Dieter Philipp
Einladung in die "Zukunftswerkstatt der
Nation"
Status quo analysieren - Ziel definieren - Wege
dorthin finden
In seiner Antrittsrede entwickelte Bundespräsident Horst
Köhler die Vision von einem Deutschland der Ideen - mit
"Neugier und Experimentieren, in allen Lebensbereichen Mut,
Kreativität und Lust auf Neues, ohne Altes und Alte
auszugrenzen". Es scheint, als habe er dabei das Handwerk, das
Herzstück des Mittelstandes in Deutschland, vor Augen
gehabt.
Im Handwerk finden wir die Menschen mit Ideen, Handwerker auf
der Suche nach Neuem und bereit zu Experimenten, Unternehmer mit
Mut gepaart mit Gemeinsinn. Ohne diese "Zukunftswerkstatt der
Nation" mit ihren praktischen Eliten wäre die Substanz nach
fünf Jahren Rezession am heimischen Markt, nach Jahren des
vergeblichen Kampfes für bessere Rahmenbedingungen für
den Mittelstand in Deutschland längst aufgebraucht.
Im Kampf um Wettbewerbsfähigkeit und neue Märkte haben
die Handwerksbetriebe sich pragmatisch erst einmal selbst auf den
Prüfstand gestellt. Die Erfolge sind greifbar. Kreative
kombinieren High-tech-Entwicklungen mit ihren traditionellen
Fertigkeiten und bieten passgenaue Lösungen für
industrielle Kunden an. Kleine Betriebe bringen ihr Spezialwissen
in Kooperationen ein und bieten das gemeinsame Know-how an.
Dienstleister erobern mit innovativen Geschäftsmodellen neue
Märkte. Mutige Unternehmer, die in Deutschland an die Grenzen
des Wachstums stoßen, machen sich auf, ausländische
Märkte zu gewinnen.
Eine Reformdebatte ist erwünscht
Der Mittelstand hat kein Verständnis dafür, dass
ausgerechnet der politischen Elite selbst die Ideen ausgehen und
der Mut fehlt, kreativ Neues anzupacken.
Wir haben uns stets eine Reformdebatte gewünscht. Wir haben
eine Vision dessen angemahnt, was am Ende stehen sollte und eine
Debatte über die Wege dorthin. Denn nach diesem Motto
verfahren Handwerker auch bei der Problemlösung für ihre
Kunden. Status quo analysieren, Ziel definieren, Wege dorthin
finden und den mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis
beschreiten - ohne auf dem Weg den Kunden zu verlieren.
Wer Wachstum will, weniger Arbeitslose und vor allem mehr
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, der muss die
Konjunktur im Inland in Schwung bringen und den Mittelstand
stärken. Dazu brauchen wir unter anderem eine Senkung der
Kosten auf Arbeit. Dazu müssen wir den Arbeitsmarkt
deregulieren und vor allem für kleine Betriebe die
Bürokratie so weit wie möglich streichen. Dazu
müssen wir Menschen und Betrieben mehr Netto ermöglichen,
für Konsum und für Investitionen. Dazu sollte die Politik
wieder verlässlich werden, damit die Menschen ihr vertrauen
können.
Die Bundesregierung hat leider keine Ziele formuliert, keine
Debatte über den Weg geführt und verordnet nur
Bruchstücke, deren konzeptioneller Zusammenhang nicht
erkennbar wird - der Beifall der "Kunden" bleibt daher aus.
Denn was war intelligent an Sparprogrammen zu einem Zeitpunkt,
an dem der Binnenmarkt in die Rezession fiel? Was war intelligent
an einer Steuerreform, die Großkonzerne besser stellt,
Einkommensbezieher und kleine Betriebe aber erst einmal bluten
lässt, bevor sie die längst vorfinanzierten
"Steuersenkungen" bekommen? Was ist so clever an
Subventionsstreichungen, die nur den Staatssäckel füllen,
nicht aber durch Steuersenkungen zurück in die Taschen der
Steuerzahler und damit den Konsum fließen?
Auch die Ökosteuer senkt die Rentenbeiträge nicht. Die
erhöhte Tabaksteuer und die Praxisgebühr senken die
Krankenkassenbeiträge nicht spürbar. Der weiter wachsende
zweite Arbeitsmarkt bringt Arbeitslose nicht in Beschäftigung
- also bleibt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf
Rekordhöhe. Damit bleiben die Kosten auf Arbeit hoch. Und der
Staat vernichtet die Milliarden, die für Konsum und
Investitionen fehlen.
Der private Verbrauch schrumpft, der Staat verliert - über
weniger Einkommensteuer- und Mehrwertsteuereinnahmen, über
höhere Transfersbeträge in die Sozialversicherungen. Das
geschieht in einer Größenordnung, dass die
Schuldenmaschine auf Hochtouren läuft und die Kriterien
für die Verschuldung im EuroLand Jahr um Jahr missachtet
werden. Wir schrumpfen uns arm.
Die Rezession hat sich im Lande festgesetzt, seit mittlerweile
fünf Jahren - und ein Ende der Konsumverweigerung, des
Investitionsstaus, des Angstsparens, des Betriebssterbens, der
Arbeitsplatzverluste ist nicht in Sicht.
Professor Norbert Berthold schreibt im Jahresmittelstandsbericht
2004 der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand: "Der konjunkturelle
Aufschwung, die letzte Hoffnung der überforderten politischen
Medizinmänner, bleibt eine Fata Morgana." So ist es - leider.
Und deshalb passt es nicht in die Zeit, notwendige Reformen zur
Zukunftssicherung einfach als Reformismus abzutun. Nur mit
Realismus und Pragmatismus und einem Engagement der
gesellschaftlichen Kräfte für tatsächliche Reformen
mit Ziel und Verstand ist doch die Zukunft zu gewinnen. Der
Mittelstand und das Handwerk machen lieber heute als morgen mit.
Unsere Handwerksmeister laden die Politik gerne in ihre
"Zukunftswerkstatt der Nation" ein. Ideen sind inbegriffen. Dieter
Philipp
Der Autor ist seit 1997 Präsident des Zentralverbandes des
Deutschen Handwerks (ZDH).
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