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Karl-Otto Sattler
Kann die CDU die absolute Mehrheit halten?
Landtagswahl im Saarland am 5.
September
Der Saarländer als solcher hat eine große
Leidenschaft: Vom Frühsommer bis zum Frühherbst zieht es
ihn unwiderstehlich zu Volksfesten jeder Art, in kleinen und
großen Orten organisieren Vereine in dieser Zeit meist mehrere
dieser geselligen Events. Für Wahlkämpfer eine
günstige Gelegenheit, aus der Not eine Tugend zu machen: Wenn
vor der Landtagswahl am 5. September wegen der jetzigen Ferienzeit
die Massen nicht für Großveranstaltungen zu mobilisieren
sind, dann gehen die Politiker eben dorthin, wo die Leute sind - zu
den Festen. So schaut CDU-Ministerpräsident Peter Müller
auf dem Ottweiler Wochenmarkt vorbei, schüttelt Hände auf
dem Welschbacher Rosenfest, sagt auf dem Schmelzer Krammarkt Guten
Tag oder beobachtet das Drachenbootrennen in Saarbrücken.
SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas lässt sich auf dem Nohfelder
Seefest blicken, trinkt ein Bier auf einem Völklinger
Sommerfest, begrüßt die Gäste auf dem Saarwellinger
Brunnenfest oder plaudert mit den Besuchern des Wellesweiler
Feuerwehrfests.
Ein lässiger Ferienwahlkampf, eine neue Erfahrung. In
Urlaubslaune sind die Bürger nicht zu politischem Zoff
aufgelegt. So sind denn bei den Stippvisiten auf den Festen vor
allem Leutseligkeit und Polit-Smalltalk angesagt. Auch die
Bundesprominenz macht sich rar. Angela Merkel auf einem Meeting der
Union an einem See, Franz Müntefering kommt einmal zur
Unterstützung von Oppositionsführer Heiko Maas - das
war's. Gerhard Schröder reist erst gar nicht an: Wen
wundert's, wo doch die Saar-SPD und der unverdrossen mitmischende
Oskar Lafontaine mit herber Kritik an der Berliner Politik mit
ihren massiven sozialen Einschnitten der Bundesregierung
kräftig in die Parade fahren. Erst bei den großen
Abschlussveranstaltungen von CDU und SPD am 2. September
dürfte heiße Wahlkampfatmosphäre hochkochen. Derweil
präsentiert sich Heiko Maas auf Plakaten mit dem Wunsch
"Schöne Ferien!" und kündigt an "Wir sehen uns". Neben
dem Konterfei von Peter Müller heißt es schlicht "Best of
Politik".
Nein, vibrierende Polit-Power prägt diesen Wahlkampf nicht.
Gleichwohl liegt Spannung über dem 5. September. Ohne Zweifel
geht die CDU als Favorit ins Rennen. Die Union gewann 1999 mit 45,5
Prozent und einem Vorsprung von nur 6.000 Stimmen eine absolute
Mandatsmehrheit im Zwei-Parteien-Parlament - Müllers Partei
hat einen Sitz mehr als die SPD, die 44,4 Prozent erreichte. Der
Ministerpräsident hat als Wahlziel proklamiert, die absolute
Mehrheit "zu verbreitern". Ob dies gelingt, wird zuvörderst
vom Abschneiden der Grünen und der FDP abhängen, die vor
fünf Jahren scheiterten, sich dieses Mal aber Chancen auf ein
Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde ausrechnen
können. Die SPD leidet in erster Linie unter der
desaströsen politischen Großwetterlage auf Bundesebene.
Oskar Lafontaine spricht seiner Partei eine
"Außenseiterchance" zu, die es jedoch zu nutzen gelte. Die
Genossen wollen sich mit einem betont sozial profilierten Kurs vom
negativen republikweiten Trend abkoppeln. Traditionell liegt die
Saar-SPD etwa zehn Prozent über den Werten der
Bundespartei.
Landespolitische Themen liefern nicht unbedingt viel
Zündstoff bei den Wählern. So verweist die Union auf das
Wirtschaftswachstum, das an der Saar zwischen 1999 und 2003 um 5,1
Prozent kletterte und damit die bundesweite Zuwachsrate von 3,8
Prozent in diesem Zeitraum übertrifft. Die SPD kontert mit der
Anmerkung, dass aber 2003 die regionale Wirtschaftsleistung um 1,1
Prozent sank und die Saar damit nur auf Platz 14 unter allen
Bundesländern rangiert. Statistiken sind nun mal so und so
interpretierbar. Gleiches gilt für den Arbeitsmarkt. Mit rund
neun Prozent Erwerbslosigkeit nimmt das Saarland im
Ländervergleich die fünftbeste Position ein. Peter
Müller sieht ein kleines "Jobwunder", und Wirtschaftsminister
Hanspeter Georgi kehrt hervor, dass seit 1999 "über 40.000
neue Arbeitsplätze" entstanden seien. Doch "neu" ist etwas
anderes als "zusätzlich". Jedenfalls hat die Arbeitskammer
ermittelt, dass heuer mit rund 4.5000 die Zahl der Erwerbslosen
genau so hoch sei wie vor elf Jahren und dass sich die Zahl der
Erwerbstätigen auf dem Niveau von 1999 bewege: Es werden halt
viele bisherige Arbeitsplätze abgebaut, überdies werden
mehr und mehr normale Arbeitsverhältnisse in Mini-Jobs
umgewandelt.
