Instrument, wenn denn der Markt immer
noch die Drohung mit der Unternehmensabwanderung erlaubt, nicht
unbedingt greift, solange "gutes" Wirtschaften nicht global
geregelt wird. Und, so ein Beitrag des Buches, solange etwa die
allgemeinen und beruflichen Bildungsanstrengungen Nachhaltigkeit
nicht zum durchgängig präsenten Thema erheben. Eine
weitere Denkblockade ist zu überwinden: Die gängige
Fixierung auf einen rein quantitativen Wachstumsbegriff, wie er
sich im Bruttosozialprodukt ausdrückt.
Allein die Tatsache, dass das Ökosystem Erde begrenzt und
bereits überlastet ist, verbietet es eigentlich, diesem
Fetisch weiter zu huldigen. Der Abschied müsste um so leichter
fallen, als Wachstum ja schon länger kein Garant mehr für
Arbeitsplätze ist. Eine Wirtschaft, die dauerhafte
Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau hinnimmt, kann kaum als
nachhaltig gelten. Abgesehen davon wird das
"Normalarbeitsverhältnis" zukünftig kaum mehr der
Standard sein, an dem alle andere gesellschaftliche Arbeit gemessen
wird, so das Thema weiterer Beiträge.
Was sollten, was können die wirtschaftlichen Akteure im
Sinne der Nachhaltigkeit tun? Themen sind zum Beispiel der Beitrag
der Gewerkschaften (auch sie kommen nicht um die unbequeme
Auseinandersetzung mit dem Wohlstandsmodell der Reichtumsregionen
herum), Konsumenten und Manager: Letztere werden sich auf einen
neuen Erfolgsbegriff einstellen müssen. Stand bisher
bestenfalls Ökoeffizienz auf der to-do-Liste, so muss es jetzt
umfassender um den Erhalt des materiellen wie immateriellen
Ressourcennachschubs für die Unternehmen gehen, weil die
Effizienz lediglich die knappen Ressourcen streckt, nicht jedoch
erneuert. Es leuchtet ein, wie anspruchsvoll damit die Aufgaben
werden, etwa bei der Branchen- und regionalen Kooperation sowie der
Mitarbeiterrekrutierung- und qualifizierung.
Der Beitrag "Nachhaltiges Designmanagment" veranschaulicht sehr
gut, wieviel Kunst und Können in einem einfachen
Porzellanservice stecken kann, wieviel ein Unternehmen also tun
kann für die Ästhetik, Dauerhaftigkeit und
"Patinafähigkeit", Umweltschonung, "Demokratisierung" und
nicht zuletzt für die Käuferakzeptanz seines Produktes.
Dies müsste gerade in Deutschland leichter als anderswo
fallen, da es hier eine lange industrielle Tradition der "guten
Form" gibt, man denke nur an Werkbund (1907), Bauhaus (1919) und
Ulmer Schule (1955).
Überwindung eingefahrener (Denk-)Gewohnheiten,
Partizipation der Beteiligten, Beachtung der gesellschaftlichen und
ökologischen Umwelt, Offenheit des Prozesses: Erneut wird die
Komplexität des Themas deutlich im Kapitel
Unternehmensberatung und schließlich auch bei der
sozial-ökologischen Forschung. Einmal mehr zeigt sich, dass
die Initiative und Förderung einer solchen, gesellschaftliche
Probleme behandelnden Forschung, die meist im Schnittpunkt von
Konsum und Produktion liegt, wesentlich vom Staat ausgeht, dass
aber der Abschied von einer kontextfreien und wertneutralen
Forschung auch Probleme der Abhängigkeit vom Auftraggeber und
der Qualitätssicherung mit sich bringen kann.
Leider kommen in dem Buch viele Wiederholungen vor, ja ganze
Aufsätze sagen oft das Gleiche aus. Im übrigen
erhöht wohl die Seitenzahl auch den Preis, was die Verbreitung
der Inhalte, sieht man einmal von dem leider häufigen Slang
der Sozialwissenschaften ab, mindert.
Denoch kann man hier Wichtiges, Wegweisendes zur
Nachhaltigkeitsdebatte finden. Der Band bietet jedenfalls eine
Fülle von Anregungen zum überlebenswichtigen Thema
Nachhaltigkeit - wenn es denn ernsthaft zur Sache und nicht nur um
Schaumschlägerei geht. Peter Manstein
Gudrun Linne / Michael Schwarz (Hrsg.)
Handbuch Nachhaltige Entwicklung.
Wie ist nachhaltiges Wirtschaften machbar?
Verlag Leske & Budrich, Opladen 2003;
620 S., 35,- Euro
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