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Erik Spemann
Zweite Chance für Hohlmeier?
Bayerns Opposition denkt an Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses
Zunächst war es nur um Machenschaften
innerhalb der traditionell zerstrittenen Münchner CSU
gegangen. Deren - inzwischen bisherige - Bezirksvorsitzende Monika
Hohlmeier, Bayerns Kultusministerin und Tochter des früheren
Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, war vor einem
Jahr angetreten, um die Querelen zu beenden und für einen
Neuanfang zu sorgen. Statt dessen eskalierte die Angelegenheit zu
einer ausgewachsenen Affäre, die die bisherige
Spitzenpolitikerin der CSU bereits ihr Parteiamt gekostet hat und
nach Forderung der Opposition auch noch ihren Rücktritt als
Ministerin zur Folge haben soll. Kommt es nicht dazu bis Ende
September, wollen SPD und Grüne mit einem
Untersuchungsausschuss nachhelfen.
Die seit Wochen die Schlagzeilen
beherrschende Geschichte ist äußerst komplex.
Ausgangspunkt war ein Coup von Jungpolitikern bei Vorstandswahlen
im Münchner CSU-Ortsverband Perlach, die trickreich den Chef
der Münchner Rathaus-CSU, Hans Podiuk, als CSU-Kreischef
stürzten. Dabei kam es zu heimlichen Neuaufnahmen gekaufter
Parteimitglieder, und selbst vor gefälschten Anträgen
wurde nicht Halt gemacht. Das Münchner Amtsgericht verurteilte
inzwischen fünf der Beteiligten zu Geldstrafen und bezeichnete
einen CSU-Landtagsabgeordneten als "Drahtzieher" der
Aktion.
Hohlmeier, die das innerparteiliche Chaos
beseitigen sollte, stand plötzlich mitten drin, als sie von
zwei der Verurteilten beschuldigt wurde, den Sturz von
CSU-Kreischef Podiuk gebilligt zu haben. Nach einer Aussage soll
sie sogar von den satzungswidrigen Mitgliederkäufen gewusst
haben. Die Ministerin wies diese Vorwürfe zwar entrüstet
zurück, doch innerhalb der CSU wurde die Kritik an ihrer
zögerlichen Aufarbeitung der Münchner Affäre immer
massiver. Im Juli musste sie als Bezirksvorsitzende
zurücktreten. Als ihr Nachfolger soll im September Otmar
Bernhard, Fraktionsvize der Landtags-CSU, gewählt
werden.
Doch Hohlmeier sorgte für neue
Schlagzeilen, als ihr Vorstandsmitglieder der Münchner CSU
vorwarfen, sie habe ihnen bei einer turbulenten Sitzung mit der
Enthüllung von angeblich kompromittierendem Material gedroht.
Ein Sitzungsteilnehmer berichtete, dass sie bei der
Auseinandersetzung einen grünen Klarsicht-Schnellhefter mit
mindestens 20 Seiten auf den Tisch gelegt und dazu
sinngemäß gesagt habe: "So, gegen jeden von euch hab ich
was." Vehement bestritt Hohlmeier aber, dass sie die
Vorstandskollegen mit einem Dossier erpressen wollte, und
erklärte: "Ich habe noch nie jemandem bedroht in meinem
Leben."
Die Opposition verlangte Hohlmeiers
Rücktritt als Ministerin, innerhalb der CSU zeigte man sich
bestürzt. Der ehemalige CSU-Staatssekretär Erich Riedl
sprach von einer "lebensbedrohlichen Situation" der Münchner
CSU.
In dem unfreiwilligen politischem
Sommertheater rechneten selbst Kabinettskollegen und große
Teile der CSU-Landtagsfraktion mit dem Sturz der Kultusministerin
und machten sich bereits Gedanken über die Nachfolge. Da
erklärte sich Hohlmeier schließlich zu einer
Entschuldigung bei den Vorstandskollegen bereit, die sich von ihr
erpresst gefühlt hatten. Stoiber hatte sie heftig dazu
drängen müssen, wurde bekannt.
Doch es gab keine Verschnaufpause für
die Strauß-Tochter, weil gleichzeitig bekannt wurde, dass sie
Beamte ihres Ministeriums für Parteizwecke eingespannt hatte.
Die Opposition wollte das genauer wissen und schickte der
Ministerin einen umfangreichen Fragenkatalog zu einer
möglichen Verquickung zwischen Staatsaufgaben und
Parteiinteressen zu. In einer 37-seitigen Antwort räumte
Hohlmeier ein, dass einzelne Beamte sie auch bei parteipolitischen
Aufgaben unterstützt hätten. Es habe sich aber um
"erlaubte Nebentätigkeit" und "ehrenamtliches Engagement"
gehandelt, und dem bayerischen Staat sei dadurch kein Schaden
entstanden. Weiter kündigte die Ministerin an, dass sie die
Zahl der "prophylaktisch erteilten und nicht ausgeübten"
Nebentätigkeitsgenehmigungen für Beamte ihres Hauses
erheblich einschränken werde. Es hieß daraufhin, Stoiber
habe seiner strauchelnden Ministerin eine zweite Chance gegeben.
Doch Recherchen des "Münchner Merkur" führten jetzt zu
einem neuen Fragenkomplex. Danach wurden Zuschüsse des
Kultusminsteriums für die Erweiterung eines privaten
Sehbehindertenzentrums in Unterschleißheim bei München,
wo Hohlmeiers Ehemann zum stellvertretenden Direktor ernannt worden
war, annährend verdoppelt, nachdem es zu einer
Kostensteigerung von 1,7 auf 8,5 Millionen Euro gekommen war. Dem
Ministerium zufolge ist alles korrekt abgewickelt
worden.
Doch damit geben sich SPD und Grüne
nicht zufrieden und arbeiten weiter auf den Sturz der Ministerin
hin. SPD-Fraktionschef Franz Maget meinte, Hohlmeier habe auf ihrem
Konto eine "ganze Reihe schwerer Fehler und Versäumnisse
angehäuft", von der Mitverantwortung von kriminellen
Machenschaften in der Münchner CSU bis zur versuchten
Erpressung. Die massive Förderung des Sehbehindertenzentrums
werfe weitere Fragen auf.
So bleibt das politische Schicksal von
Kultusministerin Hohlmeier vorerst ungewiss. CSU-Chef Stoiber
jedenfalls drängt auf Bereinigung. Auf seinen Druck hin
erklärte in der vergangenen Woche der Vorstand der
Münchner CSU seinen Rücktritt. Ein Sonderparteitag am 17.
September soll einen Neuanfang bringen.
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