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Rückblick 2000/2001
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Klaus-Jürgen Hedrich
Mitglied des Deutschen Bundestages
CDU
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Die neue Rolle Deutschlands in der internationalen Staatengemeinschaft nach dem 11. September 2001

Die Serie barbarischer Terrorangriffe in den Vereinigten Staaten vom 11. September wird als ein Wendepunkt im Zusammenleben der Völker in die Geschichte eingehen.

Früher hatten wir es vor allem mit Kriegen zwischen Staaten oder bewaffneten Konflikten innerhalb eines Landes zu tun. Jetzt kommen nichtstaatliche internationale Akteure mit unabsehbarem Zerstörungspotential hinzu. Unsere hochtechnisierten, sehr mobilen und digital vernetzten Gesellschaften erweisen sich als äußerst verwundbar.

Diese neue Lage wird weitreichende Konsequenzen nicht nur für die internationale, sondern besonders auch für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik haben. Was sich in New York und Washington ereignet hat, kann sich morgen in einem anderen Land in anderen Formen wiederholen.

Wir haben es erstmals mit einem global organisierten und global agierenden Terrorismus zu tun. Die Täter vom 11. September haben jahrelang unter uns gelebt und die Strukturen operieren weiterhin von unseren Ländern aus. Die Verteidigungslinien verlaufen inmitten unserer Gesellschaften.

Wir Europäer müssen uns gemeinsam mit den Amerikanern gegen diese terroristische Bedrohung wehren. Wir müssen die Sicherheit unserer Zivilbevölkerung, die Offenheit unserer Gesellschaften, die Freiheit unserer Menschen und Frieden und Stabilität auch für unsere Kinder verteidigen. Es geht also nicht nur um Solidarität mit den Amerikanern, sondern um die Wahrung deutscher existentieller Sicherheitsinteressen.

Der deutsche und europäische Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus wird eine ganze Bandbreite an Maßnahmen und Schritten umfassen.

  1. Wir müssen unseren militärischen Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus leisten

    Ohne militärischen Einsatz lässt sich die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus nicht gewinnen. Dem brutalen, menschenverachtenden Irrsinn der Terroristen ist mit diplomatisch-politischen Mitteln allein nicht beizukommen. Es handelt sich nicht um Staaten, mit denen am Verhandlungstisch verbindliche Vereinbarungen getroffen werden können.

    Obwohl Amerika überragende militärische Fähigkeiten hat, braucht es den Beistand der Europäer und nicht zuletzt auch der Deutschen - sowohl politisch als auch, je länger und härter der Kampf gegen den internationalen Terrorismus wird, militärisch.

    Die von Deutschland bereitgestellten Kräfte zeigen, dass die Amerikaner die europäische Unterstützung nicht nur für Operationen in und um Afghanistan, sondern auch zum Schutz ihrer Einheiten vor ABC-Angriffen sowie zur Sicherung von Seefahrtswegen und Häfen weitab vom afghanischen Kriegsschauplatz in Anspruch nehmen wollen.

    Die Europäische Union muss sich in ihren sicherheitspolitischen Planungen auf die neue Bedrohung einstellen. Dies gilt weniger für die im Aufbau befindliche europäische Eingreiftruppe von 60.000 Mann, die sich auch in Zukunft an den herkömmlichen Einsatzszenarien für Friedensmissionen im Rahmen der sog. Petersberg-Aufgaben (humanitäre Einsätze, Friedenssicherung, Kampfeinsätze) im europäischen Umfeld orientieren wird.

    Doch speziell für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus kommt den von einigen Ländern unterhaltenen Spezialtruppen eine wichtige Bedeutung zu. In Europa verfügen unter anderem Deutschland, Frankreich und Großbritannien über solche Einheiten. Diese werden auch auf absehbare Zeit national geführt sein. Doch sollten angesichts der neuen Bedrohungslage diese Einheiten nicht nur verstärkt, sondern auch auf mögliche gemeinsame Einsätze vorbereitet werden. Hierzu ist intensives und dauerhaftes gemeinsames Training nötig, so dass im Bedarfsfalle auf EU-Spezialkräfte in einer Größenordnung von 5000 Mann zurückgegriffen werden kann.

