Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Dezember 1998, Nr. 5/98, Inhalt >
Dezember 05/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Die Arbeit der Ausschüsse

Ein wesentlicher Teil der Arbeit der Bundestagsabgeordneten - das Erarbeiten und Diskutieren der Gesetzeswerke und parlamentarischen Initiativen - findet nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen des Bundestages statt. In diesen Gremien wird erarbeitet, was im Plenarsaal debattiert und beschlossen wird. Soeben haben sich die Ausschüsse für die neue Legislaturperiode bis 2002 konstituiert. Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages hat an diesem Tag hohen Besuch. Gleich nach seiner Konstituierung kommen Außenmini-ster Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) zu den Abgeordneten, die sich im Bundestag dem Fachbereich der Auswärtigen Beziehungen widmen. Die beiden Minister sollen den Volksvertretern im Abgeordnetenhochhaus, dem "Langen Eugen", einen Bericht zur Lage in der jugoslawischen Provinz Kosovo geben. Am Nachmittag soll im Plenum des Bundestages der Einsatz der Bundeswehr bei der Luftüberwachung des Kosovo debattiert und beschlossen werden.
Doch ein anderer Krisenherd schiebt sich aus aktuellem Anlaß im Auswärtigen Ausschuß in den Vordergrund: Die USA drohen dem irakischen Diktator Saddam Hussein mit einem Militärschlag und treffen dafür konkrete Vorbereitungen. Auf diese Weise wollen sie Saddam Hussein zwingen, die Beschlüsse des UN-Weltsicherheitsrates einzuhalten und die UNO-Inspektoren ihre Arbeit im Irak tun zu lassen.
Fischer, der über Informationen aus erster Hand verfügt und in Kontakt mit seinen Amtskollegen steht, legt den Abgeordneten den Ernst der Lage dar. Die Öffentlichkeit ­ Besucher, Fernsehkameras und schreibende Journalisten ­ darf an Sitzungen der Bundestags-Ausschüsse in der Regel nicht teilnehmen. Deshalb kann der Außenmini-ster ­ selbstverständlich vertraulich ­ die Situation freimütiger und frei von diplomatischen Zwängen schildern. Mit Hilfe der Einschätzungen des Außenministers sind die Abgeordneten in der Lage, das Geschehen, über das sie in Zeitungen und Nachrichten-agenturen lesen, besser zu verstehen und politisch zu kontrollieren. Über die Beratungen und Beschlüsse der meisten Ausschüsse berichten fortlaufend Redakteure im Pressezentrum des Deutschen Bundestages, in dem aktuellen Informationsdienst des Parlaments "heute im Bundestag" sowie in der Rubrik "Aus Plenum und Ausschüssen" im "Blickpunkt Bundestag ­ Forum der Demokratie".

Neue Ausschüsse eingerichtet

Die erste Sitzung des Auswärtigen Ausschusses in dieser Legislaturperiode ist ein typisches Beispiel für die Arbeit aller 23 Fachausschüsse des Bundestages. Sie sind überwiegend spiegelbildlich zu den Mini-sterien der Regierung eingerichtet. Neu sind diesmal der Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder und der Ausschuß für Kultur und Medien. Die Belange von Menschenrechten, die bisher in einem Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses angesiedelt waren, werden künftig in dem Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe behandelt.
In diesen 23 Fachausschüssen findet eine effektive Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament statt, so wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist. "Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen", heißt es im Artikel 43 Abs. 1 des Grundgesetzes. Und im nächsten Absatz: "Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit gehört werden."

Hauptsitzungstag

In der Regel kommen die Ausschüsse mittwochs morgens in den Sitzungswochen zusammen. Nicht ungewöhnlich sind jedoch auch kurzfristig einberufene Sondersitzungen, wenn eine dringende Angelegenheit ansteht. Auf den häufig langen Tagesordnungen stehen sowohl Anträge als auch die Gesetzesvorhaben, die die Bundesregierung, der Bundesrat oder eine der fünf Bundestagsfraktionen in den Bundestag eingebracht haben. Jedes Gesetzesvorhaben wird vom Plenum des Bundestages in die Ausschüsse zur Beratung verwiesen. Dort beschäftigen sich die Fachpolitiker mit den Details. Das kann manchmal binnen weniger Tage geschehen, bisweilen aber auch Monate oder sogar Jahre dauern. Ohne daß dafür ein Antrag oder Gesetzentwurf vorliegen muß, haben die Ausschüsse im Zuge der sogennaten Selbstbefassung die Möglichkeit, zum Beispiel Themen, mit denen sie sich beschäftigen wollen, selber zu bestimmen, oder Minister einzuladen, um diese zu befragen.

