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Klaus Walter
Viel Geld macht auch nicht immer
glücklich
Mecklenburg-Vorpommern: Werftenhilfe des Bundes
bringt Haushälter in Not - Änderung des
Finanzierungschlüssel angestrebt
Im Schiffbau ist der Aufbau Ost gelungen: Mecklenburg-Vorpommern
hat die modernsten Werften Europas. Der Preis für die
Fördermittel in Milliardenhöhe, die der Bund zum Erhalt
der Ostwerften mit Genehmigung Brüssels zwischen 1993 und 1995
nach Wismar, Rostock, Stralsund und Wolgast pumpte, war eine
Produktionsbeschränkung für die Ostwerften um 40 Prozent
- zum Schutz der anderen deutschen und europäischen Werften.
Trotz der Beschränkungen funktioniert der Schiffbau: 2003
steuerte ein volles Drittel zum Gesamtexporterlös
Mecklenburg-Vorpommerns bei. Die Zehnjahressperre, verhängt
von den Wettbewerbshütern der EU, fällt Ende 2005. Dann
erwarten die Werften im Nordosten einen Produktionsschub von
mindestens 20 Prozent. Vorausgesetzt, es können überhaupt
so viele Aufträge an Land gezogen werden.
Im Rennen um die Gunst der Reeder macht den Schiffbauern im
Osten aber weniger Brüssel zu schaffen, sondern vielmehr die
Konkurrenz aus Fernost. Vor allem die koreanischen Werften
unterbieten mit staatlich subventionierten Dumpingpreisen die
europäischen Produzenten. Die Preise der Koreaner liegen
derzeit um 20 Prozent und mehr unter denen der Ostseewerften und
erreichen oft nicht einmal den Materialwert.
Das Problem ist lange bekannt, ein Verfahren der
Welthandelsorganisation WTO gegen Südkorea läuft seit
2002. Für die Verfahrensdauer hatte die EU-Kommission
Schutzmaßnahmen eingeführt: Für Containerschiffe,
Produkt-, Chemikalien- und Flüssiggastanker, die bis zum 31.
März 2004 akquiriert und bis zum 31. März 2007
ausgeliefert werden, hat die EU nationale Werftenhilfen in
Höhe von sechs Prozent des Auftragsvolumens zugelassen. In
Deutschland teilen sich Bund und Länder diese Hilfen im
Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel.
Werften bis 2006 ausgelastet
Im vergangenen Jahr flossen insgesamt 67,5 Millionen Euro an die
Werften in Mecklenburg-Vorpommern. 36 Neubauaufträge in einem
Gesamtwert von über einer Milliarde Euro konnten so
unterstützt und damit die Auslastung der Werften bis Anfang
2006 gesichert werden: inklusive der rund 4.500
Werftarbeitsplätze. Waren diese Hilfen ursprünglich bis
März 2004 befristet - bis dahin sollte das WTO-Verfahren
abgeschlossen sein - verlängerte die EU diese Regelung Anfang
des Jahres um ein weiteres Jahr. Im Juni legte dann auch die
Bundesregierung finanziell nach. Statt der für 2004 geplanten
neun Millionen Euro stehen nunmehr 45 Millionen Euro
Schiffbauhilfen bereit. Georg Wilhelm Adamowitsch,
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Koordinator
der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, ist erfreut:
"Zusammen mit der erforderlichen Kofinanzierung durch die
Länder schaffen wir damit die Voraussetzungen, dass die
deutschen Werften in diesem Jahr ein Auftragsvolumen von rund 2,1
Milliarden Euro akquirieren können."
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Otto Ebnet (SPD)
sieht das mit gemischten Gefühlen. "Die Hilfe des Bundes ist
erfreulich", sagt Ebnet, "finanziell aber stehen wir als Land nun
vor einem Riesenproblem. Wir müssten die doppelte Summe, die
wir vom Bund erhalten können, als Kofinanzierung drauflegen."
