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November 04/1998
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Thierse sieht seine Wahl als Beitrag zur Einheit

(bn) Als ein "historisches Datum" hat es der neue Bundestagspräsident, der SPD-Politiker Wolfgang Thierse, bezeichnet, "daß ein ehemaliger Bürger der DDR dieses Amt übertragen bekommt". Zum erstenmal sei ein Ostdeutscher in eines der hohen Ämter der gemeinsamen Republik gewählt worden, unterstrich Thierse in der konstituierenden Sitzung des 14. Deutschen Bundestages am 26. Oktober.
Acht Jahre nach der staatlichen Vereinigung sei dies "ein Akt demokratischer Normalisierung in den immer noch nicht ganz konflikt- und vorurteilsfreien ost-westdeutschen Verhältnissen, ein Schritt im Prozeß, den ,innere Vereinigung' zu nennen wir uns angewöhnt haben", erklärte der Bundestagspräsident.
Er sehe sich als "ein Repräsentant meiner ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger", fügte Thierse hinzu und erinnerte daran, daß er weder ein Leben lang ein Widerstandskämpfer gegen die SED-Herrschaft gewesen sei noch sich habe jemals mit dieser Herrschaft identifizieren können oder wollen. "Darin stehe ich vermutlich für eine große Mehrheit meiner Landsleute in den ostdeutschen Ländern."
Nach den Worten des Bundestagspräsidenten ist eine Voraussetzung für ein Gelingen der "vielbeschworenen inneren Einheit" die Gleichberechtigung, die "erst durch die Anerkennung von Unterschieden, durch den Respekt vor andersartigen Biographien ermöglicht wird". Der neue Bundestagspräsident dankte seiner Vorgängerin. Rita Süssmuth habe "Maßstäbe gesetzt". Dem Bundestag habe sie "fair und klar" präsidiert und seine Arbeit in der Öffentlichkeit "werbend, konsensbildend, über den tagespolitischen Streit hinausweisend und gleichwohl entschieden politisch" repräsentiert.
Den Umzug des Bundestages nach Berlin bezeichnete Thierse als "eine Konsequenz aus der wiedergewonnenen Einheit". Er widersprach der Darstellung, mit dem Umzug kehre der Bundestag Bonn den Rücken.
Als eines der "notwendigen und wichtigen Motive unserer Arbeit in den nächsten vier Jahren" bezeichnete Thierse mit einer Formulierung von Jürgen Habermas "die Einbeziehung des Anderen". Der Umgang mit kulturellen, ethnischen, religiösen, sozialen und Geschlechter-Differenzen werde ein Ausweis dafür sein, wie modern und europäisch Deutschland sei und "dieses Parlament unser Land macht".
Thierse betonte weiter: "Wir wollen gute Nachbarschaft anstreben und fortsetzen mit den anderen europäischen Völkern auf dem Weg zum Europa der Bürger." Die Beziehungen zwischen den Parlamenten könnten einen Beitrag zu dieser guten Nachbarschaft leisten.
An die Abgeordneten appellierte er, "parlamentarisch das überzeugend" vorzuleben, was die Demokratie sei, "energische Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Interessen, Meinungen, Ansprüchen und zugleich die Bereitschaft, die Fähigkeit zum Kompromiß, zum Konsens".
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9804/9804017b
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