Michael Fuchs MdB (CDU/CSU)
"Zuviel kostet Zeit und Nerven"
Der Abbau von Bürokratie ist dringender
denn je erforderlich
Ein zu kompliziertes Steuerrecht, ein
unflexibler Arbeitsmarkt und eine generelle
"Verwaltungsverdrossenheit" sind Symptome des Problems. Ein
gewisses Maß an Bürokratie ist zwar unentbehrlich, ein
Zuviel jedoch kostet Zeit, Geld und Nerven.
Mittlerweile muss die Wirtschaft mehr als
5.000 Gesetze und Verordnungen mit mehr als 85.000
Einzelvorschriften beachten, wie das Institut der Deutschen
Wirtschaft Köln (IW) ermittelt hat. Immer mehr Ressourcen
müssen Unternehmer für die Abarbeitung
bürokratischer Erfordernisse statt für unternehmerische
Kreativität einsetzen. Nach dem Gutachten des Instituts
für Mittelstandsforschung Bonn sind die Kosten für
mittelständische Unternehmen durch Bürokratie seit 1994
um knapp 30 Prozent gestiegen.
Ein Beispiel an bürokratiebedingter
Lahmlegung eines Betriebs sind die zumeist zeitgleich
stattfindenden Doppelprüfungen für Lohnsteuer,
Sozialversicherung, die Prüfungen der Berufsgenossenschaften
und die Zoll- und Außenprüfungen des Finanzamtes.
Dafür müssen Belege, Buchungsunterlagen und Verträge
jeweils für jede Prüfung erneut aus dem Archiv geholt
werden.
Zeitbedarf und Kosten könnten halbiert
werden, wenn zum Beispiel Lohnsteuer- und
Sozialversicherungsprüfung gemeinsam, am besten noch durch
einen Prüfer durchgeführt würden.
Die lange Prüfungsdauer bedeutet einen
erheblichen Wettbewerbsnachteil deutscher Unternehmer. Bei einem
mittelständischen Unternehmen der Bekleidungsindustrie mit
rund 400 Mitarbeitern zum Beispiel dauerte die Prüfung des
Finanzamtes 16 Monate. Hierfür mussten Mitarbeiter abgestellt
werden, die sich mit den Prüfern beschäftigten. Die
Lohnsteueraußenprüfung dauerte drei Wochen.
Anschließend folgte die Prüfung durch die Textil- und
Bekleidungsberufsgenossenschaft sowie die Zollprüfung und
Außenprüfung für jeweils längere
Zeit.
Genehmingungsverfahren
Enormer Bürokratieaufwand, insbesondere
für Kleinbetriebe, besteht beispielsweise auch bei den
Genehmigungsverfahren. Es kann nicht sein, dass eine
Überprüfung, ob eine Maschine den europäischen
Maschinenrichtlinien entspricht, eine längere Zeit in Anspruch
nimmt, als die Maschine in Betrieb war. In diesem Beispielsfall
wurde die Genehmigung erteilt, als die Maschine bereits
verschrottet war.
In einem anderen Genehmigungsfall wurden
für die Anbringung eines 3×4 Meter hohen Werbebanners
zwar alle Vorschriften beachtet. Darüber hinaus aber ließ
sich die Behörde ihre umfängliche Prüfung, ob alle
Vorschriften seitens des Unternehmers eingehalten wurden, mit einer
Genehmigungsgebühr von 400 Euro bezahlen. Für
Genehmigungsverfahren sollte es daher, ähnlich wie bei
Bauanträgen, einklagbare Fristen und angemessene
behördliche Nachprüfungen geben.
Notwendig ist eine umfassende Deregulierung
und Entbürokratisierung in Deutschland. Denn die Probleme des
Mittelstandes sind vielfältig - sie reichen von langwierigen
und unsinnigen Genehmigungsverfahren über ein
beschäftigungshemmendes Arbeitsrecht, ein allzu kompliziertes
Steuersystem bis hin zu Problemen mit Berufsgenossenschaften und
Krankenkassen und, nicht zu vergessen, mit hohen
Statistik-Anforderungen an Unternehmen.
