Barbara Borgloh und Miriam
Böckel
Wenn aus Liebe rote Zahlen werden
Studie zu den wirtschaftlichen Folgen von
Trennung und Scheidung
Seit Jahren bleiben die Scheidungszahlen in Deutschland auf
hohem Niveau. Im Durchschnitt wird derzeit jede dritte, in
Großstädten sogar jede zweite Ehe, geschieden. Neben
einer Reihe psychosozialer Probleme, die durch eine Scheidung
verursacht werden können, stellen insbesondere die
wirtschaftlichen Folgen eine Belastung für die Betroffenen
dar. Eine Scheidung verursacht oft einen wirtschaftlichen Abstieg,
der zu niedrigem Einkommen oder sogar zu Armut führen
kann.
Nach dem geltenden Scheidungsrecht sollen wirtschaftliche Folgen
einer Scheidung zunächst durch private Unterhaltszahlungen
ausgeglichen werden. Von staatlicher Seite gibt es keinerlei
gezielte Unterstützungen für Geschiedene. Geschiedene
haben aber wie alle anderen Personen ein Anrecht auf Zahlungen wie
Kindergeld oder Sozialhilfe. Lediglich bei unzureichenden
Kindesunterhaltszahlungen wird zusätzlich ein
Unterhaltsvorschuss gezahlt. Inwieweit diese angedachten Modelle
privater oder staatlicher Unterstützung die finanziellen
Folgen einer Scheidung tatsächlich auffangen, wird im
Folgenden näher ausgeführt.
Zwei Haushalte - mehr Kosten
Eine finanzielle Mehrbelastung entsteht für beide Partner
dadurch, dass nach der Trennung zwei getrennte Haushalte statt
einem finanziert werden müssen. Da Mütter bereits
während der Ehe häufig durch Kinderbetreuung in ihrer
Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind und die Kinder meist
auch nach der Trennung versorgen, ist es wahrscheinlich, dass
Frauen in stärkerem Maße von Einkommensverlusten
betroffen sind als Männer. Auch bei Männern ist davon
auszugehen, dass die erhöhten Haushaltsführungskosten und
zu leistende Unterhaltsbeträge zu einer Verschlechterung der
finanziellen Lage führen.
Weil für die Bundesrepublik Deutschland über die
wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung bisher kaum umfassende
Daten vorlagen, gab das Bundesfamilienministerium eine Studie in
Auftrag, die diese Forschungsdefizite aufheben sollte. Die
Ergebnisse der Studie dokumentiert das Buch "Wenn aus Liebe rote
Zahlen werden. Über die wirtschaftlichen Folgen von Trennung
und Scheidung" (Andreß/Borgloh/Güllner/Wilking: 2003,
Westdeutscher Verlag).
Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Scheidung
überhaupt einen Einfluss auf die Finanzsituation der
Betroffenen hat. Für Frauen verschlechtert sich das
Einkommensniveau im Jahr der ehelichen Trennung erheblich.
Außerdem nimmt die Armutsquote deutlich zu. Bei Männern
ist ebenfalls eine Verschlechterung der Einkommenssituation und ein
Anstieg der Armutsquote zu beobachten, jedoch bei weitem nicht so
drastisch wie bei Frauen. Die wesentlichen Veränderungen der
finanziellen Situation erfolgen bereits mit der Trennung. Zum
Zeitpunkt der Scheidung hat sich dann die wirtschaftliche Lage
etwas stabilisiert.
Wie sehen nun die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage
im Zusammenhang mit einer Trennung im Detail aus? Vergleicht man
die Einkommenssituation eines Haushalts vor der Trennung mit der
Einkommenssituation nach der Trennung, zeigt sich, dass die
Hälfte der Frauen bei der Trennung etwas weniger als ein
Drittel (27 Prozent) ihres Einkommens verliert. Männer
hingegen müssen im Mittel nur auf vier Prozent ihres
vorherigen Einkommens verzichten. Viele Männer haben also
offenkundig Einkommensgewinne. Frauen sind somit in
wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die Verliererinnen der
Scheidung. Neben den genannten Durchschnittsangaben ist jedoch die
Fülle unterschiedlicher individueller Entwicklungen zu
beachten: So erzielt knapp ein Viertel der Frauen
Einkommensgewinne, während ein Teil der Männer auch
deutliche Einkommensverluste hinnehmen muss. Wenn Kinder nach der
Trennung im Haushalt wohnen, steht (pro Haushaltsmitglied) meist
weniger Geld zur Verfügung als in Haushalten ohne Kinder. Dies
gilt insbesondere für Mütter, aber auch Väter haben
Einkommensverluste zu verzeichnen.
Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich
der wirtschaftlichen Folgen nach einer Trennung wären noch
gravierender, wenn kein Ausgleich durch Besteuerung,
Unterhaltszahlungen und öffentliche Transfers stattfinden
würde. Bei Männern macht sich vor allem die
zusätzliche Belastung durch Unterhaltszahlungen bemerkbar.
Mehr als die Hälfte von ihnen erfährt nach dem Abzug von
Unterhaltszahlungen Einkommensverluste, während ohne Abzug von
Unterhaltszahlungen die Einkommensgewinne überwiegen.
Staatliche Transfers gleichen einen Teil dieser finanziellen
Belastung wieder aus. Bei Frauen hingegen ist eine kontinuierliche
Verbesserung der Einkommenssituation zu beobachten. Bei ihnen wirkt
sich der Erhalt von Unterhaltszahlungen allerdings nur
geringfügig aus. Erst die staatlichen Transfers können
einen weitaus größeren Teil der negativen
wirtschaftlichen Folgen auffangen. Jedoch werden auch hier die
Verluste nur gemildert, aber nicht aufgehoben.
Unterhalt macht bei Frauen nur etwas mehr als ein Zehntel des
gesamten Haushaltseinkommens aus, während der Anteil
öffentlicher Leistungen mehr als ein Viertel und bei Frauen
mit Kindern sogar mehr als ein Drittel betragen. Wie kommt es dazu,
dass Unterhaltszahlungen einen so geringen Anteil am
Haushaltseinkommen haben? Viele Väter sind zunächst
bereit und in der Lage, den Unterhalt für ihre Kinder
aufzubringen. Gut die Hälfte aller unterhaltsberechtigten
Mütter erhält den Unterhalt für die Kinder auch
regelmäßig und in voller Höhe. Ein Fünftel der
Mütter aber erhält den Kindesunterhalt
unregelmäßig oder in zu geringer Höhe und etwa ein
Viertel muss völlig ohne Kindesunterhalt auskommen. Schlimmer
sieht es bei dem Unterhalt aus, der den Frauen persönlich
zusteht: Zwei Drittel der anspruchsberechtigten Frauen erhalten
keinerlei Unterstützungsleistung von ihren getrennt lebenden
Männern.
Obwohl mehr als 80 Prozent der Männer nach Abzug ihrer
Unterhaltsverpflichtungen noch über ausreichend Einkommen
verfügen, lässt die Zahlungsmoral seitens der
Unterhaltspflichtigen zu wünschen übrig. Sie verbessert
sich jedoch, wenn für alle Beteiligten tragbare
Umgangsregelungen zwischen Vätern und ihren Kindern vereinbart
werden. Unterhaltszahlungen bleiben nämlich vor allem dann
aus, wenn wenig oder kein Kontakt zu den Kindern besteht. Etwa zehn
bis 20 Prozent der Männer hingegen sind tatsächlich nicht
in der Lage, den Unterhalt für ihre Kinder und/oder ihre
getrennt lebende Partnerin aufzubringen.
Belastungen für den Staat reduzieren
Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Einkommenssituation
festgehalten werden, dass eine Trennung bei beiden Geschlechtern
sowohl zu Einkommenseinbußen als auch zu Einkommensgewinnen
führen kann. Insgesamt fallen die wirtschaftlichen Folgen von
Trennungen für Frauen jedoch deutlich negativer aus als
für Männer. In aller Regel werden diese wirtschaftlichen
Verluste nicht durch Unterhaltszahlungen seitens der ehemaligen
Ehemänner ausgeglichen. Vielmehr sind Frauen auf staatliche
Unterstützungsleistungen angewiesen.
Um diese ökonomischen Probleme zu entschärfen und
damit die Belastungen für den Staat zu reduzieren, wäre
es sinnvoll, die Frauenerwerbstätigkeit weiter zu
fördern, die Kinderbetreuung auszubauen sowie die
Anreizsysteme im Steuer- und Sozialsystem zu überarbeiten.
Damit könnten Frauen ihren Lebensbedarf eher selbst
erwirtschaften und wären unabhängig(er) vom ehemaligen
Partner und/oder vom Staat. Auf der anderen Seite müsste
gleichzeitig die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Männer gestärkt werden, indem eine gewisse
Arbeitsplatzsicherheit garantiert würde. Barbara Borgloh und
Miriam Böckel
Barbara Borgloh und Miriam Böckel sind Diplom-Soziologinnen
und arbeiten an der Universität Bielefeld, Fakultät
für Soziologie.
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