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April 04/2001
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tagesläufe

Nur die Landschaft ist geschenkt

Natürlich gibt es sie, die bayerische Gemütlichkeit, aber nicht an einem Arbeitstag im Wahlkreis. Der Wahlkreis des CSU-Abgeordneten Peter Ramsauer ist 3.000 Quadratkilometer groß. Die Voraussetzungen für lange Arbeitstage und spannende Tagesprogramme sind also bestens.

Der Wahlkreis Nummer 211 ist ein Geschenk des Himmels.

Der Königssee.
Der Königssee.

Der Abgeordnete Peter Ramsauer ist ein Glückspilz. Denn sein Wahlkreis, der ganz unspektakulär die Nummer 211 hat, ist ein Geschenk des Himmels. Selbst überzeugte Flachländer bekommen eine kleine Sehnsucht angesichts der hohen Berge, die den Wahlkreis Traunstein markieren. Die sehen wirklich aus wie auf den Postkarten, die Freunde manchmal aus dem Urlaub senden. Und der Chiemsee ist auch in Natura ein Schmuckstück in der Landschaft. Und am Ufer des Königssees beginnt man sich zu fragen, warum die schönen Dinge des Lebens manchmal so ungerecht verteilt sind. Und wenn man dann erst hoch oben, am Götschen, den Ski- und Snowboardfahrern zusieht, kommt einem vielleicht die Idee, dass dem Abgeordneten Ramsauer die Arbeit in seinem Wahlkreis so leicht fallen muss wie sie einem Minister für Ernährung im Schlaraffenland fallen würde. Aber wenn man das denkt, tut man dem Abgeordneten Unrecht. Nach einem langen Arbeitstag im Wahlkreis weiß man: Landschaft bekommt man geschenkt. Alles andere ist Arbeit. Und nicht zu wenig.

Ramsauer (rechts) mit Oberstleutnant Hoppe von den Gebirgsjägern.
Ramsauer (rechts) mit Oberstleutnant Hoppe von den Gebirgsjägern.

Der Tag beginnt am Abend zuvor. Da überkommt Peter Ramsauer in seinem Berliner Abgeordnetenbüro eine Ahnung. Er hat den ersten Flug Berlin-München für den kommenden Morgen gebucht, und will von da mit dem Auto weiter in sein Wahlkreisbüro nach Traunwalchen. Der erste Termin ist für 8.30 Uhr festgemacht. Peter Ramsauer hat so ein Gefühl, dass es besser sein könnte, noch am Abend zu fliegen. Und so steigt er spät am Donnerstag in die letzte Maschine und kommt in der Nacht zu Hause an. Am nächsten Morgen ist der Münchner Flughafen wegen Warnstreiks für Stunden lahmgelegt. So ist das manchmal mit den Ahnungen.

Skigebiet Götschen-Alm.
Skigebiet Götschen-Alm.

So kann Peter Ramsauer pünktlich um acht in seinem Büro in der Talmühle sein. Haus und Landschaft ringsum bieten das Sujet für ein kleines Bilderbuch. Und drinnen im Büro steht ein großer grüner Kachelofen, der im Winter hält, was er verspricht. Es gibt eine Menge Bilder an der Wand (das Schönste malte eine der vier Töchter des Abgeordneten und schrieb "Sonne, Mond und Weld" drauf), noch mehr Akten und Papier auf Tischen und in Schränken und mittendrin die Frau, die alles im Griff hat. Peter Ramsauer wird an diesem Tag mehr als ein Loblied auf seine Wahlkreismitarbeiterin, Marlene Weber, singen. Ohne sie, gibt er ganz uneitel zu, hätte er mehr als ein Problem bei der Wahlkreisarbeit.

Skigebiet Götschen-Alm.
Skigebiet Götschen-Alm.

Es bleiben ein paar Minuten, um den Tag zu besprechen, durchgeplant von Anfang bis Ende, wobei das Ende ungewiss bleibt. Der Abgeordnete Ramsauer sucht seine Papiere zusammen und erklärt nebenher noch schnell die wesentlichsten Koordinaten seines Wahlkreises: Die Städte heißen Tittmoning, Traunreut, Bad Reichenhall, Freilassing, Laufen, Traunstein und Trostberg, berühmter allerdings sind Rosenheim (wegen Marianne Sägebrecht in "Out of Rosenheim"), die Eisschnelllaufhochburg Inzell, Reit im Winkl, Ruhpolding, Chieming, Taching am See und das Berchtesgadener Land überhaupt, weil man da immer an Urlaub denkt. Salzburg liegt ganz in der Nähe. Der Kreis ist Touristenhochburg für gestresste Städter, passionierte Skifahrer, geübte Bergwanderer, Sportbegeisterte und Naturfreunde. Land.wirtschaft und Mittelstand prägen den Wirtschaftsraum, die Bundeswehr ist mit den Gebirgsjägern ansässig, in den vergangenen Jahren sind viele Verkehrswege ausgebaut und erweitert worden, aber es bleiben allemal noch Wünsche offen.

Wahlkreisbüro in der Talmühle.
Wahlkreisbüro in der Talmühle.

Über die wird der Abgeordnete beim Fahren übers Land reden. Immer wieder. Wirtschaftsplanung ohne Verkehrswegeplanung ist undenkbar. Und die schönen Berge, die tiefen Täler, die vielen Flüsse machen es nicht einfacher.

 

Wahlkreisbüro in der Talmühle.
Wahlkreisbüro in der Talmühle.

Um 8.15 Uhr geht es los. Peter Ramsauer wird in der Schreinerei Daxenberger in Seeon erwartet. Es sieht aus wie Ostern und riecht wie Weihnachten – nach Holz. Die Firma gibt es seit 1963, gegründet von Josef Daxenberger, der heute mit seinen Söhnen Josef jun., Simon und Bernhard das Unternehmen führt. Mit Erfolg.

 

Wahlkreisbüro in der Talmühle.
Wahlkreisbüro in der Talmühle.

Was aber führt den Abgeordneten Ramsauer in die Schreinerei?

"Es gehört zu meiner Arbeit, mich regelmäßig über die Situation der kleinen und mittleren Betriebe im Wahlkreis zu informieren. Sie sind lebenswichtig für die Region und die Menschen. Was im Bundestag beschlossen wird, hat Auswirkungen auf Leben und Arbeit hier. Zum Beispiel das neue Betriebsverfassungsgesetz. Darüber rede ich mit den Leuten. Außerdem ist der junge Josef Daxenberger frisch gewählter Vorsitzender eines CSU-Ortsverbandes. Da will ich gratulieren."

Wasserwirtschaft Traunstein.
Wasserwirtschaft Traunstein.

Es ist wichtig, zwischen und vor den Terminen mit dem Abgeordneten über Sinn und Zweck zu sprechen, denn wenn die Leute mit ihrem Abgeordneten ins Reden kommen, kann es passieren, dass man einen Dolmetscher braucht. Das Oberbayerische ist so einfach nicht – "Schreiferl" ist eine kleine Schraube, "Schraum" kann eine größere sein, aber auch ein angeberisches Weib. Am besten, man macht sich lieber keinen Reim drauf.

Schreinerei Daxenberger.
Schreinerei Daxenberger.

Man redet also eine halbe Stunde über den Betrieb, die Arbeit im Bundestag, den ganz normalen Stress, die Auftragslage, die Parteiarbeit. Peter Ramsauer hat so eine Art, seine Gesprächspartner anzuschauen – ununterbrochen, ohne den Kopf zu wenden – , dass die sich ernst genommen fühlen. Ich hör Dir zu, signalisiert er, ich notiere im Kopf, was wichtig ist.

Schreinerei Daxenberger.
Schreinerei Daxenberger.

Manchmal kneift er das linke Auge ein wenig zusammen. Manchmal greift er zu einem kleinen Ringblock, den er in der Jackettasche hat und notiert sich etwas. Besser, wenn nichts verloren geht. Zum Schluss gibt es noch einen Rundgang durch die Schreinerei, wo in jedem Raum ein Radio steht und Whitney Houston mit den Backstreet Boys und den Nachrichten vom Tage um die Vorherrschaft kämpft. Man redet über die neuen Maschinen, Ausbildungsplätze und die Zukunft des Handwerks. Und dann geht's weiter.

Schreinerei Daxenberger.
Schreinerei Daxenberger.