Proporzregelung

Die Ausschüsse umfassen 15 bis 42 Abgeordnete. Jede Bundestagsfraktion ist entsprechend ihrer Stärke im Bundestag vertreten. Auch die Zahl der Ausschußvorsitzenden wird diesem Proporz entsprechend verteilt.
Der Finanzausschuß muß sich in diesen Wochen sogleich mit mehreren großen Projekten beschäftigen. Die Bundesregierung hat die umfangreichen Gesetzentwürfe zur Steuerreform und zur Einführung einer Ökosteuer eingebracht. In den nächsten Wochen sollen mehrere Steuersenkungen, die Erhebung einer Stromsteuer und die Erhöhung der Steuern auf Heizöl und Gas debattiert werden. Im neuen Jahr geht es weiter mit dem nächsten Teil der Steuerreform.
In ihren Sitzungen diskutieren die Abgeordneten, ob die geplanten Maßnahmen sinnvoll sind oder ob es Alternativen gibt. Die Abgeordneten haben vorher die Themen, die im Ausschuß beraten werden, in den Arbeitskreisen ihrer Fraktionen besprochen. Dadurch stellen sie sicher, daß ihre Fraktionen hinter den Vorschlägen stehen, die sie im Ausschuß machen. Zwischen der Regierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen ­ seit Herbst 1998 SPD und Bündnis 90/Die Grünen ­ besteht meistens Übereinstimmung. Aber häufig bringen auch Koalitionsabgeordnete Änderungswünsche ein und setzen sie durch. Die Vertreter der Oppositionsparteien bringen meist eigene Anträge ein. Sie können eigentlich nur darauf hoffen, die Mehrheit im Ausschuß oder die Bundesregierung von ihren Vorschlägen zu überzeugen. Auch dieses geschieht.

Anhörungen

Häufig laden Ausschüsse Sachverständige zu öffentlichen Anhörungen ein. Dort tragen Experten oder Vertreter von Verbänden ihre Positionen zum jeweiligen Gesetzentwurf vor. Deren Stellungnahmen fließen in die Meinungsbildung der Abgeordneten ein. Das Recht, eine öffentliche Anhörung zu beantragen, ist ein Minderheitenrecht; es genügt dazu ein Viertel der Ausschußmitglieder.
Wenn ein Gesetzentwurf in den Ausschüssen fertig beraten und abgestimmt ist, geht er zurück an das Plenum des Bundestages. Dieser Entwurf ist durch die Arbeit der Ausschüsse mehrheitsfähig gemacht worden. Die abschließende Diskussion im Plenum vor allen Abgeordneten macht die Arbeit der Ausschüsse und ihr Ergebnis im "Forum der Nation", dem Plenum, öffentlich. Die Opposition hat hier die Chance, ihre Kritik öffentlich zu präzisieren und sich dadurch selbst dem Wähler als Alternative zu empfehlen.

Arbeitsatmosphäre

Hinter verschlossenen Türen gehen die Abgeordneten, gleichgültig welcher Partei sie angehören, meist sachlicher und weniger streitlustig miteinander um, als wenn sie den Anblick einer Fernsehkamera gewärtigen. In der Regel herrscht nüchterne Arbeitsatmosphäre.
Deshalb stoßen Bemühungen, die Ausschüsse für die Öffentlichkeit zu öffnen, auf Zurückhaltung bei vielen Abgeordneten. Von dem Vorhaben erhoffen sich viele, daß die Medien stärker von der alltäglichen Arbeit des Bundestages berichten und nicht nur über die Diskussionen im Plenum. Doch die Ausschüsse sind noch zurückhaltend. Sie möchten nicht, daß die Arbeitsatmosphäre in den Ausschüssen leidet, sobald die Medien in den Sitzungen Einzug halten. Hierbei spielt auch eine Rolle, daß die Berichterstattung der Medien die Kompromißfindung in den Ausschüssen erschweren könnte.

"Königsausschuß"

Als "Königsausschuß" des Parlaments gilt der Haushaltsausschuß, der im Grundgesetz (Artikel 109) verankert ist. Kein anderer Ausschuß kann die Kontrolle der Regierung so unerbittlich betreiben: Jede der fast 500 Milliarden Mark, die die Bundesregierung jährlich ausgibt, muß vom Haushaltsausschuß und vom Plenum genehmigt werden, bevor sie freigegeben werden darf. Das geht vom milliardenschweren Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit bis zur Anschaffung neuer Bürostühle im Bundesverwaltungsamt. Die "Haushälter", wie sie im Bonner Parlamentsjargon genannt werden, sind sich ihrer Macht bewußt und gelten noch immer als besondere Spezies unter den Abgeordneten. Ob Minister oder Abgeordnete ­ alle müssen zu den "Haushältern", wenn sie Geld für ihr Anliegen wollen. Die Abgeordneten im Haushaltsausschuß leisten Schwerarbeit, manchmal in 15stündigen Sitzungen.
Von besonderer Bedeutung ist auch der Petitionsausschuß. Nach Artikel 17 des Grundgesetzes hat jedermann das Recht, Bitten und Beschwerden an den Bundestag zu senden. Alle Eingaben ­ jedes Jahr viele tausend ­ werden vom Petitionsausschuß diskutiert und beantwortet. Nicht selten werden aufgrund von Bitten von Bürgern an den Petitionsausschuß anschließend Gesetzesänderungen vorgenommen.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805070
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion