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Geneviève Hesse
Integration durch Gartenarbeit
Ein interkultureller Heilgarten in Berlin
für Folteropfer
Mit leuchtenden Augen reagierten die Teilnehmer einer
therapeutischen Gruppe im Behandlungszentrum für Folteropfer
(BZFO), als Frank Merkord Ihnen von einem interkulturellen
Heilgarten erzählte. Demnächst sollen sie durch das
Gärtnern neue Wurzeln in das fremde Deutschland schlagen, so
das Motto des anlaufenden Projekts des BFZO. In ihrer Heimat, die
sie wegen Folter verlassen mussten, waren viele der im BFZO
behandelten Flüchtlinge Bauern. Sie vermissen die Arbeit mit
der Erde.
Auf der 2.000 Quadratmeter großen Parzelle zwischen den
roten Backsteingebäuden des Krankenhauses Moabit sollen 25
Patientinnen und Patienten aus dem Irak, aus der Türkei oder
aus Tschetschenien bald ihr eigenes Beet selbständig pflegen.
"Sie säen - es wächst. Sie ernten - es vergeht. Durch
Gartenarbeit greifen die Opfer der Folter den unterbrochenen Faden
des Wachstums und des Unvergänglichen wieder auf", so
Elisabeth Hauschildt, Koordinatorin des Heilgartens. Im Garten wird
spürbar, dass Leben und Tod sich abwechseln, dass der
Frühling nach dem Winter mit Sicherheit wiederkehrt. Den
heilenden Optimismus einer solchen interkulturellen Gemeinschaft
erleben Ausländer seit 1995 schon in Göttingen. So zum
Beispiel die 49-jährige Najeha, die im Mai 1996 vor der
Geheimpolizei des Iraks fliehen musste: "Den Pflanzen erzähle
ich meine Sorgen und ich lache auch mit ihnen. Für meine
Tochter sind die Leute aus dem Garten wie eine neue Familie
geworden." Außerdem können Flüchtlinge, die kein
Geld verdienen dürfen, in solchen Gärten die Früchte
ihrer Arbeit verzehren. Ihre bishergen Kenntnisse über das
Gärtnern müssen sie der deutschen Erde und dem deutschen
Klima anpassen, was auch zur inneren Verbindung mit dem neuen Land
beiträgt.
Das Neue am Berliner interkulturellen Heilgarten ist die
intensive Begleitung, die der Therapeut Frank Merkord als Weg gegen
die Folgen der Folter anbieten will. In Gruppen möchte er die
schmerzhaften Erinnerungen oder Konflikte bearbeiten, die in der
gemeinsamen Arbeit entstehen. Allerdings wird er zwischen den
Interessierten eine Auswahl treffen müssen. Entscheidend ist
die Einschätzung, ob sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten
können. Sie sollen außerdem deutsch reden und eine
Indikation für Gruppen- und Gartentherapie haben. Jedoch macht
Merkord kein Hehl daraus, dass die beste Therapie eine
Aufenthaltsgenehmigung sei. Darüber hinaus betont Elisabeth
Hauschildt, dass die Arbeit mit den Händen in der Erde
heimatliche Gefühle wecke. Diese lassen den jahrelangen
Schwebezustand der Asylbewerber in Deutschland noch absurder
erscheinen. Jedoch sei der Widerspruch lebendiger als die innere
Erstarrung, die aus der Isolation in Heimen entstehe. Verschwinden
könne die Wunde der Folter und der Flucht sowieso nicht, im
besten Falle bilde sich eine Narbe.
Die Zukunft des Berliner Projektes ist wegen mangelnder
Finanzierung noch ungewiss. Heute redet der Therapeut Frank Merkord
vorsichtiger mit seinen Patientinnen und Patienten von dem Projekt.
Falsche Hoffnung will er nicht wecken.
Zwar steht durch die bisher ehrenamtliche Arbeit von Elisabeth
Hauschildt schon alles in den Startlöchern. Auf dem
grünen Areal bilden helle Pflastersteine zwei riesige Kreise,
die in Tortenstücke für einzelne Beete geteilt werden.
Eine Hecke mit totem Holz und einem versteckten Igel, ein Vogelhaus
am Baum, das Bild der sich öffnenden Kastanie auf dem frisch
gemalten Eingangsschild - alles deutet auf Entwicklung.
Aber die beiden Organisatoren haben außer einer
Anschubfinanzierung von 2.000 Euro für die Geräte, der
Übernahme der Pacht durch das Bezirksamt Mitte und vieler
guten Wünsche noch wenig in der Hand. Bei der Eröffnung
im März 2004 ließen sie Samentüten, die an
Luftballons aufgehängt waren, in den Himmel steigen. Einige
davon haben sich in den Ästen eines Baumes verwickelt. Heute
flattern sie immer noch in mittlerer Höhe, wie ein Symbol
dafür, dass es einen Haken an der ganzen Geschichte gibt. "Wir
sind aber guter Dinge", kommentiert Elisabeth Hauschildt,
"spätestens im nächsten Jahr werden sich die Tüten
auflösen und die Samen in der Erde aufgehen".
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