Das Auto ist des Abgeordneten drittes Büro. Telefon, ein großer Aktenkoffer voller Papiere, die zwischendurch zu lesen und zu sortieren sind, alles, um nur ja keine Zeit zu verlieren und vieles zu schaffen. Manchmal sind ein paar Minuten zum Reden übrig. Zum Beispiel auf der Fahrt zum Wasserwirtschaftsamt Traunstein, auf der man einen kleinen Exkurs in Sachen Familiengeschichte bekommt. Die Ramsauers sind, urkundlich gesichert, seit 1553 in der Talmühle ansässig. Ihnen gehörte und gehört eine Getreidemühle, Verpflichtung für alle ersten Söhne, die geboren wurden. Peter Ramsauer allerdings neigte in jungen Jahren eher dazu, eine Karriere als Pianist zu versuchen. Gefallen hätte es ihm schon und doch – auch er ging am Ende ins Müllerhandwerk und wurde später Diplomkaufmann. Außerdem ist er noch Doktor der Staatswissenschaften. So hat er von der Pike auf gelernt, was ihm Respekt bringt bei den Leuten und sie sagen lässt: "Der Ramsauer ist einer von uns."

Bei den Gebirgsjägern: Haflinger, Mulis und Edelwei&szlig.
Bei den Gebirgsjägern: Haflinger, Mulis und Edelweiß

Im Wasserwirtschaftsamt Traunstein geht es um eines der Herzensthemen des Abgeordneten – erneuerbare Energien. 258 Brunnen und Quellen gibt es im Landkreis, 128 Versorgungsträger, davon 99 kleinere, die weniger als 100.000 Kubikmeter im Jahr abgeben, 149 Wasserschutzgebiete zählt die Region. Verschiedenste Interessen sind unter einen Hut zu bringen, Verfahrensabläufe zu vereinfachen, kleine Anbieter zu unterstützen. Und nichts geht von heute auf morgen, jeder Erfolg hat eine lange Vorgeschichte.

Bei den Gebirgsjägern: Haflinger, Mulis und Edelwei&szlig.
Bei den Gebirgsjägern: Haflinger, Mulis und Edelweiß

Viel Zeit ist nicht, denn der Abgeordnete will heute auf jeden Fall noch in der Bundeswahlkreisgeschäftsstelle der CSU vorbeischauen. Wenn man schon mal in Traunstein ist.

Brücke über den Fluss Traun.
Brücke über den Fluss Traun.

Mindestens einmal im Monat besucht Peter Ramsauer den Geschäftsführer Karl Schleid. Diesmal allerdings fällt auch dieser Besuch kurz aus, denn auf dem Plan steht als nächstes der Flughafen Salzburg.

Geschäftsstelle des Wahlkreises.
Geschäftsstelle des
Wahlkreises.

Eine etwas längere Fahrt also, auf der Zeit ist, über eine kurze und eine lange Geschichte mit glücklichem Ausgang und eine Geschichte mit ungewissem Ergebnis zu reden. Die kurze – rein zeitlich betrachtet – ist der Erhalt des Bundeswehrstandortes der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall. Der Standort ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. 2.600 Stellen, ein Drittel davon Berufssoldaten und Zivilverwaltung, gehören dazu und natürlich – schließlich reden wir hier von Gebirgsjägern – die Mulis, mit denen es rauf in die Berge geht. Ein Wegfall des Standortes, so der Abgeordnete Ramsauer, wäre für die Region ein großes Unglück gewesen. So eine gewachsene Struktur ließe sich nicht von heute auf morgen ersetzen.

Geschäftsstelle des Wahlkreises.
Geschäftsstelle des
Wahlkreises.

Die lange Geschichte ist die einer Brücke, die den Fluss Traun überquert. Im Herbst 2000 ist sie fertig gestellt worden und hat endlich eine Verbindung von der oberen Straße über den Fluss geschaffen. "Das hat alles in allem 25 Jahre gedauert", erzählt der Abgeordnete. "Ein viertel Jahrhundert ging mit Prozessen und Streitereien und Kampf und Kompromissen vorüber, bis wir endlich diese Brücke hatten." Nun ist sie da, und man kann sich auf die nächsten Kämpfe konzentrieren. Da wäre zum Beispiel der zweispurige Ausbau der Bahnlinie oder der sechsspurige Ausbau der Autobahn, die Süd.deutschland mit Südosteuropa verbindet ...

 

 

Geschäftsstelle des Wahlkreises.
Geschäftsstelle des
Wahlkreises.

