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Jörg Wenzel
Qualität aus Meisterhand kontra 08/15
Jens Weinreich kämpft gegen
Billiglöhner und Schwarzarbeiter
Pi mal Daumen und 08/15 - das ist nicht sein Ding:
"Augenmaß in Ehren - aber die millimetergenaue Fuge macht man
nicht mit links. Fliesenlegen ist ein Handwerk - und kein Hobby",
sagt Jens Weinreich. Der Fliesenleger-Meister aus Brandenburg an
der Havel nimmt es genau. Nicht umsonst ist er so etwas wie ein
Star in seinem Fach. Beim Meistertitel adelte ihn die Innung mit
der Traumnote "Sehr gut" - eine absolute Seltenheit. Und doch hat
der "Prädikatsmeister" zu kämpfen: Jede Woche tauchen
neue Anzeigen in der Zeitung auf - "Übernehme Fliesenlegen und
andere Arbeiten am Bau." Seit dem Fall des Meisterzwangs und in
Zeiten der Ich-AG ist die (Billig-)Konkurrenz für Jens
Weinreich gewachsen.
Vor allem der Ich-AG-Gründungsboom drückt.
Mini-Firmen, mit denen sich Arbeitslose selbständig machen,
lassen die Handwerkerwelt von Jens Weinreich aus den Fugen geraten
"In den vergangenen Monaten sind immer neue Ich-AGler auf den Markt
gedrängt und versuchen sich im Fliesenlegen", so die
Erfahrungen des 32-Jährigen. Dabei schneidet und kneift auch
Jens Weinreich jede Fliese selbst und ist damit sein eigener
Ein-Mann-Betrieb. Aber: Im Gegensatz zu den Ich-AGlern bekommt der
selbständige Meister keine staatliche Förderung. Diese
liegt für eine Ich-AG im ersten Jahr bei 600 Euro pro Monat,
im zweiten bei 360 und im dritten Jahr bei 240 Euro. "Auf den
ersten Blick scheint das nicht viel. Wer monatlich aber schon
einmal 600 Euro von der Arbeitsagentur bekommt, kann ganz andere
Preise machen und billiger arbeiten. Das ist kein fairer Wettbewerb
mehr", sagt Weinreich.
Die Folge: Preisverfall - Dumping. Der Handwerksmeister nennt
Fakten: "Die Preise für Fliesenlegerarbeiten sind um 15 bis 20
Prozent nach unten gerutscht." Eher stolz als bitter klingt da der
Nachsatz von Jens Weinreich: "Ich habe bislang meinen Beruf und
meine Firma selbst finanziert, ohne irgendeine Förderung oder
einen Kredit." Bodenständigkeit zählt für den
Brandenburger - auch in schwierigen Zeiten.
Und dann die Konkurrenz durch Schwarzarbeiter: "Klar, die
räubern. Die bieten das Fliesenlegen zu Quadratmeterpreisen
von unter zehn Euro an. Und damit zur Hälfte des Preises, der
sonst üblich ist. Da mitzuhalten, wäre der
geschäftliche Ruin," so Weinreich. "Die Schwarzarbeiter machen
meine Baustellen kaputt. Wenn so Aufträge verloren gehen, dann
ist das richtig ärgerlich." Verständlich, dass sich die
Sympathie für "Kunden", die ihr Bad "im Dunkeln und ohne
Rechnung" fließen lassen, bei dem selbständigen
Handwerksmeister mehr als in Grenzen hält.
Billiglöhner und Schwarzarbeiter im Badezimmer - der Profi
schüttelt den Kopf: "Passt, wackelt und hat Luft" - miese
Qualität habe in vielen Bädern Hochkonjunktur, sagt Jens
Weinreich. "Schon merkwürdig, dass viele heute zwar den
neuesten und besten Farbfernseher kaufen, aber für ihr
Badezimmer kein Geld ausgeben wollen." Der Handwerksmeister kennt
den Trend: "Fliese ran - Hauptsache billig. Das kann doch jeder."
Jens Weinreich geht es bei der Warnung vor "Pfusch am Bau" in
diesem Moment um weit mehr als darum, zusätzliche
Aufträge einzufahren. Als Handwerksmeister mit Leib und Seele
ist Qualität für ihn das Nonplusultra.
Der Meisterbrief beeindruckt "Geiz ist Geil"-Häuslebauer
wenig. Und er ist in Zeiten von Billigkonkurrenz auch längst
keine Garantie für volle Auftragsbücher mehr. Und
trotzdem setzt Jens Weinreich auf sein Meister-Know-how: "Für
viele Konkurrenten ohne Meistertitel und für Ich-AG-Abenteurer
wird die Selbständigkeit nach der Anfangseuphorie scheitern.
Ganz einfach deshalb, weil die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse
fehlen. Buchhaltung, Materialeinkauf, Abrechnung,
Preiskalkulation... - wer das nicht gelernt hat, wird Schiffbruch
erleiden. Da kann einer der beste Handwerker sein. Wichtig ist,
seine Selbständigkeit auf Beton und nicht auf Sand zu bauen
und seinen eigenen Qualitätsmaßstab beizubehalten. Als
Meister weißt du, was du kannst."
So fällt das Plädoyer des Brandenburger
Prädikat-Fliesenlegermeisters für seinen Job fast
begeistert aus: "Es ist manchmal schwierig, gerade auch als
Einzelkämpfer. Aber dafür habe ich einen der
schönsten und kreativsten Berufe, den ich mir vorstellen
kann." - Und das sagt einer, der ursprünglich einen ganz
anderen Berufswunsch hatte: Porzellanmaler an der Manufaktur in
Meißen... Jörg Wenzel
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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