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Das Vermittlungsverfahren

Der Vermittlungsausschuss ist ein aus Bundestag und Bundesrat gemischt zusammengesetztes Gremium. Er besteht aus 16 Abgeordneten des Bundestages, die nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammengesetzt werden, und 16 Mitgliedern des Bundesrates (1 Mitglied für jedes Bundesland, wobei diese Mitglieder im Gegensatz zu den Beschlüssen des Bundesrates hier nicht an Weisungen ihrer Landesregierungen gebunden sind). Der Vorsitz wechselt vierteljährlich zwischen einem Bundestags- und einem Bundesratsmitglied. Die Sitzungen des Vermittlungsausschusses sind streng vertraulich; auch seine Sitzungsprotokolle dürfen erst in der übernächsten Wahlperiode nach der jeweiligen Sitzung - also frühestens 5 Jahre später - eingesehen werden. Diese strikte Vertraulichkeit wird damit begründet, dass die Mitglieder anderenfalls nicht in der Lage wären, durch gegenseitiges Nachgeben einigungsfähige Kompromisse zu erzielen, sondern von ihren jeweiligen Ländern oder politischen Parteien unter Druck gesetzt und zur Unnachgiebigkeit gezwungen würden.

An der Häufigkeit, mit der der Vermittlungsausschuss tätig wird, können nicht nur Regelungskonflikte zwischen Bund und Ländern abgelesen werden, sondern zum Teil auch die politische Konstellation auf Bundesebene. Weist der Bundesrat eine andere politische Mehrheit auf als der Bundestag, wird die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und damit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses höher sein, als wenn die Mehrheiten in beiden Organen übereinstimmen. So hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss in der 7. Wahlperiode (1972 - 1976, Sozialliberale Koalition) 96 mal und in der anschließenden 8. Wahlperiode 69 mal angerufen, während in der 10. Wahlperiode von 1983 - 1987 (CDU/CSU-FDP-Koalition) der Ausschuss nur in 6 Fällen angerufen wurde. Während dieses gesamten Zeitraums konnten die unionsgeführten Landesregierungen eine Mehrheit im Bundesrat bilden. In der 12. und 13. Wahlperiode hatten Vermittlungsverfahren wieder zugenommen, nachdem auf Grund von Landtagswahlergebnissen die von CDU oder CSU geführten Landesregierungen im Bundesrat keine Mehrheit mehr bildeten. In der 14. Wahlperiode ist der Vermittlungsausschuss in 75 Fällen angerufen worden, davon 66 mal vom Bundesrat. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, dass der Vermittlungsausschuss je nach politischer Konstellation gleichsam mutwillig angerufen würde. Vielmehr spiegeln sich darin die unterschiedlichen Konzepte der politischen Parteien für die Politik im Bund und in den einzelnen Ländern sowie die Tatsache, dass natürlich auch der Bundesrat ein politisches Organ ist.

Zweck des Vermittlungsverfahrens ist es, das betreffende Gesetz so umzuarbeiten, dass Bundestag und Bundesrat der geänderten Fassung gleichermaßen zustimmen können. Voraussetzung wird dafür häufig sein, dass beide Seiten Abstriche an ihren Idealvorstellungen machen; Bundestag und Bundesregierung werden den Ländern in einigen Punkten entgegenkommen, während diese in anderen Punkten sich mit den Regelungsabsichten des Bundestages abfinden müssen. Das Ergebnis der Beratungen ist der "Einigungsvorschlag" des Vermittlungsausschusses an Bundestag und Bundesrat.

* Beispiel für den Einigungsvorschlag des Vermittlungssausschusses

Der Vermittlungsausschuss war hier also zu einem Einigungsvorschlag gekommen. Dieser sah vor, das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts nach Maßgabe einer Reihe von Einzelvorschlägen zu ändern, die in einer Anlage zu der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zusammengefasst waren.

Wenn der Vermittlungsausschuss eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorschlägt, hat der Bundestag erneut Beschluss zu fassen (sog. "vierte Lesung"). Formell ist er frei, wie er sich nun entscheiden will. Praktisch weiß aber der Bundestag, dass eine Ablehnung des Vermittlungsvorschlages bedeuten könnte, dass dann der Bundesrat - je nach Art des Gesetzes - Einspruch einlegen oder seine Zustimmung verweigern würde, mit der Folge, dass im ersteren Fall versucht werden müsste, die erforderliche absolute oder sogar doppelt qualifizierte Mehrheit zur Zurückweisung des Einspruchs aufzubieten (was gar nicht immer ganz leicht ist), während im zweiten Fall das Gesetz endgültig scheitern würde. Der Bundesrat, der sich nach der "vierten Lesung" im Bundestag abschließend mit dem Gesetz befassen muss, kann einen Vermittlungsvorschlag ablehnen und - je nach Art des Gesetzes - Einspruch einlegen bzw. die Zustimmung verweigern, oder er kann ihn annehmen und beschließen, dem Gesetz zuzustimmen bzw. von einem Einspruch abzusehen.

