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11/2001
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Interview

Wie musikalisch muss ein Präsident sein, Herr Burgbacher?

Der FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher spielt leidenschaftlich gern Mundharmonika. Die kleinste misst gerade mal 35 Millimeter, ihr Tonumfang eine Oktave. Er hat sie immer bei sich.

Vor zwei Jahren wurde Ernst Burgbacher zum Präsidenten gewählt. Seitdem steht er der Arbeitsgemeinschaft der Volksmusikverbände vor, einem Dachverband der instrumentalen Laienmusikverbände Deutschlands, dem 21.000 Orchester und Ensembles mit 700.000 aktiven und 1,4 Millionen fördernden Mitgliedern angehören. Das Amt passt zu ihm, denn er engagiert sich schon seit vielen Jahren dafür, gute Bedingungen für gemeinsames Musizieren zu schaffen, den Nachwuchs zu fördern und Laienorchester zu unterstützen. Seine Liebe zur Musik und zur Politik sind oft nur zwei Seiten einer Medaille, obwohl die eine Liebe der anderen oft die Zeit stiehlt.

Musizierender Burgbacher

Herr Burgbacher, der Grundstein für Ihre unverbrüchliche Liebe zum Mundharmonikaspiel ist ja schon in der Schule gelegt worden ...

Als ich noch in die Grundschule ging, sagte unser Lehrer eines Tages: "Morgen bringt ihr alle eine Mundharmonika mit." Ich fand die Idee erst nicht so toll, aber mein Vater besorgte mir sofort eine Mundharmonika. Von da an haben wir eineinhalb Jahre lang im Unterricht Mundharmonika gespielt. Immer nach Gehör übrigens. Noten habe ich erst später gelernt.

In Berlin würden Kinder ihren Lehrer für ein bisschen verrückt halten, wenn er mit ihnen Mundharmonika spielen wollte.

Ich komme aus Trossingen, wo die Firma "Hohner" zu Hause ist. Die haben schon Anfang des 20. Jahrhunderts jährlich mehr als zehn Millionen Mundharmonikas im Jahr produziert und in alle Welt verkauft. In Trossingen war es überhaupt nicht sonderbar, wenn ganze Schulklassen Mundharmonika spielten. Ich erinnere mich gerne daran, dass ich 1963 bei einem Wettbewerb für Mundharmonikaspieler den ersten Platz belegte. Dafür gab es 50 Mark und ich durfte am nächsten Tag beim großen Festumzug den Siegerwimpel tragen.

Das Orchester, in dem sie 27 Jahre lang mitgespielt haben, heißt ja auch "Hohnerklang". Hatten Sie denn auch außerhalb von Trossingen Erfolg mit der Musik?

Natürlich, wir sind viel herumgekommen. Wir haben in der Olympiahalle in Innsbruck vor 4.000 Leuten gespielt - ein Konzert gemeinsam mit Udo Jürgens. Wir traten in Frankreich, in Österreich und in der Schweiz auf, immer mit aktuellen Titeln, die man von einem Harmonika-Orchester nicht erwartete.

Männer, die Musik machen können, haben ja oft ein leichteres Spiel bei den Frauen. Oder gilt das nur für Klavierspieler, die Johannes Heesters heißen?

Na, vom Spielen eines Instrumentes allein wird es wohl nicht abhängen. Aber doch, die Mädchen mochten es, wenn man zum Beispiel im gemeinsamen Skiurlaub mit Freunden abends vor der Hütte noch ein bisschen Musik machen konnte. Das Tolle an der Mundharmonika ist ja, dass man sie immer bei sich haben kann. Mit dem Klavier ist das schon schwieriger.

Haben Sie denn heute auch immer eine Mundharmonika bei sich?

Auf jeden Fall. Mindestens die kleinste hier habe ich immer bei mir. Sie ist nicht mal vier Zentimeter lang und umfasst nur acht Töne. Meistens aber auch noch eine große, eine "Super Chromomica", und eine dritte, mit der mehr Akkorde als Einzeltöne gespielt werden.

Obwohl Sie Musik und das Mundharmonikaspiel so lieben, sind Sie nicht Berufsmusiker, sondern Berufspolitiker geworden. Politik hat doch mit Musik überhaupt nichts zu tun.

Als Jugendlicher habe ich oft davon geträumt, Liedermacher zu werden. Damit hat Politik nun erst mal recht wenig zu tun. Aber zwischen meinem Engagement in der Arbeitsgemeinschaft der Volksmusikverbände und meiner Arbeit als Abgeordneter gibt es schon Berührungspunkte. In diesem Jahr stand beispielsweise die Reform der Künstlersozialversicherung an, da haben wir uns als Arbeitsgemeinschaft eingebracht.

Was hat denn die Künstlersozialversicherung mit Laienorchestern zu tun? Laienmusiker verdienen doch mit Musik nicht ihren Lebensunterhalt.

Vereine müssen unter bestimmten Umständen Beiträge an die Künstlersozialversicherung bezahlen. Hier konnten wir wesentliche Verbesserungen für die Vereine erreichen. Ein anderes Beispiel: Der Status der Dirigenten und Leiter von Orchestern war bislang nicht klar definiert - sind sie nun selbstständig oder angestellt? Jetzt gelten sie in der Regel als Selbstständige. Ein weiteres Problem, das auch auf politischer Ebene geklärt werden muss, ist die Stärkung und bessere Anerkennung des Ehrenamtes. Ich stimme nicht in das Klagelied ein, es gebe zu wenig Menschen, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, und es sei so schwierig, Nachwuchs heranzuziehen.

Aber es ist doch schwer, junge Leute zu finden, die Ehrenämter weiterführen oder übernehmen - auch im musikalischen Bereich.

Ich sehe zunehmend junge Menschen, die dazu bereit sind. Man muss sie dabei unterstützen. Unsere Arbeitsgemeinschaft macht zum Beispiel Seminare für Führungskräfte, sorgt sich um die Aus- und Fortbildung von Gruppenleitern und Dirigenten. Wir organisieren Projekte zur Förderung des instrumentalen Laienmusizierens.

In Trossingen hat unser Verein zum Beispiel mit den Grundschulrektoren geredet, die uns jetzt an den Schulen Räume zur Verfügung stellen, in denen wir Schülerinnen und Schüler im Mundharmonikaspielen unterrichten können. 200 Kinder machen da schon mit. Vielleicht bilden von denen später einige selbst Kinder aus.

Trossingen scheint wirklich eine Ausnahme zu sein. Im Allgemeinen wird doch über die Qualität des Musikunterrichts an Schulen und der musikalischen Bildung geklagt.

Es ist richtig, dass wir weitaus mehr dafür tun müssen, das Singen und Musizieren zu verbreiten. Wir hatten lange und an vielen Schulen einen Mangel an Musiklehrern. Lehrpläne müssen überprüft werden, vielerorts gelingt es nicht, die Kinder und Jugendlichen zu begeistern und mitzureißen, ihnen den Spaß an der Musik zu vermitteln. Der Musikgeschmack ändert sich, also müssen sich sicher auch Lehrpläne ändern.

Meist wird ja für Lust und Spaß an der Musik der Grundstein in der Familie gelegt. War das bei Ihnen auch so?

Meine Mutter war Akkordeonlehrerin, mein Vater hat viel gesungen. Ich habe auch mal angefangen, bei meiner Mutter Akkordeon zu lernen. Das hat allerdings nicht so gut geklappt, eine Erfahrung, die wohl viele machen. Ich habe sehr früh begonnen, Schallplatten zu sammeln. Daran ist vielleicht mein Onkel schuld, dessen Sammlung ich bewunderte. Die erste Schallplatte, die er hatte, war das Lied "Pack die Badehose ein". Das habe ich oft gehört.

Und was hören Sie heute für Musik?

Ich höre gern Opern. Besonders Wagner. Und ich bin ein alter Beatles-Fan.

Können Sie auch singen?

Ja, und ich singe gern. Am schönsten finde ich es, bei der "Carmina Burana" mitsingen zu dürfen. Das Glück hatte ich schon drei Mal. Ein wunderbares Werk.

Sie haben vermutlich eine Bassstimme.

Stimmt. Hört man das, wenn ich rede?

Ernst Burgbacher

Ja. Eine Arbeitsgemeinschaft für Volksmusikverbände klingt doch sicher für manche abschreckend, die mit Volksmusik gar nichts am Hut haben?

Wir überlegen schon lange, ob wir uns einen anderen Namen geben. Der englische Begriff "Folk" ist ja beispielsweise sehr positiv besetzt. Aber Vorurteile räumt man so wohl kaum aus. Viele denken zum Beispiel bei Blasmusik sofort an Marschmusik. Dabei ist das nur ein Teil. Unsere Blasorchester spielen ein modernes und anspruchsvolles Repertoire auf sehr hohem Niveau.

Sagen Sie, Herr Burgbacher, was kann man auf einer Mundharmonika, die knapp vier Zentimeter groß ist und nur eine Oktave Tonumfang hat, überhaupt spielen?

Eine ganze Menge. Auf jeden Fall mehr, als die meisten sich so vorstellen können. Soll ich Ihnen mal was vorspielen?

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0111/0111060a
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