  2. Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass der politische Neubeginn in Afghanistan gelingt

    Der Bundestag hat der Entsendung deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der internationalen Friedenstruppe in Afghanistan zugestimmt. Das ist zu begrüßen, denn der politische Neuanfang in Afghanistan ist nur durch eine internationale militärische Flankierung möglich.

    Ein Scheitern des politischen Neubeginns würde den Rückfall Afghanistans in Chaos und Krieg bedeuten. Der erneute Zerfall des Landes in Zonen der Ordnungslosigkeit würde es den Terroristen ermöglichen, ihre logistischen Basen und Ausbildungslager dort wieder zu errichten. Insofern liegt es in unserem eigenen Interesse, einen Beitrag zur militärischen Absicherung zur leisten.

    Geordnete politische Verhältnisse in Afghanistan sind auch Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Gesundungsprozess sowie für eine deutliche Verbesserung der katastrophalen humanitären Lage.

    Politisch hätte viel dafür gesprochen, dass Deutschland die Führung dieser Operation übernimmt. Deutschland hat traditionell gute, kolonial nicht vorbelastete Beziehungen zu Afghanistan. Die Deutschen werden in Afghanistan geschätzt. Und nachdem wir uns an den Kampfeshandlungen in Afghanistan nicht beteiligt haben, gab es den expliziten Wunsch der Vereinten Nationen, der USA sowie auf Seiten der Afghanen, dass Deutschland die Führung übernimmt.

    Doch zu einer solchen Führungsrolle wären wir kaum in der Lage - weder politisch, denn dies wäre erneut eine schwere Belastungsprobe für Rot-Grün, noch militärisch, denn die Bundeswehr macht nach drei Jahren Rot-Grün eine materielle, personelle und ideelle Auszehrung durch. So sank der deutsche Verteidigungshaushalt von über 24 Mrd. Euro im Jahre 1999 auf 23,4 Mrd. Euro im Jahre 2001. Ohne die 750 Mio. Euro aus dem nach den Anschlägen auf die USA bereit gestellten Anti-Terrorismus-Sicherheitspaket wäre der Verteidigungshaushalt dieses Jahr gar auf knapp über 23 Mrd. Euro abgesunken. Ähnlich sieht es beim Entwicklungshaushalt aus. Während dieser 1998 noch rund 4 Milliarden Euro enthielt, beläuft er sich in diesem Jahr nur noch auf 3,6 Milliarden Euro. Hieraus wird deutlich sichtbar, dass rot-grüne Bekundungen, die Bundesregierung werde Deutschlands gestiegener internationaler Verantwortung gerecht werden, nicht einer inneren Überzeugung der gegenwärtigen Bundesregierung entstammen, sondern nur durch internationalen Druck zustande gekommen sind.

  3. Die Europäer müssen die Amerikaner unter anderem auf dem Balkan entlasten

    Mit dem 11. September wurde Amerika von einem Tag auf den anderen in neue Herausforderungen gerissen und wird entsprechend neue Prioritäten setzen. Washington wird große Anstrengungen darauf verwenden, die äußerst heterogene internationale Koalition, die es über die NATO hinaus mit Russland, China, Pakistan, Indien und den gemäßigten arabischen Staaten geschaffen hat, zu festigen und den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus auf politischer, militärischer, nachrichtendienstlicher und wirtschaftlicher Ebene zu koordinieren und zu führen. Amerika muss damit rechnen, auf Jahre mit Streitkräften in Zentral- und Südasien gebunden zu sein.

    Die Folgen der neuen amerikanischen Prioritätensetzung machen sich schon jetzt auf dem Balkan bemerkbar. Die USA arbeiten an einer merklichen Reduzierung ihrer dortigen Militärpräsenz und haben ihren europäischen Verbündeten deutlich signalisiert, dass dies von europäischer Seite ausgeglichen werden müsse. Dabei darf nicht übersehen werden ,dass wir Europäer auch in Zukunft ein großes Interesse an der militärischen Präsenz Amerikas in Europa und insbesondere auf dem Balkan haben. Doch wir müssen unsere Erwartungen an Amerika an die neuen Realitäten anpassen. Europa ist für Washington nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung angesichts wachsender internationaler Bedrohungen.

