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01/2002
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ANHÖRUNG ZUR ZUWANDERUNGSGESETZGEBUNG

Sachverständige weisen auf den Mangel an qualifizierten Fachkräften hin

(in) Auf den Mangel an qualifizierten Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben Robert Henkel vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, am 16. Januar in einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses hingewiesen. Gegenstand waren der Entwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ein Zuwanderungsgesetz (14/7387) sowie Initiativen des Bundesrates (14/7465), der CDU/CSU (14/6641), der FDP (14/3697,14/3679) und der PDS (14/7810).

Henkel sagte, der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen gehe in die richtige Richtung, wenn auch in Details noch vieles zu verbessern sei. Er sprach sich dabei gegen das "optionale" Vorgehen im Gesetzentwurf aus und plädierte dafür, jetzt mit einer "Kultur der dauerhaften gezielten Zuwanderung" zu beginnen.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, in einem Aufenthaltsgesetz die bisherigen Varianten auf die befristete Aufenthaltserlaubnis und die unbefristete Niederlassungserlaubnis zu reduzieren. Bei der "Arbeitsmigration" will die Koalition das doppelte Verfahren mit Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung durch ein Zustimmungsverfahren ersetzen und über den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes bedarfsorientiert steuern. Eine feste Zahl geeigneter Zuwanderer ohne Arbeitsplatz soll über ein Punktesystem aufgenommen werden.

Richtungsänderung bei "Engpassarbeitskräften"

Für kurzfristig benötigte Arbeitskräfte empfahl Henkel eine Richtungsänderung im Gesetz. Wer drei Monate vergeblich eine "Engpassarbeitskraft" gesucht habe, solle auf Zuwanderer zurückgreifen können. Die Wirtschaft sei bereit, sich an den Integrationskosten zu beteiligen. Im Übrigen sei der BDI nicht der Meinung, Fachkräftemangel oder demografische Krise seien durch Zuwanderung zu lösen.

Auch Bernhard Jagoda bezweifelte, dass Fachkräftemangel durch Migration voll ausgeglichen werden kann. Der Gesetzentwurf enthalte aber den Vorteil unterschiedlicher Zuwanderungsmöglichkeiten, die nach Bedarf gesteuert werden könnten. Es komme jedoch darauf an, die Akzeptanz der Zuwanderung in der Bevölkerung zu stärken. Mangelnde Sprachkenntnis sei ein Haupthindernis für Integration.

Professor Gerhard Kleinhenz vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA betonte, es gebe "keinen ökonomischen Zwang, den Fachkräftemangel ausschließlich durch Zuwanderung zu lösen".

"Zuwanderung kein Ersatz für aktive Arbeitsmarktpolitik"

Laut Volker Roßocha vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist die Zuwanderung von Arbeitskräften kein Ersatz für eine aktive Arbeitsmarkt- und Bildungs.politik. Eine gestaltende Zuwanderung könne aber die Folgen des demographischen Wandels abmildern und die Sozialsysteme stabilisieren helfen. Für den DGB habe dauerhafte Einwanderung Vorrang vor befristeter Einwanderung. Abzulehnen sei ein Auswahlverfahren als Option.

Professor Klaus J. Bade von der Universität Osnabrück lobte den Gesetzentwurf als "bahnbrechende Politikwende". Das vorgeschlagene Punktesystem bezeichnete er als transparent und berechenbar. Er warnte aber vor einer Überschätzung der Steuerkapazität.

Nach Professor Christian Hillgruber von der Universität Erlangen-Nürnberg ist es nicht erforderlich, hochqualifizierten Zuwanderern sofort ein Daueraufenthaltsrecht zu gewähren. Auch die "Vorratsbeschaffung" von zugewanderten Arbeitskräften per Auswahlverfahren sei problematisch.

Skeptisch äußerte sich Professor Herwig Birg von der Universität Bielefeld. Vom Ziel, die Zuwanderung zu steuern, entferne man sich mit diesem Gesetzentwurf mehr denn je. Zuwanderung würde zu einem Instrument der Arbeitsmarktpolitik, habe aber eine Bedeutung über Generationen hinweg.

Das Interesse des Gesetzgebers und der Betroffenen müsse dahingehen, nicht das Volkseinkommen, sondern das Pro-Kopf-Einkommen zu erhöhen, erklärte Birg. Zuwanderung bedeute nach seiner Einschätzung vor allem eine Zuwanderung aus Entwicklungsländern nach Europa, betonte der Wissenschaftler.

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme (14/7987) betont, angesichts der Haushaltslage könne nicht auf eine "umfassende Klärung" künftiger Integrationskosten verzichtet werden. Daher soll eine Kommission vor Abschluss der Gesetzgebung über die finanziellen Aufwendungen berichten.

Kosten der Integration auf alle Ebenen verteilen

Außerdem sei Zuwanderung eine gesamtstaatliche Aufgabe bei der – unter Beteiligung der Zuwanderer und ihrer Arbeitgeber an den Integrationskosten – die Lasten auf alle Ebenen verteilt werden sollten. Zu berücksichtigen seien schließlich die bisherigen, erheblichen Integrationsleistungen der Länder und Kommunen.

Eine neue Rechtsgrundlage für erfolgreiche Integration und ein Bundesamt für Migration hat die PDS in einem Antrag (14/7810) gefordert. Anerkennungsverfahren für Menschen in Not dürften nicht von Miss-trauen geprägt sein, sondern müssten deren Bedürfnisse wahrnehmen. Der Familiennachzug solle erleichtert, "illegale" Aufenthalte sollten legalisiert werden können, so die Fraktion.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0201/0201024
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