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Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 25.07.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Ines Gollnick

Kann die KMK ihren Ruf aufpolieren?

Neue Wege sind zu beschreiten
Das "Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland", kurz KMK genannt, dürfte nicht nur die bekannteste, sondern auch die derzeit umstrittenste Länderministerkonferenz sein. Ihr Zweck ist es, in der föderal organisierten Republik zwischen den Ländern "ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit im Bildungswesen zu gewährleisten" - und damit die Mobilität zu sichern.

Also, wer von Bayern nach Hamburg zieht, soll ähnliche Bildungschancen vorfinden wie derjenige, der von Berlin nach Rheinland-Pfalz wechselt. Bildung ist der Kern des verfassungsrechtlich verankerten Kulturföderalismus. Die Länder nehmen die Aufgabe in gesamtstaatlicher Verantwortung war. Deshalb muss im Vergleich mit anderen politischen Ressorts auch wesentlich mehr koordiniert werden.

Wenn von KMK die Rede ist, ist zweierlei gemeint: zum einen das Gremium der Kultusminister, die sich bei dieser Aufgabe an einem Ort abstimmen müssen, und zum anderen das Sekretariat als Instrument, das sie dafür brauchen. Kritik an der KMK gab es immer, seit PISA 2001 prasselte sie aber vehement auf die Institution ein. Durch den öffentlichen Druck, den die OECD-Studie ausgelöst hat, stieg die Reformbereitschaft und die Handlungsfähigkeit. Mehr als 50 Prozent der Gremien der KMK wurden als Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz von Mitte 2004 aufgelöst, einige Ausschüsse und Arbeitsgruppen durch ein Berichterstattersystem ersetzt sowie Zuständigkeiten neu geordnet und gestrafft. Ein effizienteres Arbeiten und beschleunigte Beschlüsse sind das Ziel. KMK-Generalsekretär Erich Thies, seit 1998 in dieser Funktion, verweist darauf, dass bereits vor PISA im Ständigen Sekretariat immer Veränderungen vorgenommen worden sind. 1999 seien die Gremien der KMK bereits um ein Drittel reduziert worden.

Kritik, die zu Vergleichen aus der Tierwelt führte, wie "Die KMK hat die Schnelligkeit einer griechischen Landschildkröte", sind für ihn eine Form des Populismus, die den Paradigmenwechsel in der KMK übersieht. Die Kündigung des Abkommens über das Sekretariat durch das Land Niedersachsen passt nach seiner Meinung nicht mit der Absicht zusammen, die Länder in ihrer föderalen gesamtstaatlichen Verantwortung für den Bildungsbereich zu stärken.

Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip

Um flexibler zu werden, zählt zur Reform auch der Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip für einige Beschlüsse. Einstimmigkeit ist aber weiterhin für solche Beschlüsse erforderlich, die der Herstellung der notwendigen Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen dienen und die sich auf die Landeshaushalte oder auf gemeinsame Einrichtungen auswirken. Dass im Dezember 2004 der Beschluss zu den Standards in der Lehrerbildung einstimmig gefasst wurde, darf als Fortschritt im Bildungsbereich gewertet werden.

Generalsekretär Thies hätte sich besonders nach dem politischen Paukenschlag aus Niedersachsen mehr Sachlichkeit und Korrektheit in der Debatte gewünscht. Der Pauschalkritik, dass mehr als 200 Mitarbeiter des Sekretariats rund 50 Millionen Euro verschlingen würden, setzt er entgegen, dass schon seit 1996 im normalen Einsparprozess etwa zehn Prozent der Stellen abgebaut wurden und der Etat überwiegend aus durchlaufenden Mitteln besteht, zum Beispiel für die Kulturstiftung der Länder. Von den heute etwas mehr als 200 Stellen seien lediglich 80 bis 90 für den KMK-spezifischen Bereich zuständig. Und von den rund 50 Millionen Euro im Etat 2005 würden etwas mehr als 15 Millionen Euro für die KMK-spezifische Arbeit eingesetzt. Die Mehrheit der Mitarbeiter befasse sich mit Dienstleistungen für die Länder, die diese sonst dezentral bearbeiten müssten. Dazu zählt beispielsweise der Pädagogische Austauschdienst (PAD), der jährlich Austauschmaßnahmen von rund 35.000 Teilnehmern mit 90 Staaten bearbeitet. Die Zentralstelle für das ausländische Bildungswesen begutachtet jährlich rund 15.000 ausländische Bildungsnachweise und ordnet sie in das deutsche Bildungssystem ein. "Durch diese Zentralisierung sollen Kosten gespart werden", erinnert der Manager des Sekretariats. "Vor diesem Hintergrund ist Kritik in der Form, wie kopflastig und überzogen das Sekretariat sei, bitter."

Kontraproduktive Stellenstreichungen

Thies Aufgabe ist es jetzt, in einem kurzen Zeitraum nochmals 15 Prozent der Stellen einzusparen und weitere fünf Prozent im laufenden Prozess. Diese Stellenstreichung hält er allerdings für kontraproduktiv. Wenn man einen Paradigmenwechsel wolle und es nicht mehr darum gehe, über den kleinsten gemeinsamen Nenner formale Regelungen über die Anerkennung von Abschlüssen zu verabschieden, sondern wenn es um Qualitätsfragen gehe, sei das eine fundamental andere Arbeitsweise. Wenn die Länder ihre gesamtstaatliche Verantwortung im Bildungswesen eben nicht nur reaktiv, sondern gestalterisch mit Blick in die Zukunft wahrnehmen wollten, dann brauche man die Bereitschaft der Länder, dies aktiv und konzeptionell zu tun. Dafür müsse es einen Apparat geben, der dies vorbereitet. "Ich hätte gerne auf eine Reihe von Stellen zurückgegriffen, die jetzt entfallen müssen, um genau diese konzeptionelle Arbeit der Qualitätssicherung stärker wahrnehmen zu können, als es jetzt möglich ist", begründet Thies seine Position.

Ob berechtigt oder nicht: Die Kündigung des Sekretariats hat für die Reform des Hauses Druck erzeugt, der für die Veränderung der Bildungslandschaft nur positiv sein kann. Die Kultusminister und -ministerinnen haben Anfang Dezember 2004 ein Reformkonzept verabschiedet, das mit dem Beschluss der Regierungschefs der Länder vom 15. Dezember 2004 grundsätzlich darin übereinstimmt, dass das bisherige Sekretariatsabkommen auch über den 31. Dezember 2005 hinaus fortbesteht.

Der Außendruck hat auch Bewegung unter den Ministern ausgelöst. In eindrucksvoll kurzer Zeit sind die überprüfbaren Lernziele in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik verabschiedet worden. Ebenso zügig ist in Berlin an der Humboldt-Universität das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich (IQB) gegründet worden, das in Kooperation mit anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Qualitätsverbesserung von Schulen in Deutschland beitragen soll. Um die bei PISA 2003 festgestellte Kluft zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu verringern, werden einzelne Bundesländer mit Good-practice-Erfahrungen die Federführung bei der Abstimmung gemeinsamer Vorhaben übernehmen. So wird beispielsweise die Konzeption von Fortbildungen zur allgemeinen Lerndiagnostik und zur fachlichen Diagnostik unter der Federführung von Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Die Frage, ob die KMK überflüssig ist, stellt sich nicht. Ob sie ihren Ruf aufpolieren kann, wird die nahe Zukunft zeigen.

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