Stets eine Basis für eine gute Zukunft
schaffen
Im Gespräch: Hanns-Eberhard
Schleyer
Hanns-Eberhard Schleyer ist Generalsekretär
des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Bevor er diese
Position übernahm, war er Bevollmächtigter des Landes
Rheinland-Pfalz beim Bund und danach Chef der Staatskanzlei in
Mainz. Das Gespräch führte K. Rüdiger Durth.
Das Parlament
Hat das Handwerk noch goldenen
Boden?
Schleyer Wer als Meister sein Handwerk
versteht, der hat damit auch die beste Basis für eine gute
Zukunft. Für den wirtschaftlichen Erfolg müssen sich die
Betriebe aber in konjunkturell schwierigen Zeiten mehr engagieren
als je zuvor. Stichworte sind Innovation, Kundenorientierung,
Dienstleistung, Kooperation, Internetpräsentation - heute wird
einfach mehr als eine gute Handwerksleistung verlangt.
Das Parlament
Nicht nur in Großstädten
schließen immer mehr traditionelle Handwerksbetriebe, weil sie
mit den großen Handelsketten nicht mehr mithalten können
- von der Metzgerei bis zur Bäckerei, von der Schneiderei bis
zur Schuhmacherei. Ist ein Ende dieses Handwerkersterbens in
Sicht?
Schleyer In Deutschland gilt derzeit leider
"Geiz ist geil", wie eine Handelskette suggeriert. Dieser Trend
zwingt manchen Einzelhändler oder Handwerker ins Aus. Doch dem
uniformen Industriebrot aus dem Supermarkt setzen
Handwerksbäcker längst auch erfolgreich traditionelle
Qualität entgegen. Fleischer bieten Beratung und Sicherheit
beim Fleischeinkauf, die beim Discounter fehlen. Und wer keine
Wegwerfware, sondern hochwertige Schuhe trägt, der bringt sie
auch zur Reparatur zum Schuhmacher. Der Markt verändert sich,
das Handwerk wird seinen Platz behalten.
Das Parlament
Gleichzeitig suchen viele ältere
Handwerksmeister händeringend einen Nachfolger für ihren
Betrieb. Warum ist die Nachfolge so ein Problem?
Schleyer Mitten in der längsten
Rezessionsphase der Nachkriegszeit am Binnenmarkt ist es schwer,
auch für einen eingeführten Betrieb einen Nachfolger zu
finden. Zumal die Kinder im Gegensatz zu früher oft auf die
Nachfolge verzichten, sie wollen sich nicht der Belastung eines
mittelständischen Unternehmers aussetzen. Wir beraten die
Betriebsinhaber intensiv. Wichtig ist vor allem, dass die Nachfolge
frühzeitig geregelt wird - das erleichtert auch den
finanziellen Aspekt.
Das Parlament
Das Handwerk ist nach wie vor der
größte Ausbilder. Viele Betriebe klagen über die
mangelnde schulische Ausbildung der jungen Menschen. Zu
Recht?
Schleyer Die Ergebnisse der PISA-Studie haben
ja nur bestätigt, was unsere Meister seit vielen Jahren
beklagen: Absolventen der Haupt- und Realschulen beherrschen Lesen,
Schreiben und Rechnen immer schlechter. Dann können sie aber
weder einen Boden verlegen noch eine Wurst mischen, geschweige denn
eine computergesteuerte Maschine bedienen oder eine Homepage
aufbauen.
Das Parlament
Können die Betriebe und Berufsschulen
ausgleichen, was in der Schule versäumt worden ist?
Schleyer Viele Lehrlinge bestehen ihre
Prüfungen nur, weil der Meister im Betrieb mit ihnen Rechnen
übt oder Nachhilfe in Deutsch organisiert. Die
Handwerkskammern führen entsprechende Nachschulung durch.
Dennoch steigt die Zahl derjenigen, die zwei Anläufe brauchen
oder ganz durchfallen.
Das Parlament
Welche Chancen haben ausländische
Jugendliche im Handwerk?
Schleyer Die Zahl ausländische Lehrlinge
sinkt - leider. Wir müssen befürchten, dass dies an den
fehlenden Sprachkenntnissen der jüngsten
Ausländergeneration liegt. Denn Ausländer sind im
Handwerk stets willkommen - an der Werkbank zählt Leistung,
nicht Herkunft. Viele Ausländer sind auch erfolgreiche
Unternehmer im Handwerk geworden.
