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Wer auch immer die Geschicke der Deutschen in diesem Sommer 1945 neu ordnen will, er kann nicht einmal bei Null anfangen. Dem Größenwahn im so genannten Tausendjährigen Reich ist der totale Zusammenbruch gefolgt. Die Städte liegen in Trümmern, die Menschen hausen unter primitivsten Bedingungen in Kellern und Verschlägen, Millionen Männer sind in Kriegsgefangenschaft, Millionen Vertriebene versuchen, eine Unterkunft zu finden.
Zur physischen Not kommen mentale Ohnmacht und Suche nach neuer Orientierung: In „deutschem Namen“ sind in den zurückliegenden zwölf Jahren Millionen von Verbrechen begangen worden. Durch die „bedingungslose Kapitulation“ vom 8. Mai 1945 ist nicht nur die vernichtende Niederlage der deutschen Wehrmacht besiegelt, es werden zugleich alle staatlichen Strukturen in Frage gestellt. Was in Deutschland geschieht und wie, das entscheiden die vier Siegermächte. Sie teilen Deutschland in Besatzungszonen, Berlin in Sektoren ein.
Nach den vorbereitenden Konferenzen der Alliierten in Teheran und Jalta wird das Gipfeltreffen von Potsdam vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 zum Schlüssel für die Zukunft Deutschlands. Formal verständigen sich Washington, London, Paris und Moskau auf eine gemeinsame Vorgehensweise für Deutschland als Ganzes, doch faktisch zeichnet sich die künftige Teilung Deutschlands in West und Ost bereits ab.
So beschränkt sich der Zugriff der Sowjetunion zum Zweck der Reparation im Wesentlichen auf die östlichen Teile, die Verfügungsgewalt der westlichen Besatzungsmächte auf ihre Zonen. Die Sowjetunion kommt mit ihrer Forderung nach Besetzung und Demontage des Ruhrgebietes nicht durch. Auf der anderen Seite nehmen die Westmächte widerwillig die Vertreibung Deutscher aus den östlichen Gebieten des zerschlagenen Reiches hin.
Die Konzeption für das Nachkriegsdeutschland fußt nach dem Pots-damer Abkommen auf einem „Vier-D-Programm“: Demilitarisierung, Denazifizierung, Dezentralisierung und Deindustrialisierung. Die Demokratisierung soll auch über freie Parteien und freie Presse auf den Weg gebracht werden. Auch sollen unter Kontrolle eines alliierten Kontrollrats deutsche Zentralverwaltungen und später deutsche Ministerien entstehen.
Aber es kommt anders. Der „Kalte Krieg“ zwischen dem sowjetischen Herrschaftsbereich und dem freien Westen wirft seine Schatten auf Deutschland voraus. Die Westmächte betreiben den Aufbau einer sozialen Marktwirtschaft und einer politischen Ordnung mit Kommunalverwaltungen und Ländern, die frei gewählte Landtage und Landesregierungen haben, während in der sowjetisch besetzten Zone „Bodenreform“ und Industriesozialisierungen den Weg in die Planwirtschaft weisen.
Zusammengefügt im „Demokratischen Block“ unter kommunistischer Führung sind die Parteien nur formal selbständig. Die Entwicklung gipfelt in der Vereinigung von KPD und SPD gegen den SPD-Mehrheitswillen zur SED. Nach der Verschmelzung von amerikanischen und britischen Besatzungsgebieten zur „Bi-Zone“ mit einheitlichem Wirtschaftsraum, der schließlich um die französische Zone zur „Tri-Zone“ erweitert wird, bilden die in Ost und West getrennt durchgeführten Währungsreformen 1948 die Vorstufe zur definitiven Teilung Deutschlands.
1948 bekommen die Ministerpräsidenten der westlichen deutschen Länder den Auftrag zur Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung. Damit tun sich die Deutschen äußerst schwer. Denn so scheint der Zug zur Einheit endgültig aufs Abstellgleis zu geraten. Nicht zuletzt die Blockade Berlins, der die Westmächte mit einer groß angelegten Luftbrücke begegnen, lässt die Einsicht reifen, dass die Trennung längst vollzogen ist. Die Länderchefs einigen sich, statt einer Verfassung ein „Grundgesetz“ zu erarbeiten, um den Übergangscharakter deutlich zu machen. Die Formulierung wird einem Parlamentarischen Rat übertragen, der die Ziele der Bundesrepublik in seiner Präambel fixiert und die Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Demokratie zieht.
