Kerstin Meier
Teamarbeit in Kleinbetrieben
Kooperationen im Handwerk
Noch vor zehn Jahren war es leichter, die
berühmte "Stecknadel im Heuhaufen" zu finden, als
funktionierende handwerkliche Netzwerke. Doch in den vergangenen
fünf Jahren hat das Thema in der Handwerksbranche deutlich an
Dynamik gewonnen. Immer mehr Betriebe wollen die Vorteile der
organisierten Zusammenarbeit nutzen. Nicht etwa, weil sie sich vom
Fusionsfieber der Großindustrie haben anstecken lassen.
Sondern sie haben erkannt, dass sie im Team mit anderen wesentlich
bessere Zukunftschancen haben.
Professor Günter Ebert,
Wettbewerbsexperte und Leiter des Instituts für Controlling in
Nürtingen, sieht in strategischen Kooperationen für die
meisten Betriebe sogar die einzige Überlebenschance: "Wo sich
früher zwei oder drei Firmen einer Branche den Markt
aufteilten, gibt es heute immer mehr Wettbewerber, die vor Ort um
den Kuchen streiten. Das Monopol oder die Garantie auf
Aufträge ist dadurch weg." Insofern sind nach seiner
Einschätzung auch die eher am Binnenmarkt agierenden
Handwerksbetriebe von der Globalisierung betroffen.
Denn dadurch gewinnt der Wettbewerbe eine
neue Qualität, mit der für die Betriebe unangenehmen
Folge, dass Dinge, die jahrelang prächtig funktionierten,
plötzlich nicht mehr klappen. Nach Eberts Einschätzung
bietet der Wegfall des Monopols jedoch auch Chancen für die
Betriebe, die flexibel sind und sich umstellen können und
wollen.
Kooperationen sind laut Ebert deshalb die
richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen des Wettbewerbs,
weil einerseits die Kompliziertheit der Produkte zunimmt,
andererseits der Kunde aber auch zunehmend Komplett-Lösungen
fordert. Weil die stärker werdende Konkurrenz die
Qualitätsansprüche nach oben treibt, müssen sich
gerade die Kleinbetriebe auf ihre Kernkompetenzen besinnen, um
mithalten zu können. Da der Kunde aber nicht nur
Qualität, sondern gleichzeitig auch Systemlösungen
fordert, kann ein Kleinbetrieb ohne Partner nicht beide Forderungen
gleichzeitig erfüllen.
Das Dilemma durch Wachstum oder Fusionen zu
lösen, ist nach Ansicht des Wettbewerbsexperten kein
praktikabler Ansatz für Klein- und Mittelbetriebe. Denn wer
von jedem etwas bietet, verwässert seine Kernkompetenz und
kann die Ansprüche nach Top-Qualität nicht mehr
erfüllen. Besser sind strategische Allianzen mit
gleichberechtigten Partnern, bei denen jeder seine Leistung im
Griff hat.
Qualität zu Festpreisen
Beispiel: Als Malermeister Klaus Braun 1997
ein Seminar zum Thema "Qualität und deren Präsentation"
besuchte, dachte er noch nicht an eine Kooperation. Doch beim
Besuch zahlreicher typischer Malerausstellungen entdeckten der
Wuppertaler Unternehmer und einige Kollegen immer den gleichen
Schwachpunkt: Nur mit künstlerisch gestalteten Wänden
lässt sich keinem Kunden ein wirkliches Raumgefühl
vermitteln.
Also gingen Braun und einige Kollegen auf
Partnersuche, um eine gewerkeübergreifende Präsentation
zu realisieren. 1999 wurde dann die Raumfabrik GmbH gegründet.
Eine, wie Braun betont, bewusst gewählte Rechtsform: "Durch
die enge juristische Bindung aneinander wollten wir den
Entwicklungsdruck der Kooperation sicher stellen."
Unter dem Motto "Handwerk mit Ideen" bietet
die Raumfabrik den Kunden die komplette Abwicklung bei Umbau,
Ausbau, Renovierung, Sanierung oder Neubau in Top-Qualität zu
überwiegend garantierten Festpreisen. Zentraler Bestandteil
ist das Mitdenken und Mitanpacken für das Vor- und Nachgewerk.
So ist es für den Sanitärpartner selbstverständlich,
dass er vor dem Montieren der Heizung die dahinter liegende
Wandfläche streicht. "Unser Ziel ist es, einen neuen
Handwerkertyp zu schaffen, der gewerkeübergreifend
qualifiziert ist", erklärt Initiator Klaus Braun. Inzwischen
zählt das Netzwerk 21 Betriebe aus neun Gewerken.