Im Bundestag gelten bei der Abstimmung über einen Vermittlungsvorschlag Besonderheiten. Zum einen kann der Vermittlungsausschuss nach seiner Geschäftsordnung, die eigens für dieses Verfahren vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen wurde, bestimmen - und er bestimmt dies meistens, so auch in unserem Beispielsfall -, dass der Bundestag über den Vermittlungsvorschlag nur im Ganzen abstimmen kann. Damit soll verhindert werden, dass im Bundestag der einen Regelung zugestimmt, die andere abgelehnt und damit der gefundene Kompromiss wieder zerstört wird, so dass die andere Seite nicht zustimmen kann. Zum anderen findet im Bundestag keine Debatte über den Vermittlungsvorschlag statt; zulässig sind lediglich Erklärungen der Fraktionen.

In dem hier behandelten Beispiel wurde in der Beratung des Bundestages über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses weder vom Berichterstatter noch von einer Fraktion zum Zweck einer Erklärung das Wort verlangt. Daher wurde sogleich, und zwar gemeinsam über alle Änderungsvorschläge des Ausschusses, abgestimmt und diese mit Mehrheit angenommen.

* Beispiel für die Beratung des Änderungsvorschlages im Bundestag

Auch der Bundesrat stimmt der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu, und zwar einstimmig, wie sich aus dem in Folgendem abgedruckten Auszug aus dem Stenographischen Bericht der 777. Sitzung des Bundesrates vom 21. Juni 2002 ergibt. Der Stenographische Bericht zeigt auch, dass nach der Berichterstattung über das Vermittlungsverfahren durch ein Mitglied des Bundesrates noch dem Bundesminister des Innern das Wort erteilt wurde. Wie im Bundestag und in seinen Ausschüssen haben Mitglieder der Bundesregierung auch im Bundesrat und dessen Ausschüssen jederzeitiges Rederecht.

* Beispiel für den Einspruch des Bundesrates

Nachdem der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hatte, konnte es endgültig in Kraft gesetzt werden (s. u. Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes).

Wenn es sich bei dem Gesetz nicht um ein Zustimmungsgesetz, sondern um ein Einspruchsgesetz gehandelt hätte, wäre das Verfahren nach der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat und nach Vorliegen des Einigungsvorschlages des Vermittlungsausschusses folgendermaßen gewesen: Auch hier hätte sich zunächst der Bundestag in "vierter Lesung" (s.o.) mit dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses befassen müssen. Bei Annahme des Einigungsvorschlages durch den Bundestag hätte dann der Bundesrat darüber befinden müssen, ob er das Gesetz in der durch den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses geänderten Form akzeptieren will und deshalb davon absieht, innerhalb einer Frist von zwei Wochen gegen das Gesetz Einspruch einzulegen. Dann wäre das Gesetz zustande gekommen. Bei einem Einspruch des Bundesrates gelten für das weitere Verfahren im Bundestag, die sog. "fünfte Lesung", wiederum besondere Regeln: Ein Antrag auf Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates kann nur von einer Fraktion oder von Abgeordneten in Fraktionsstärke - derzeit also 31 Abgeordnete - gestellt werden. Vor der Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs findet keine Aussprache statt; es können aber Erklärungen abgegeben werden, in denen die Fraktionen ihren Standpunkt darlegen. Und weil für die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates im Bundestag absolute Mehrheit bzw. sogar eine doppelt qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, wenn der Bundesrat den Einspruch mit zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen hat, sieht die Geschäftsordnung vor, dass die Abstimmung durch Zählung der Stimmen (sog. "Hammelsprung") oder im Wege namentlicher Abstimmung zu erfolgen hat. Denn nur so kann sicher festgestellt werden, ob die für die Zurückweisung des Einspruchs erforderliche Mehrheit vorhanden war. Für eine absolute Mehrheit sind derzeit bei einer Gesamtmitgliederzahl von 603 Abgeordneten 302 Stimmen erforderlich; die doppelt qualifizierte Mehrheit, auf die es ankommt, wenn der Bundesrat den Einspruch mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat, bedeutet, dass im Bundestag eine Mehrheit von zwei Dritteln der Abstimmenden erforderlich ist, die jedoch mindestens die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl - also 302 - ausmachen muss. Diese Mehrheiten sind nicht so leicht zu erreichen, insbesondere dann nicht, wenn die Opposition einem Gesetz nicht zugestimmt hat und deshalb auch kaum dazu beitragen wird, dieses von ihr nicht gewollte Gesetz nun gegen den Bundesrat durchzusetzen. Die Mehrheitsfraktionen des Bundestages müssen in einem solchen Fall dafür sorgen, dass ihre Mitglieder möglichst vollzählig an der Abstimmung teilnehmen, um die erforderliche Mehrheit zu erreichen. Deshalb wird in der parlamentarischen Praxis in solchen Fällen regelmäßig namentliche Abstimmung gem. § 52 der Geschäftsordnung verlangt. Dabei genügt es nicht, durch Handaufheben die Mehrheit festzustellen; vielmehr geben alle Abgeordneten eine Abstimmungskarte mit Namen und ihrem Votum (Ja, Nein, Enthaltung) ab, und im Plenarprotokoll wird das Abstimmungsverhalten eines jeden Abgeordneten veröffentlicht. Zudem wird die Nichtteilnahme an einer solchen Abstimmung durch einen Abzug von der Entschädigung geahndet. Sowohl dies als auch die politische Öffentlichkeitswirkung sorgen in der Regel für eine starke Beteiligung an der Abstimmung. Wird bei Einspruchsgesetzen auf diesem Wege der Einspruch des Bundesrates durch den Bundestag zurückgewiesen, ist das Gesetz zustande gekommen und kann in Kraft gesetzt werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/gesgeb/15vermverf
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