Das Parlament
Auf die Politik ist das Handwerk
gegenwärtig nicht gut zu sprechen?
Schleyer Der Bundesregierung ist es trotz
großer Ziele und Agenda 2010 nicht gelungen, wirksame Reformen
bei der Steuer-, Sozial- Arbeitsmarkt- oder Bildungspolitik
umzusetzen. Die schlechten Rahmenbedingungen bremsen unsere
Betriebe aus. Seit 2000 verliert das Handwerk Umsatz und
Beschäftigung.
Das Parlament
Welche Lasten drücken das Handwerk
besonders - die Steuern oder die Sozialabgaben?
Schleyer In beiden Bereichen sind
Strukturreformen überfällig. Das arbeitsintensive
Handwerk spürt es jedoch besonders, dass die Kosten auf Arbeit
hierzulande exorbitant gestiegen sind. Das hat auch zur Ausweitung
der Schwarzarbeit geführt. Wenn unsere Betriebe
wettbewerbsfähig bleiben sollen, müssen die Sozialabgaben
drastisch sinken. Der ZDH hat Vorschläge für
Strukturreformen vorgelegt.
Das Parlament
Immer wieder wird die Forderung nach einer
Erhöhung der Erbschaftssteuer laut. Davon würde das
Handwerk doch besonders getroffen?
Schleyer Es gibt keinen Spielraum für
Steuererhöhungen, auch nicht bei der Erbschaftsteuer. Eine
Erhöhung trifft in der Tat insbesondere den Mittelstand. Im
internationalen Vergleich zeigt sich, dass die
Erbschaftsteuerbelastung der Betriebe bereits am oberen Rand der
Belastungsskala liegt. Damit ist sie ebenfalls ein Hemmnis für
die Betriebsübergabe. Der ZDH schlägt daher die
Verknüpfung der Bemessung der Erbschaftsteuerschuld mit der
Fortführung des Betriebs vor. Wird das Unternehmen über
einen Zeitraum von zehn Jahren fortgeführt, sollte sich die
Erbschaftssteuer in gleichen Jahresbeträgen von jeweils zehn
Prozent verringern.
Das Parlament
Immer wieder versichert die Regierung, die
Bürokratie abzubauen. Spüren Sie inzwischen etwas
davon?
Schleyer Unsere Unternehmen sagen: Nein: 1994
schätzten 48 Prozent der Betriebe im Rahmen einer Untersuchung
des Instituts für Mittelstandsforschung die
Bürokratiebelastung der Betriebe mit "hoch" bzw. "sehr hoch"
ein. In der aktuellen Studie des Instituts sind dies schon 79
Prozent. Die derzeitige Gesamtbürokratiebelastung kostet
allein den Mittelstand jährlich rund 38 Milliarden Euro. Das
geplante Bürokratiemonster "Ausbildungsplatzabgabe" wurde
gerade noch rechtzeitig gestoppt.
Das Parlament
Haben Sie im Kopf, wieviele Gesetze und
Verordnungen ein Handwerksmeister beachten muss?
Schleyer Aus einem Bestand von mehr als 2.000
Gesetzen, rund 3.000 Rechtsverordnungen und 80.000
Einzelvorschriften muss ein Handwerksmeister für seinen
Betrieb und das gerade zu fertigende Werksbuch die richtige
Textstelle finden. Zu allem Überfluss werden bestehende
Gesetze laufend geändert. Bestes Beispiel ist die
Steuergesetzgebung. Wir brauchen dringend weniger Gesetze, mehr
Transparenz und mehr Kontinuität.
Das Parlament
Wie sieht die Zukunft des Handwerks
aus?
Schleyer Die Zukunft des Handwerks ist
abhängig von der Qualität der Unternehmer und ihrer
Mitarbeiter. Daher tun wir alles, um die Ausbildung zum Meister
attraktiv zu machen und dafür zu werben. Unsere Meisterinnen
und Meister sind der Garant für gut ausgebildeten Nachwuchs.
Die neue Handwerksordnung ist da allerdings kontraproduktiv, eine
allmähliche Dequalifikationsspirale ist absehbar, da die neuen
Regelungen das System der geprüften Qualifikation
unterlaufen.
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