In der Praxis sind es natürlich nicht in
erster Linie die volkswirtschaftlichen Argumente, die die Betriebe
letztendlich vom Nutzen der Teamarbeit überzeugen. Da kann der
Markt förmlich nach Komplettlösungen schreien - hat der
Betrieb davon keinen Nutzen - oder konkret: mehr Umsatz und auch
Gewinn -, wird er sich zunächst wenig im Bereich Kooperationen
engagieren. Die wesentlichen Vorteile für den Betrieb in der
Reihenfolge ihrer Bedeutung sind:
Attraktivere Preise
Nach Schätzungen des Bochumer
Innovationsforschers Professor Erich Staudt kann ein
Zusammenschluss von Bauhandwerkern die Kosten für ein Projekt
um bis zu 30 Prozent gegenüber einer getrennten
Leistungserstellung reduzieren. Das als "teuer" geltende Handwerk
kann durch Kooperationen also auch dem Kunden bessere Preise bieten
und so manchen Auftrag von Generalunternehmern oder aus der
"Schwarzarbeit" zurückholen. Im Gegenzug ist der Kunde auch
bereit, für seinen Zusatznutzen einen höheren Preis zu
zahlen als bei der Einzelvergabe der Gewerke. Hinzu kommt, das sich
zwar die einzelnen Gewerke, nicht aber die Komplettangebote
vergleichen lassen. Wer im Pool der Kooperation mit anbietet, ist
dadurch raus aus der Vergleichbarkeit.
Immer mehr Kunden scheuen die als lästig
empfundene Koordination mehrerer Gewerke und verlangen Leistungen
aus einer Hand. Wer sich diesem Trend verschließt und seine
Handwerksleistung weiterhin isoliert anbietet, läuft Gefahr,
zunehmend Aufträge an Komplettanbieter zu verlieren.
Verschärft wird die Situation noch durch die schlechte
Konjunktur im Neubau: Weil sie dort nicht ausgelastet sind,
entdecken immer mehr Generalunternehmer den lukrativen
Renovierungs- und Privatkundensektor für sich und treten somit
unmittelbar als Wettbewerber der Klein- und Mittelbetriebe
auf.
Größere Aufträge
Der klassische handwerkliche Betrieb mit
durchschnittlich neun Mitarbeitern bleibt schon allein aus
Kapazitätsgründen bei vielen Aufträgen außen
vor. Oder muss sich als Subunternehmer mit Dumping-Preisen
begnügen. Als Mitglied einer Kooperation kann er sich zu
fairen Bedingungen an größeren Aufträgen beteiligen.
In diesem Zusammenhang gewinnen auch horizontale
Zusammenschlüsse an Bedeutung, bei denen sich Betriebe aus der
gleichen Branche in Netzwerken organisieren.
Besonders interessant an diesem Trend ist,
das in den teilweise bundesweit organisierten Netzen auch Betriebe
zusammenarbeiten, die vorher in Konkurrenz zueinander standen. Da
können die Vorteile horizontaler Zusammenschlüsse, die
neben der Abwicklung lukrativer Großaufträge vor allem
auch in gemeinsamen Einkauf und der Weiterbildung zu sehen sind,
sogar jahrelange Feindbilder verdrängen.
Neue Zielgruppen
Wer gemeinsam mit anderen im Team arbeitet,
profitiert naturgemäß von den Kundenkontakten seiner
Partner. Besonders interessant ist das bei Zusammenschlüssen,
wo neben den Handwerksbetrieben auch Handelsfirmen oder andere
Dienstleister im Team sind. Immer mehr Kooperationen im Baubereich
beziehen insbesondere auch die Finanzdienstleister in ihre
Netzwerke ein, um den Kunden eine wirklich komplette Leistung
anbieten zu können. Gleiches gilt auch für handwerksnahe
Gewerke wie etwa Gartenbauer.
Nach Recherchen der Fachhochschule Fulda gibt
es momentan bundesweit etwa 350 Kooperationen im Handwerk, wobei
sich Neugründungen und Auflösungen pro Jahr etwa die
Waage halten. In einem Forschungsprojekt zur
"Dienstleistungsqualität in Bauhandwerks-Kooperationen" hat
die TH Aachen im wesentlichen drei Gründe für das
Scheitern von Kooperationsmodellen ausgemacht:
- Nachlässigkeiten in der Kommunikation
und das dadurch entstehende Misstrauen,
- viele Unternehmer empfinden das Unterordnen
unter das Kooperationsziel als Einschränkung der
persönlichen Freiheit,
- die Schwächen einzelner werden im
Verbund schonungslos offen gelegt, was Abwehrreaktionen
hervorruft.
Nachdem die weichen Faktoren beim Thema
Teamarbeit also mindestens genauso wichtig - wenn nicht sogar
wichtiger - sind als Modelle und Verträge, dürfen sich
die Beratungsangebote der Handwerkskammern und Fachverbände
nicht im Bereitstellen von Infomaterial und Broschüren
erschöpfen. Ein individuelles Coaching, bis hin zu
Persönlichkeitstest in Sachen Teamfähigkeit, scheint nach
den Erfahrungen aus der Handwerkspraxis notwendig und sinnvoll zu
sein. Nur so hat die kleinbetrieblich strukturierte
Handwerksbranche auf Dauer eine Chance, ihren strategischen
Nachteil gegenüber den industriellen Großbetrieben
auszugleichen.
Die Autorin ist Redakteurin des "handwerk
magazin", München.
www.raumfabrik.de
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