|
|
Astrid Pawassar
Die Bundespolitik bestimmt den Wahlkampf
Sachsen wählt einen neuen
Landtag
Völlig gelassen kann in Sachsen eigentlich nur die PDS in
den Wahlkampf ziehen. Während sich die Presse mit der Frage
beschäftigt, ob Spitzenkandidat Peter Porsch tatsächlich
"IM Christoph" war, laufen enttäuschte Menschen zu Tausenden
bei den Demonstrationszügen gegen die Hartz IV-Gesetze mit.
Nicht nur den eingefleischten PDS-Wählern scheint egal zu
sein, ob der plaudernde Professor zu DDR-Zeiten mit oder ohne
Stasi-Verpflichtungserklärung Schriftsteller und
Westjournalisten in Gefahr gebracht hat. Das alles
überlagernde Thema ist auch in Sachsen die befürchtete
soziale Schieflage durch die Reformpolitik der Bundesregierung.
"Sozial, mit aller Kraft" lautet denn auch ein Wahlkampfslogan der
Sozialisten. 25 Prozent der Stimmen könnte die PDS nach den
jüngsten Umfragen bei der Landtagswahl am 19. September
bekommen. Was sie damit anfangen kann?
Nicht viel, denn ihr potentieller Juniorpartner muss verzweifelt
gegen den Abstieg in die Einstelligkeit ankämpfen. Zehn
wackelige Prozentpunkte wären derzeit noch für die
mehrfach gebeutelte SPD drin. Mit der ungewöhnlichen
Wortschöpfung "Sachsengerecht" versucht sie nun, gegen die
alles überlagernde Hartz-Verdrossenheit mit landespolitischen
Themen wie dem Erhalt von Kita-Plätzen Wahlkampf zu machen.
Gleichwohl sieht ihr Spitzenkandidat, Thomas Jurk, auch in der
Forderung nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer und
Verbesserungsvorschlägen für das Arbeitslosengeld II eine
Möglichkeit, beim Wähler zu punkten.
Hartz IV beutelt aber auch die erfolgsverwöhnten
Christdemokraten im Freistaat. Ministerpräsident Georg
Milbradt muss nun dauernd erklären, wann er welchen Aspekten
des Reformversuchs im Bundesrat zugestimmt hat und dass er nun
keine arbeitsmarktfördernden Elemente mehr erkennen kann und
deshalb für eine Verschiebung des ganzen Unternehmens ist. Sah
es im Frühjahr noch so aus, als könne die Sachsen-Union
nahezu ohne Verluste an frühere Erfolge unter Kurt Biedenkopf
anknüpfen, so muss sie mittlerweile Umfragewerte zur Kenntnis
nehmen, die ihr nur noch 45 Prozent der Wählerstimmen in
Aussicht stellen. Rückwirkend werden nun die Stimmenverluste
für die CDU bei den diesjährigen Kommunal- und
Kreistagswahlen als Menetekel gewertet.
Sollte die CDU nach dieser Landtagswahl erstmals auf einen
Koalitionspartner angewiesen sein, so steht ein früherer
Wunschpartner nicht zur Verfügung. Die Spitzenkandidatin der
Grünen, Antje Hermenau, hat sich gegen eine Zusammenarbeit mit
dem "Schwarzen Filz" ausgesprochen.
Die Grünen können sich inzwischen, genauso wie die
FDP, Hoffnung auf den Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag
machen. Beide kleinen Parteien liegen momentan bei sechs Prozent,
wobei die Grünen eher auch bei potentiellen PDS-Wählern
Stimmen abziehen könnten, sollte sich der Eindruck
verfestigen, dass der Sprung über die
Fünf-Prozent-Hürde diesmal gelingen kann.
Die Furcht vor Wahlerfolgen der NPD treibt - angesichts der
Aufregung um Hartz IV - alle Parteien um, obwohl die NPD zur Zeit
nur zwei Prozent der Stimmen bekäme; allerdings könnte
aus dem Lager der kleineren Gruppierungen (sechs Prozent laut
Umfrage) noch Wählerpotential dorthin überlaufen. Das
beste Rezept gegen den Vormarsch extremer Gruppen ist bekanntlich
eine hohe Wahlbeteiligung. Und so eint am Ende die viel kritisierte
Bundespolitik die sächsischen Parteien in dem Bemühen,
gegen den Trend der letzten Jahre eine hohe
Wählermobilisierung zu erreichen. So gesehen dürfte
dieser Landtagswahlkampf weitaus spannender werden, als die
zurückliegenden.
Astrid Pawassar
Zurück zur
Übersicht
|