Dirk Klose
Als auf dem alten Kontinent die Lichter
ausgingen
Ein exzellenter Führer durch den Ersten
Weltkrieg
Vor 60 Jahren, am 1. August 1914, machten auf kaiserlichen
Befehl das deutsche Heer und die kaiserliche Flotte mobil. Damit
waren endgültig die über einen Monat dauernden
diplomatischen Bemühungen fehlgeschlagen, nach dem Attentat
von Sarajewo den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und
Serbien auf friedlichem Wege beizulegen. Fast zwangsläufig
gerieten jetzt die europäischen Mächte in die
kriegerische Konfrontation, deren Freund- und
Feindverhältnisse längst festgelegt waren. Voller Ahnung
notierte mit dem Ausbruch der Feindseligkeiten ein britischer
Staatsmann, in Europa würden jetzt die Lichter ausgehen. In
der Tat begannen mit dem Ausbruch des "Großen Krieges", der
sich dann zum Weltkrieg ausweitete, die großen Katastrophen
des Jahrhunderts.
An den 90. Jahrestag des Kriegsbeginns wird in diesen Tagen und
Wochen mit zahlreichen Ausstellungen, Vorträgen und mit einer
Fülle neuer Untersuchungen zum Gesamtgeschehen oder zu
einzelnen Detailfragen erinnert. Das historische Interesse am
Ersten Weltkrieg ist nach wie vor groß. Für den Laien ist
es kaum noch möglich, den Überblick zu behalten. Und noch
immer sind zahlreiche historische Darstellungen im (mitunter
verständlichen) Eifer geschrieben, was der objektiven
Information meist im Wege steht.
Dem Wunsch nach einer Gesamtdarstellung, die über den
kriegerischen Ablauf hinaus auch Entwicklungen in Wirtschaft,
Sozialem und in der Kultur berücksichtigt, kommt nun die
umfangreiche "Enzyklopädie Erster Weltkrieg" aus dem
Schönigh-Verlag entgegen. Deren Konzept haben Historiker von
der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart und vom
Historischen Seminar der Universität Düsseldorf
entworfen. Fast 150 Autoren aus 15 Nationen haben
mitgearbeitet.
Das Buch gefällt vor allem, weil vor dem eigentlichen
lexikalischen Teil zunächst vier wiederum stark untergliederte
Kapitel stehen, die sich mit den größeren
Zusammenhängen in Politik, Gesellschaft und im Kriegsverlauf
befassen. Das erste Kapitel "Staaten" bringt acht Studien zu den
Hauptbeteiligten. Im zweiten Kapitel "Gesellschaft im Krieg"
behandeln zehn Autoren gesellschaftliche Gruppen wie Frauen,
Arbeiter, Soldaten zund Wissenschaftler; ferner geht es um
Propaganda, Medizin und Kriegswirtschaft.
Der dritte Abschnitt "Kriegsverlauf" verfolgt in sechs
Unterkapiteln das eigentliche Kriegsgeschehen, die Ausweitung zum
Weltkrieg und behandelt die Frage nach Kriegsrecht und
Kriegsverbrechen. Das letzte Kapitel "Geschichtsschreibung" bringt
einen Überblick über die Geschichtsschreibung zum Ersten
Weltkrieg insgesamt und einen Beitrag zur Weltkriegsforschung in
der DDR (Fritz Klein).
Der lexikalische Teil informiert ebenso über alle wichtigen
Schlachten und Personen wie auch über Themen allgemeinerer
Art. Eine genaue Chronik, viele Karten und Bilder (letztere
allerdings nicht immer optimal) ergänzen dieses sehr zu
empfehlende Buch, dessen Informationsfülle derzeit kaum
seinesgleichen hat. Dirk Klose
Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, Markus Pohlmann
(Hrsg.)
Enzyklopädie Erster Weltkrieg.
Verlag Ferdinand Schönigh, Paderborn/München/
Wien/Zürich 2004; 1002 S., 78,- Euro
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