Mario Ohoven
Keine Alternative zur Agenda 2010
Wachstumsfesseln abstreifen
Der Mittelstand ist Rückgrat und Motor der Wirtschaft in
Deutschland. Ohne die mehr als drei Millionen kleinen und mittleren
Betriebe geht nichts in unserem Land. Ihnen stehen nur rund 4.400
Großunternehmen gegenüber. Das bedeutet schlicht: 99,6
Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen sind
mittelständisch strukturiert. Sie
- beschäftigen 70 Prozent aller Erwerbstätigen,
- bilden acht von zehn Lehrlingen aus,
- erwirtschaften rund die Hälfte des
Bruttosozialprodukts,
- tätigen etwa 50 Prozent aller Bruttoinvestitionen ,
- haben einen Anteil von rund 75 Prozent an den Patenten.
Nach wie vor stehen dem unternehmerischen Mittelstand aber
zahlreiche Hemmnisse und Hürden im Wege: eine ständig
steigende Abgabenlast und dadurch im internationalen Vergleich viel
zu hohe Arbeitskosten, ein überregulierter Arbeitsmarkt und
vor allem eine wuchernde Bürokratie. Solange es nicht gelingt,
diese Wachstumsfesseln abzustreifen, wird der Aufschwung in
Deutschland weiter auf sich warten lassen.
Deutschland bleibt auch nach der im Ansatz
begrüßenswerten Steuerreform ein Hochsteuerland. Mit
einer effektiven Steuerbelastung von knapp 40 Prozent wird der
EU-Durchschnitt deutlich übertroffen. Die Hauptlast trägt
der Mittelstand, weil er gegenüber den Kapitalgesellschaften
noch immer steuerlich krass benachteiligt ist. Bis zum Jahr 2006
werden Betriebe und Bürger durch neue Steuergesetze sogar mit
35 Milliarden Euro zusätzlich zur Ader gelassen.
Während Deutschland beim Wachstum an letzter Stelle steht,
hält es bei der Regulierung des Arbeitsmarktes den Rekord im
OECD-Vergleich. So verhindert etwa der extensive
Kündigungsschutz die Einstellung von älteren Jobsuchenden
und Langzeitarbeitslosen. Bei einer Lockerung - dies belegen
Umfragen - würden 70 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe
zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.
Ein Haupthindernis unternehmerischer Tätigkeit ist die
Bürokratie. Verglichen mit den Großunternehmen, trifft es
die Mittelständler besonders hart. Sie tragen mehr als 80
Prozent der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten von geschätzten
46 Milliarden Euro, die durch den offenbar typisch deutschen Drang
entstehen, alles bis ins Detail zu regeln.
Mit der Agenda 2010 hat die Bundesregierung den richtigen Weg
eingeschlagen. Zu diesem Reformkurs gibt es keine Alternative.
Deshalb trägt ihn der Bundesverband der mittelständischen
Wirtschaft (BVMW) als stärkste Kraft des freiwillig
organisierten Mittel-standes mit. Gleichwohl sind viele
Einzelreformen nicht über erste Ansätze hinausgekommen,
manches aus der Agenda wurde insbesondere auf Druck der
Gewerkschaften verwässert oder ganz gestrichen.
Forderungen des BVMW
Von mittelstandsfreundlichen Rahmenbedingungen kann deshalb noch
lange nicht die Rede sein. Dazu bedarf es radikaler Reformschritte,
zu denen den politisch Verantwortlichen bislang jedenfalls der Mut
fehlte. In seinem Grundsatzprogramm "Mittelstand macht mobil" hat
der BVMW der Politik den Weg zu Wachstum und Beschäftigung
gewiesen:
- Konsequente Reduzierung der Staatsquote von derzeit rund 50
Prozent; Beschränkung staatlichen Handelns auf rein
ordnungspolitische Aufgaben; die öffentliche Hand darf nicht
länger als Wettbewerber für die Privatwirtschaft
auftreten.
- Durchsetzung einer echten Steuerreform; diese muss die
steuerliche Belastung der Betriebe nachhaltig reduzieren und zu
einer Vereinfachung des Steuersystems führen.
- Flexibilisierung des Arbeitsmarktes; bei Lohnfindung,
Kündigungsschutz und Arbeitszeiten muss das bisherige
Tarifkorsett gesprengt und durch betriebliche Lösungen ersetzt
werden.
- Entbürokratisierung und Deregulierung; befristete
Gültigkeit für alle Gesetze und Verordnungen; für
Investoren ist behördlicherseits nur noch eine Ansprechstelle
zuständig.
Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer
Wirtschaft ist die Sicherung ihres Innovationspotenzials. Dazu
bedarf es einer Grundsanierung des Bildungswesens. Kernelemente
sind eine Verkürzung der Ausbildungszeiten in Schule und
Hochschule, ein einheitliches Abitur in allen 16 Bundesländern
und insbesondere die Schaffung nationaler Bildungsstandards. Die
Wirtschaft braucht die Politik und umgekehrt. Im Mittelstand hat
die Bundesregierung einen starken Partner. Auf ihn kann sie sich
bei der Umsetzung der überfälligen Reformen verlassen.
Diese dürfen nicht scheitern. Sonst stünde es schlecht um
die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Mario Ohoven
Der Autor ist Präsident des Bundesverbandes der
mittelständischen Wirtschaft (BVMW).
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