Es gibt unveränderliche Grund- und Menschenrechte, das nicht mehr direkt gewählte Staatsoberhaupt hat rein repräsentative Aufgaben, der Bundestag bekommt eine zentrale Rolle und hat nunmehr die Verantwortung für die Arbeitsfähigkeit einer von der Mehrheit zu tragenden Regierung. Über den Bundesrat sind die Länder an der Bundesgesetzgebung beteiligt. Die Bundestagswahl vom 14. August 1949 und die Konstituierung des ersten Deutschen Bundestages am 7. September markieren den gelungenen Start einer neuen parlamentarischen Demokratie in Deutschland.
Text: Gregor Mayntz
Fotos: picture-alliance
Erschienen am 14. Februar 2005
Besatzungszonen: Die
Zonengrenzen wurden bereits 1944 festgelegt. Die sowjetische Zone
reicht 160 Kilometer über Berlin hinaus nach Westen, die
britische umfasst im Wesentlichen den verbleibenden
nördlichen, die amerikanische den verbleibenden südlichen
Teil. Aus beiden Zonen wird 1945 eine Zone für Frankreich
abgetrennt. Zur eigenen Truppenversorgung übernehmen die
Amerikaner Bremen als Enklave.
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Reparation:
Reparationsleistungen aus Deutschland sollen eine Wiedergutmachung
für wenigstens einen Teil der von den Deutschen angerichteten
Schäden darstellen. Gleichzeitig wollen sie damit deutsche
Kriegskapazitäten beseitigen. Die Alliierten vereinbaren
zudem, „dem deutschen Volk genügend Mittel (zu)
belassen, um ohne eine Hilfe von außen zu existieren“.
Moskau verlangt 20 Milliarden Dollar für die vier Mächte,
davon zehn allein für sich. Nach westlichen Berechnungen holt
die Sowjetunion aus ihrer Zone und später aus der DDR rund 14
Milliarden Dollar.
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Luftbrücke: In der
Nacht zum 24. Juni 1948 unterbinden sowjetische Kräfte
sämtliche Energie- und Lebensmittellieferungen nach
West-Berlin – sowohl über die Landverbindungen aus den
westlichen Zonen als auch direkt aus der umgebenden Zone. Die
Alliierten richten eine Luftbrücke ein, über die sie bis
Mai 1949 das Überleben der West-Berliner mit 2,3 Millionen
Tonnen Nahrungsmitteln, Medikamenten, Brennstoffen und
Baumaterialien sichern.
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Parlamentarischer Rat: Die
Mitglieder des Parlamentarischen Rates werden von den elf Landtagen
entsandt, die entsprechend der jeweiligen
Kräfteverhältnisse einen Schlüssel für die 65
zu vergebenden Sitze festlegten. Auf diese Weise stellen CDU/CSU
und SPD je 27 Mitglieder, die FDP fünf, Deutsche Partei,
Zentrum und KPD je zwei. Hinzu kommen fünf Abgeordnete aus
Berlin (SPD 3, CDU 1, FDP 1), die aber nicht stimmberechtigt
sind.
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Präambel: Die
Präambel gilt als Schlüssel zum Selbstverständnis
des neuen Staats. Darin heißt es unter anderem, das deutsche
Volk sei „von dem Willen beseelt, seine nationale und
staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in
einem vereinten Europa dem Frieden zu dienen“. Es gehe darum,
„dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine
neue Ordnung zu geben“. Das Volk habe „auch für
jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war“.
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Bundestagswahl:
Aufschlussreich sind die Slogans, mit denen die Parteien zu dieser
ersten Bundestagswahl antreten. CDU und CSU werben mit „Das
ganze Deutschland soll es sein. Zum ungeteilten Vaterland durch die
CDU“ oder mit „1947 – Hunger! Not! Elend! 1949
– Vorwärts! Aufwärts! Der Erfolg der CDU!“
Die SPD plakatiert: „Nun erst recht: Sozialisierung!
SPD“ oder „Alle Millionäre wählen CDU-FDP.
Alle übrigen Millionen Deutsche die SPD“. Die FDP hebt
hervor: „Deutschland darf nicht sozialistisch werden“
oder „Nur freie Wirtschaft bricht Not! Wählt
FDP!“.
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