Die Regierung hat daher in ihrer
Koalitionsvereinbarung 2002 erklärt, dass sie einen
umfassenden Bürokratieabbau in Angriff nehmen will. Vom
"Masterplan Bürokratieabbau" sind seit Februar 2003 bis heute
von 54 Beschlüssen zum Bürokratieabbau nur zwölf
Vorschläge umgesetzt.
Ein Beispiel, das unter der Fahne
Bürokratieabbau gänzlich missraten ist, ist die
Novellierung der Arbeitsstättenverordnung, die noch vom
Bundesrat beschlossen werden muss. Der Verordnungstext ist
erheblich geschrumpft und zwar von 58 Paragraphen auf 10. Bei
näherer Betrachtung aber stellt man fest, dass viele Details
aus den 58 Paragraphen in den Anhang verschoben wurden. Das
bedeutet weniger Paragraphen, aber nicht weniger
Regelungsdichte.
Zu den mageren Ergebnissen der
Bundesregierung beim Bürokratieabbau muss noch all das
hinzugerechnet werden, was an neuer Bürokratie, an neuen
Gesetzen und Verordnungen beständig hinzukommt. 637
Rechtsverordnungen und 167 Gesetze sind seit der letzten
Bundestagswahl neu erlassen worden. Unzählige Anmeldungs-,
Anzeige-, Aufzeichnungs-, Berechnungs-, Erklärungs-,
Ermittlungs-, Nachweis- und Abführungspflichten bilden unseren
bürokratischen Alltag. Wir erleben allein auf Bundesebene rund
2.200 Gesetze mit knapp 47.000 Einzelvorschriften und mehr als
3.000 Rechtsverordnungen mit 40.000 Einzelvorschriften.
Neue Behörden geschaffen
Diese Regierung hat neue Behörden
geschaffen, wie zum Beispiel das zentrale Zulagenamt für die
Verwaltung der kapitalgedeckten Rente, die Finanzagentur für
öffentliche Schuldenverwaltung oder das neue Fahnderamt des
Bundesfinanzministers Eichel. Die Minijobs stattet Rot-Grün
mit einer speziellen Behörde im Ruhrgebiet und in Cottbus aus
- insgesamt 1350 Stellen. Das Motto lautet Bürokratenschwemme
gegen Arbeitslosenheer.
Jeder Arbeitsplatz im Mittelstand ist
jährlich mit bis zu 3.500 Euro Kosten für staatlichen
Bürokratiedienst belastet. Ein Mitarbeiter hat
durchschnittlich 62 Stunden bürokratischer Pflichtkür zu
bewältigen. Jedes vierte Industrieunternehmen will nach einer
DIHK-Umfrage bis 2006 seine Produktion ins Ausland
verlagern.
Einem Bericht der Weltbank (Ende 2003)
zufolge ist es hierzulande besonders teuer und aufwendig, ein
Unternehmen zu gründen - Dauer 45 Tage. Spitzenreiter ist
Australien mit zwei Tagen und Tabellen-Letzter der Kongo mit neun
Monaten.
Man darf allerdings auch nicht außer
Acht lassen, dass unser Gemeinwesen ständig komplexer und
vielfältiger wird. Daher ist Zunahme an staatlichen Regelungen
ein Stückweit normal. Die Schwierigkeit, im Falle von
Überregulierung einzugreifen, resultiert aus unserem
Sicherheitsbedürfnis. Fehlt eine Regelung, und geht eine Sache
schief, so heißt es wieder "Wieso wurde das nicht geregelt?"
Spätestens vor Gericht wird jedem klar vor Augen geführt,
dass nur einzelfallgerechte Regelungen jedwedes Risiko
ausschließen. Unsere Rechtspraxis kompensiert so Versuche des
Gesetzgebers, die Regelungsdichte zu entschlacken.