    Anstatt entsprechende Schritte der Amerikaner passiv zu erleiden, sollten wir Europäer von uns aus den Amerikanern anbieten, die Friedensmissionen nicht nur in Mazedonien, wo wir es im übrigen weiterhin mit einer NATO-Operation zu tun haben, sondern auch in Bosnien und mittelfristig im Kosovo in europäischer Hauptverantwortung durchzuführen und uns bereits heute darauf einstellen.

    Ebenso wenig ist auszuschließen, dass Amerika bei der Überwachung der Flugverbotszonen im Norden und Süden des Irak, die es zunächst gemeinsam mit England und Frankreich, zuletzt nur noch mit England leistete, einen stärkeren europäischen Beitrag fordern wird.

    Doch um sich an diesen zusätzlichen Aufgaben beteiligen zu können, muss Deutschland deutlich mehr für den Wehretat aufbringen. Struktur und Aufgaben der Streitkräfte und ihre Finanzierung müssen dringend wieder in Übereinstimmung gebracht werden. Drei Jahre lang haben die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen den Verteidigungsetat drastisch zusammengestrichen. Die im Rahmen des Anti-Terror-Pakets der Bundesregierung ab dem nächsten Haushaltsjahr jährlich bis 2005 vorgesehenen zusätzlichen 1,5 Mrd. DM sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie helfen der Bundeswehr jedoch nur aus der allergrößten Not.

    Denn allein in diesem Jahr fehlen der Bundeswehr nach den Berechnungen des Generalinspekteurs rund 3 Mrd. DM. Und im nächsten Jahr sind bereits 300 Mio. DM von den zusätzlichen 1,5 Mrd. für die laufenden Kosten der deutschen Beteiligung an der Operation ENDURING FREEDOM vorgesehen.

    Damit Struktur und Aufgaben der Streitkräfte und ihre Finanzierung wieder in Übereinstimmung gebracht werden, brauchen wir umgehend eine Rückkehr zu dem noch unter der CDU/CSU-Regierung beschlossenen Finanzplan. Das würde eine Steigerung des Verteidigungshaushalts auf rund 50 Mrd. DM bedeuten. Schon im nächsten Jahr muss der Verteidigungsetat um 3 Mrd. DM und nicht nur um 1,5 Mrd. DM aufgestockt werden.

    Die von uns geforderten zusätzlichen 3 Mrd. DM müssen zum einen in ein Investitionsprogramm fließen, um die dramatischen Defizite beim Material abzubauen. Modernstes Gerät für Kommunikation, Führung und Schutz muss beschafft, Aufklärung und Bewaffnung müssen grundlegend verbessert werden.

    Für die Gewinnung von qualifiziertem Personal ist weiterhin ein überzeugendes Attraktivitätsprogramm notwendig. Für den schwierigen Dienst im In- und Ausland müssen die ausreichenden finanziellen und materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, und es muss die soziale Lage der Soldaten verbessert werden.

  4. Der internationale Terrorismus wird sich dauerhaft nur über eine aktive und umfassende Weltordnungspolitik bekämpfen lassen.

    Präsident George Bush senior hatte nach dem Golfkrieg von 1990/91 die Schaffung einer neuen Weltordnung angekündigt. Das jahrzehntelange amerikanisch-sowjetische Patt im Weltsicherheitsrat war überwunden und die Erwartungen an eine auf verbindliche internationale Regelwerke fundierte Weltordnung groß. Auch Präsident Clinton verfolgte in den ersten Monaten nach seinem Regierungsantritt 1993 den Anspruch, die amerikanische Außenpolitik in eine multilateral getragene Weltordnung einzubinden.

    Doch die neunziger Jahre wurden zum „Jahrzehnt der neuen Unübersichtlichkeit“. Die amerikanische Außenpolitik bekam es mit einer wachsenden Anzahl von „Schurkenstaaten“ zu tun, Wissenschaft und Politikberatung setzten sich zunehmend mit „failing states“ auseinander - Afghanistan ist einer von ihnen.

    Ein wirksamer Kampf gegen den internationalen Terrorismus setzt voraus, dass die Weltgemeinschaft derartige „schwarze Löcher“ der Ordnungslosigkeit nicht länger toleriert. Denn die Terroristen nutzen die Schwäche dieser Länder skrupellos für die Verfolgung ihrer menschenverachtenden Ziele. Sie haben Afghanistan gleichsam „gekauft“, um dort ihre Logistik und ihre Ausbildungslager zu errichten und um weite Teile der Bevölkerung zu fanatisieren.