In Zahlen wird die Dimension von Ebnets Problem deutlich: Statt der
sechs Millionen Euro, die Mecklenburg-Vorpommern für die
Werftenhilfe 2004 geplant hat, müsste das Land noch einmal 49
Millionen drauflegen, wenn es alle für zugedachten Gelder
abrufen wollte.
"Unmöglich", sagt Mecklenburg-Vorpommerns Finanzministerin
Sigrid Keler (SPD). "Der Haushalt ist vollständig ausgereizt."
Die Kreditobergrenze sei erreicht, weitere Einsparungen zu Lasten
anderer Ressorts seien nicht mehr durchsetzbar. Ganze drei
Millionen Euro zusätzlich will die Ministerin nun locker
machen: erkauft mit Kürzungen im sozialen Bereich und in
Erwartung von Steuermehreinnahmen im kommenden Jahr. Diese Summe
jedenfalls hat das Kabinett in den Entwurf des Nachtragshaushaltes
geschrieben, dem der Landtag aber noch zustimmen muss.
Angesichts der nunmehr lediglich neun Millionen Euro, die die
rot-rote Landesregierung ausgeben will, sieht die Opposition den
ganzen maritimen Wirtschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern in
Gefahr. "10.000 Arbeitsplätze bei Werften und Zulieferern
stehen auf dem Spiel", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der
CDU-Landtagsfraktion, Ulrich Born. Unbestritten sei, dass die
finanzielle Unterstützung bis zum Wegfall der
Kapazitätsbegrenzungen ein "finanzieller Kraftakt" seien. Doch
seien entsprechende Maßnahmen "alternativlos". Sein
Fraktionskollege, der finanzpolitische Sprecher Wolfgang Riemann,
wettert: "Während Rot-Rot das Geld für Gutachter und
Beraterverträge mit vollen Händen zum Fenster
hinauswirft, bringt die Regierung mit ihrer Haltung den einzig
funktionierenden Industriezweig des Landes in Existenznot."
Der Schiffbau, der mit seinen Kunden angesichts der Situation
auf dem Weltmarkt um jeden Cent bei der Preisgestaltung ringen
muss, sieht das ähnlich. Die Aker-Ostsee-Werften in Wismar und
Rostock-Warnemünde - sie gehören mehrheitlich zum
norwegischen Aker-Konzern - konnten sich erst kürzlich im
Vertrauen auf die Beihilfe sechs Neubauaufträge im Wert von
197 Millionen Euro sichern. Werftchef Jürgen Kennemann ist
enttäuscht: "Die zur Verfügung stehenden neun Millionen
decken nicht einmal die bisher akquirierten Auftrage ab."
Insgesamt haben die Werften im Nordosten zurzeit 28
Aufträge im Wert von rund 2,3 Milliarden Euro akquiriert, die
unter die Hilfe-Regelung fallen. Nur für 18 Aufträge ist
bisher Werftenhilfe im Landeshaushalt berücksichtigt. Keler
und Ebnet wollen nun versuchen, die Förderquote von ein
Drittel zu zwei Drittel zu Gunsten der Nordländer umzukehren.
So sei es auch bis 1993 bei der Schiffbauhilfe gewesen, erinnert
Ebnet. Der Bund habe zwei Drittel gegeben, die Länder ein
Drittel. Bis 1994 sei halb und halb finanziert worden. 1995
hätten Bund und Länder 40 zu 60 geteilt, und erst seit
1996 gelte die jetzige Regel. Wirtschaftsminister Otto Ebnet: "Es
ist also keine starre Teilung."
Unterstützung haben Ebnet und Keler von
Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD). Seine
Argumentation: Längst nicht alle Zulieferer der deutschen
Werften säßen in den Küstenländern. "Daher ist
die Schiffbaubeihilfe Sache des ganzen Landes", sagt der
Regierungschef. Die Zulieferer in Süd- und Mitteldeutschland
hätten bisher einseitig von dem finanziellen Engagement des
Nordens profitiert. Wenn jetzt das Engagement des ganzen Landes
gefragt sei, sei dies nur gerecht.
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