Es mangelt an der Umsetzung
Was ist zu tun? Die Bilanz ist
niederschmetternd. Unsere mittelständischen Betriebe - oftmals
ohne Möglichkeit, ihren Standort zu verlagern - müssen
wieder freier und unbürokratischer arbeiten dürfen und
auch wollen. Zu viele haben sich bereits an die einengende
Sicherheit durch Überregulierung gewöhnt.
Es ist daher unumgänglich, dass eine
breit angelegte Diskussion über unser System angefacht wird.
Und es ist unumgänglich, dass die Politik eine breite Schneise
in das Gesetzesdickicht schlägt. Letztere Erkenntnis ist
wahrlich nicht neu. Aber an der Umsetzung mangelt es nach wie
vor.
Doch last but not least können wir uns
diese Überregulierung einfach nicht mehr leisten. Wir haben
eine seit Bestehen dieser Republik nie gekannte Wirtschafts- und
Wachstumsschwäche. Die Lage ist bitterernst und die Stimmung
miserabel. Was wir brauchen, ist ein systematisches
Großkonzept, um Deutschland wieder aus dem
Bürokratiesumpf zu ziehen.
Was bietet die Union an Konzepten? In
Absprache mit den unionsregierten Ländern haben wir einen
grundlegenden Antrag erstellt, "Freiheit wagen-Bürokratie
abbauen". Es handelt sich dabei nicht um einen CDU-"Masterplan" -
das Gegenteil ist der Fall: Statt aneinander gereihter
Einzelankündigungen und neu eingerichteter zahlreicher
Arbeitskreise präsentiert die CDU/CSU zehn systematische
Kernvorschläge: Wir wollen im Deutschen Bundestag einen
Bürokratie-TÜV als Ausschuss. Dieser soll
Gesetzesfolgenabschätzung betreiben, denn Bürgern und
Unternehmen soll klar vor Augen gehalten werden, was neue Gesetze
für sie an Kosten bedeuten. Alle Gesetze und Verordnungen
sollen im Regelfall ein Verfallsdatum erhalten. Für ein neues
Gesetz sind zwei alte zur Abschaffung vorzuschlagen. Pro Jahr sind
etwa 250 Verwaltungsvorschriften abzuschaffen. Anstelle von
Genehmigungsverfahren soll es Anzeigenverfahren geben. Es gilt das
Prinzip zu verfolgen, "Bestehendes durchforsten und
Zukünftiges verhindern".
Die AG Bürokratieabbau arbeitet momentan
an einem zweiten Antrag, um in Fortsetzung des Grundsatzantrags nun
die wichtigsten Maßnahmen zu nennen. Es sind solche, die aus
unserer Sicht als Sofortmaßnamen zur Befreiung von Unternehmen
und Bürgern notwendig sind. Geplant ist es, diesen Antrag nach
der Sommerpause in den Deutschen Bundestag einzubringen.
Abgeschafft werden sollen beispielsweise das Verbandsklagerecht
oder die Doppelprüfungen in Unternehmen.
Erinnerung an Ludwig Erhard
Wir leben momentan in Zeiten, in denen das
Wort "Wirtschaftswunder" nur noch historischen Bezug hat. Was wir
brauchen, ist eine systematische Entbürokratisierung des
gesamten deutschen Regelwerkes. Allein die Entbürokratisierung
würde so manchen Unternehmer wieder mit Vertrauen in die
Zukunft blicken lassen. "Ich will mich aus eigener Kraft
bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will
für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge Du,
Staat, dafür, daß ich dazu in der Lage bin." Dieses Zitat
von Ludwig Erhard aus den Zeiten des Wirtschaftswunders gibt die
Richtung an, in die wir uns wieder bewegen müssen.
Der Autor ist Abgeordneter der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Zurück zur Übersicht
|