Ungewiss ist, ob die Eisschnelllaufbahn in Inzell ein Dach bekommen wird. Seit 1966 wurden hier 83 Weltrekorde im Eisschnelllauf aufgestellt, sieben Weltmeisterschaften fanden statt, der "Goldene Schlittschuh von Inzell" ist ein Begriff, ebenso wie der Frillensee – der kälteste See Deutschlands, 923 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Heute aber braucht die Kunsteisbahn, um der Konkurrenz ebenbürtig zu sein, ein Dach. So wie die in Berlin und in Erfurt eben. "Das wird noch lange dauern, bis wir es geschafft haben", sagt der Abgeordnete und scheint sich doch nicht ganz sicher, ob es denn gut ausgeht. An ihm soll es nicht liegen, er wird mitkämpfen. Wenn das Dach kommt, wird es gut für Sport und Tourismus sein.

Jahreshauptversammlung der CSU Teisendorf.
Jahreshauptversammlung der
CSU Teisendorf.

Die Autofahrt nach Salzburg hat nur für die Kurzfassung der Geschichten gereicht. Nun geht es auch um Verkehrsverbindungen, Schnelligkeit, Tourismus und Entwicklung der Region. Für die Menschen im Wahlkreis liegt der Salzburger Flughafen näher als München. Gut, könnte man meinen, nur – von Salzburg geht kein Flieger nach Berlin. Schlecht, muss man sagen, eine Verbindung nach Berlin ist dringend nötig. Darüber reden die Beteiligten: Der Direktor des Flughafens, der Vertreter des Schutzverbandes gegen Fluglärm, der Abgeordnete Ramsauer. Am Ende weiß man auch hier: Es wird dauern, es braucht Geduld und diplomatisches Geschick, man muss kämpfen. Das aber wollen alle Beteiligten tun.

Gespräch im Salzburger Flughafen.
Gespräch im Salzburger
Flughafen.

Zurück geht's ins Wahlkreisbüro. Dort wartet ein Bauunternehmer, der sich vorgenommen hat, dem Abgeordneten richtig die Meinung zu sagen. Dem Mittelständler mache die Bank das Leben schwer, die Zahlungsmoral der Kunden lasse zu wünschen übrig, um einen Arbeitsplatz für einen psychisch kranken Kollegen zu erhalten, fehlten ihm die finanziellen Möglichkeiten, und manche Gesetze seien so komisch gemacht, dass man wirklich nur den Kopf schütteln könne. Peter Ramsauer hört zu, schreibt auf, erklärt, macht keine falschen Hoffnungen und verspricht Unterstützung, wo er sie geben kann.

Gespräch im Salzburger Flughafen.
Gespräch im Salzburger
Flughafen.

17 Uhr. Die letzte Chance an diesem Tag, bei der Familie vorbeizuschauen und mit den vier Töchtern zu spielen. Also kurz nach Hause, Kaffee trinken – vier Stück Japanische Torte hat der Abgeordnete zwischendurch schnell kaufen können -, reden, einen kurzen Moment ausruhen und los zur abendlichen Veranstaltung ins Landhotel Seidl, wo die CSU-Jahreshauptversammlung Teisendorf stattfindet. Reden soll er hier, vor rund 50 Leuten, über die große und die kleine Politik, über seine Arbeit und die Situation der Opposition im Deutschen Bundestag. Aber erst einmal zuhören und dolmetschen für die Journalistin.

Jahreshauptversammlung der CSU Teisendorf.
Jahreshauptversammlung der
CSU Teisendorf.

Um halb zehn geht Peter Ramsauer ans Rednerpult und hält, wie es von ihm erwartet wird, eine kämpferische Rede. Danach wird er noch ordentlich ins Kreuzverhör genommen, bestätigt, in Frage gestellt, widerlegt, unterstützt – es geht ziemlich hoch her im Saal, und alle halbe Stunde schlägt der Gong einer großen Uhr und macht all jene Männer nervös, die versprochen hatten, heute pünktlich zu Hause zu sein. Schluss aber ist erst um 23 Uhr. Jetzt fährt der Abgeordnete Ramsauer nach Hause. Denn am nächsten Tag, dem Samstag, beginnt die Arbeit um neun, mit einem Interview für den Lokalfunk.

Eisschnelllaufbahn in Inzell.
Eisschnelllaufbahn in Inzell.

Abends um elf ist auch die bayrische Landschaft verschwunden, und das Telefon im Auto nützt einem auch nicht mehr viel. Wen kann man jetzt noch anrufen? Nichtbayern schlügen jetzt vielleicht vor, "schloafa" zu gehen. Völlig falsch. Schloafa heißt schleifen. Wer müde ist, muss "schlaffa" gehen.

Kathrin Gerlof

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0104/0104065
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