Jens-Uwe Hopf
In jedem Handwerker steckt immer auch ein
Erfinder - so passgenau für die tägliche Praxis wie
möglich
Wie Innovationspotenziale nutzbar zu machen
sind
Handgabel-Hubwagen für den Transport von Paletten oder
Containern fahren seit bald 50 Jahren unverändert in so
ziemlich jedem Betrieb. Zweieinhalb Tonnen kann so ein Hubwagen bei
einem Gewicht von rund 100 Kilogramm tragen. Praktisch, aber schwer
und unhandlich und somit nicht zu transportieren.
Für Metallbaumeister Hans-Peter Borrmann aus Goch am
Niederrhein war das eine Herausforderung. Er meisterte sie und nun
gibt es ihn, den zerlegbaren Handgabel-Hubwagen. Patentiert unter
dem sinnigen Namen "NoStress", ist er von einer Person in
Sekundenschnelle ohne Werkzeug zu zerlegen und kann im Kofferraum
eines Autos transportiert werden. "Es gibt halt für jedes
Problem eine Lösung", sagt Borrmann. Das ist echter
Handwerker-Optimismus.
Die eigene innovative Produktentwicklung passgenau und
individuell für den Kunden - mit dieser Leistung behaupten
sich viele der insgesamt 850.000 deutschen Handwerksunternehmen am
Markt. Erfindungen sind dort fast schon Alltag - auch wenn es
selten um ganz neue Produkte geht. Die Stärke des Handwerks
liegt vielmehr in der Weiterentwicklung und kreativen
Neukombination bekannter Technologien. Ein Beispiel: Die Wartung
von Heizungsanlagen und zunehmend auch das Gebäudemanagement
sind nun von einer beliebigen Zentrale aus möglich - weil
Handwerksunternehmen Informations- und Kommunikationstechniken auf
eine neue Art und Weise eingesetzt haben.
Die Anwendung neuer Technologien wie Laser-, CAD-, Roboter- und
Kommunikationstechniken kann im Idealfall neue Märkte
eröffnen: Prozess- und Herstellungskosten werden reduziert,
Produkteigenschaften verbessert oder es werden gänzlich neue
Produkte entwickelt. So ist es beispielsweise bei den Kunststoffen
gewesen, die den Fensterbau, die Zahnprothetik sowie den Klima- und
Heizungsbau nachhaltig verändert haben.
Auch der Modellbau in seiner heutigen Form wäre ohne
Kunststoffe und Polymere noch immer auf Holz angewiesen. Keramiken,
auch mit piezoelektrischen Eigenschaften, ermöglichen
neuartige, leitungslose Installationsmöglichkeiten für
das Haus der Zukunft. Die Gesundheitshandwerke profitieren von der
Mikrosystemtechnik, wenn sie die Ergebnisse aus den Laboren der
Forschungseinrichtungen zur Miniaturisierung von Produkten und
Instrumenten konsequent nutzen. Zu den technologischen
Herausforderungen der Zukunft zählt die mobile oder auch
stationäre Brennstoffzellen-Technologie, die das Handwerk
nachhaltig verändern wird. Betriebe entwickeln sich zu
Energie-Dienstleistern.
Allerdings führen innovative Produkte oder Verfahren nicht
automatisch zu neuen Märkten - und damit zu Umsatzausweitung
und höheren Erträgen. Es ist eine Binsenweisheit, die
aber oft genug nicht beachtet wird: Erst die genaue Analyse des
Marktes, also der Bedürfnisse der Kunden, ermöglicht
erfolgreiche handwerkliche Innovationen. Für
zukunftsorientierte Handwerksunternehmen gibt es zwei Strategien:
Entweder sie sind selbst innovativ und entwickeln neue Verfahren
und Produkte, oftmals auch patentierte Lösungen. Oder sie
setzen neue Technologien und Werkstoffe in innovative Produkte und
Prozessinnovationen um. Dabei ist es unerheblich, ob Unternehmen
dabei auf Eigenentwicklungen setzen, also auf Produkte und
Verfahren, die durch Patente und Schutzrechte geschützt sind,
oder ob sie dazu industriell hergestellte Güter "individuell"
anpassen und weiterentwickeln.
Die Kooperation mit Fach- und Hochschulen ist für
innovative Handwerksunternehmen schon fast selbstverständlich.
So ist der Prototyp des zerlegbaren Handgabel-Hubwagens von Manfred
Blank, Arbeitsmediziner des Universitätsklinikums Essen, nach
ergonomischen Gesichtspunkten weiter entwickelt worden. Erfinder
Borrmann: "Die Gespräche mit Professor Blank haben dazu
geführt, dass es heute an dem zerlegbaren Hubwagen noch
ergonomisch angeordnete Hilfen und Griffe gibt, die beim Tragen und
Heben Wirbelsäulenverletzungen und Körperschäden
vermeiden helfen." Alles Kaufargumente für Borrmanns
Erfindung.
Sehr viele Handwerksunternehmer verfügen heute über
eigene Patente oder andere gewerbliche Schutzrechte. Der Weg von
der Idee über die Patentanmeldung bis zum marktfähigen
Produkt ist nicht immer ganz einfach, und deshalb helfen die
Technologietransfer- und Innovationsberater der
Handwerksorganisation. Durchgängige Innovationsberatungsketten
verbinden dabei die Kompetenzen von Beratern der
Handwerksorganisationen, Patentanwälten,
Finanzierungsinstituten, Marketingagenturen, Technologie- und
Vertragsspezialisten. Darüber hinaus stehen den Betrieben mehr
als 800 betriebswirtschaftliche und technische Berater zur Seite.
Rund 1.200 Unternehmen wurden bei dem unlängst beendeten
Projekt "Erfinderförderung im Handwerk" unterstützt.
Ergebnis: mehr als 100 Patente und weitere gewerbliche
Schutzrechte.
Weil aber insbesondere viele kleinere Unternehmen, wie sie
für das Handwerk typisch sind, ihre Innovationspotenziale noch
nicht nutzen können, stehen mehr als 500
Berufsbildungseinrichtungen des Handwerks bereit, Unternehmer und
ihre Mitarbeiter zu qualifizieren. Zeitgemäßes
Führungswissen, Ideenmanagement, innovative Arbeitsgestaltung,
Mitarbeitermotivation sowie Einsatz neuer Technologien sind nur
einige der angebotenen Bildungsmaßnahmen. Damit sollen auch
kleine Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Ideen in
innovative Produkte und Leistungen umzusetzen und sie am Markt zu
erproben. Erfreulicher Nebeneffekt: Zahlreiche neue
Arbeitsplätze werden so geschaffen.
Mehr Jobs möchte auch Metallbaumeister Borrmann schaffen.
180 "NoStress" Handgabel-Hubwagen sind bereits gefertigt, fast die
Hälfte davon verkauft. Da allein in der EU jährlich etwa
600.000 Handgabel-Hubwagen verkauft werden, erhofft sich Borrmann
für seine Erfindung eine deutliche Steigerung des
Marktanteils. Mutig visiert er zehn Prozent an. Der erfolgreiche
Unternehmer macht anderen Handwerkern Mut: "Jeder kann ein Erfinder
sein." Jens-Uwe Hopf
Der Autor ist Referent der Abteilung Gewerbeförderung beim
Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin.
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