Kaum Streit um die Landespolitik
Auch sonstiger landespolitischer Streit elektrisiert das
Publikum kaum. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, im Wahlkampf
ein bemerkenswerter Vorgang, griffen Heiko Maas und der grüne
Landesvorsitzende Hubert Ulrich die Finanzpolitik der CDU an, die
für einen enormen Schuldenberg im Etat verantwortlich sei. Die
Union hält dagegen: Die Ursache für die angespannte
Haushaltslage wurzele in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der
Bundesregierung. In der Bildungspolitik gilt der CDU etwa die
flächendeckende Einführung des achtjährigen
Gymnasiums als Erfolg; was indes den Andrang auf Gesamtschulen
verstärkt hat, wo das Abitur weiterhin nach neun Jahren
gemacht werden kann. Die Sozialdemokraten propagieren die
sechsjährige Primarschule und die spürbare Erweiterung
des Ganztagsangebots.
So dürfte denn der Ausgang der Wahl vor allem von den
Stimmungen der politischen Großwetterlage und der Zugkraft der
Spitzenkandidaten abhängen. Da hat Peter Müller ein
unbestreitbares Plus: Bei den persönlichen
Popularitätswerten distanziert der Ministerpräsident den
SPD-Kontrahenten Maas deutlich. Und im Mai sah eine Umfrage von
"Infratest dimap" im Auftrag der Saarbrücker Zeitung und des
Saarländischen Rundfunks bei der Sonntagsfrage zur
Landtagswahl die Union bei 54 Prozent und die SPD nur bei 33
Prozent. Sicher in der Tasche hat die Union die absolute Mehrheit
freilich nicht. Bei den Kommunalwahlen im Juni verbuchte die CDU
landesweit 45,7 Prozent, das war ein klarer Sieg, aber nicht die
absolute Mehrheit. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und bei
den Europawahlen auf Bundesebene musste die Union trotz eines
beachtlichen Vorsprungs vor der Konkurrenz Federn lassen. Gleiches
sagen Prognosen für die Wahlen in Sachsen voraus. Die
unpopulären Forderungen von Friedhelm Merz und anderen
CDU-Bundespolitikern nach einem weiteren Abbau des
Kündigungsschutzes bis hin zu dessen völliger Abschaffung
kann Müller im Wahlkampf nicht gebrauchen, weshalb der
Saarländer bei diesem Thema auf Gegenkurs zu seinen
Parteifreunden ging. Heiko Maas griff den Vorstoß aus den
Reihen der Bundes-CDU dankbar als Vorlage für eine Attacke
auf.
Die SPD setzt darauf, mit ihrem linken sozialpolitischen Kurs
und mit ihrer Kritik an der Bundesregierung in heimischen Gefilden
punkten zu können. Auch mit der Berufung des
DGB-Landesvorsitzenden Eugen Roth in sein Schattenkabinett für
den Posten eines Arbeits- und Sozialministers will Maas ein Signal
markieren. In Berlin dürfte aufmerksam beobachtet werden, ob
sich der Einsatz Oskar Lafontaines für die Partei auszahlt.
Ins Gehege kommt der Saar-SPD natürlich der mitten im
Wahlkampf aufflammende Streit um Hartz IV. Gewisse Hoffnungen
schöpft die Partei aus den kommunalen Urnengängen im
Juni. Bei den Gemeinderatswahlen verzeichneten die Genossen
landesweit 37,3 Prozent - ein Verlust von fünf Prozent, doch
nehmen sich die 37,3 Prozent angesichts des katastrophalen
Bundestrends immerhin als Achtungserfolg aus. Und zwei
Landratswahlen sowie die OB-Wahl in Saarlouis konnte die SPD sogar
siegreich für sich entscheiden - zwischen Ostsee und Alpen ein
inzwischen seltenes Ereignis.
Auch bei der Oberbürgermeisterwahl in Saarbrücken, die
ebenfalls am 5. September stattfindet, rechnen sich die Genossen
Chancen aus: Um die Macht in der Hauptstadt kämpfen die
SPD-Sozialdezernentin Charlotte Britz und
CDU-Gesundheits-Staatssekretär Josef Hecken, der grüne
Interims-Rathauschef Kajo Breuer und die FDP-Kandidatin Karin Nehl
werden wohl außen vor bleiben.
Als Zünglein an der Waage können sich bei der
Landtagswahl die Liberalen mit ihrem Vorsitzenden Christoph
Hartmann und die Grünen fühlen. Von den beiden Kleinen
dürfte es zuallererst abhängen, ob Peter Müller das
Wahlziel einer absoluten Mehrheit wird erreichen können. Bei
vier Fraktionen im Parlament, in dem Grüne und FDP bislang
nicht vertreten sind, wäre eine CDU-Mandatsmehrheit in ernster
Gefahr. Grüne wie Liberale haben an der Saar im
Bundesvergleich seit jeher eine eher schwache Position. Doch die
Kommunalwahlen im Juni haben beiden Parteien Auftrieb gegeben: Im
Gemeinderat der Landeshauptstadt wie im Regionalparlament des
Saarbrücker Stadt-Umland-Verbands sind nun sowohl die
Grünen wie die FDP nach dem Meistern der
Fünf-Prozent-Hürde vertreten. In beiden Gremien wollen
Union und Liberale koalieren, zusammen haben sie jeweils eine
knappe Mehrheit - und Schwarz-Gelb dürfte auch im Fall des
Falles die Alternative zu einer absoluten CDU-Mehrheit am 5.
September sein. Karl-Otto Sattler
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