    Die Geldquellen, ohne die der internationale Terrorismus seine zerstörerische Kraft nicht entfalten kann, lassen sich nur trockenlegen, wenn sich die finanzielle Logistik in all ihren Verästelungen verfolgen lässt und die entsprechenden Finanztransfers unterbunden werden können. Der wirksame Kampf gegen illegalen Drogenanbau und -handel, gegen Geldwäsche und jede Form von internationaler Kriminalität setzt geordnete innerstaatliche Verhältnisse in den betroffenen Ländern voraus. Das gleiche gilt für die Aufdeckung von Rückzugsräumen und die dauerhafte Auflösung von Ausbildungslagern für Terroristen.

    Gerade hier sind Deutschland und Europa mindestens ebenso gefordert wie Amerika. Denn die Europäische Union hat sowohl die finanziellen Möglichkeiten als auch die jahrelange Erfahrung beim Aufbau funktionierender öffentlicher Strukturen in den Transformationsstaaten Mittel- und Osteuropas sowie auf dem Balkan. Tatsächlich ist die Heranführung der Länder Ostmitteleuropas an die Europäische Union und ihre Integration der wichtigste Beitrag, den Europa zur Stabilisierung der Welt leistet. Gerade die Anpassung der Rechtsräume und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden sind ein wesentlicher Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

    Der internationale Terrorismus, mit dem wir es heute zu tun haben, ist keine Folge des globalen Wohlstandsgefälles. Die Terroristen des 11. September kommen weder aus den Slums orientalischer Großstädte noch aus den palästinensischen Flüchtlingslagern, noch kämpfen sie für die Rechte der sozial Unterdrückten. Sie bedienen sich allerdings der entsprechenden Rhetorik, um ihr mörderisches, menschenverachtendes Handeln im nachhinein zu legitimieren, und werben damit erfolgreich für Anhänger. Insofern muss der Kampf gegen Armut, Überbevölkerung, mangelnde Bildung, innerstaatliche soziale Missstände und Modernisierungsblockaden sowie Perspektivlosigkeit auch als ein Beitrag konzipiert sein, den Nährboden der Sympathisanten des Terrorismus auszutrocknen.

    Die rasante Globalisierung der Weltwirtschaft, die nicht nur viele Gewinner vor allem in Industrieländern, sondern auch Verlierer vor allem in Entwicklungsländern produziert hat, macht diese Aufgabe wahrlich nicht einfacher. Seit Jahren schon mühen sich Heerscharen von Experten, ein internationales Ordnungsmodell zu entwerfen, dass den Bedürfnissen aller an der Globalisierung partizipierenden Staaten und Menschen gerechter wird.

    Ich bin der Auffassung, dass Deutschlands Erfahrungen aus dem erfolgreichen Wiederaufbau des kriegszerstörten Westdeutschland, die Integration von vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen sowie der Aufstieg Deutschlands zu einem wichtigen wirtschaftlichen und politischen Akteur auf europäischer und internationaler Ebene hierfür als wertvolle Erfahrung dienen können. Denn all dies ist der konsequenten Verwirklichung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft auf nationaler deutscher Ebene zu verdanken. Dessen Elemente wie z.B. die Förderung des privaten Eigentums, ein fairer und freier Leistungswettbewerb, marktgerechte Preise sowie ein leistungsgerechtes, die Lebensrisiken und materiellen Notlagen absicherndes Sozialsystem müssen immer wieder in einem dynamischen Prozeß in eine wachstumsfördernde und sozial ausgeglichene Balance gebracht werden. Angepasst an die jeweiligen nationalen Besonderheiten stellen sie heute die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand auch in vielen anderen Industriestaaten dar.

    Für mich ist eine logische Konsequenz hieraus, dass sich die Soziale Marktwirtschaft als geeignetes Grundmodell auf nationaler Ebene auch in den sich der Globalisierung stellenden Entwicklungsländern anbietet.

    Dabei ist selbstverständlich, dass diese Staaten dieses Grundmodell nicht einfach kopieren können, sondern es im Lichte unterschiedlicher Ausgangsbedingungen, verschiedener Mentalitäten sowie andersartiger soziokultureller Traditionen und Strukturen individuell anpassen müssen.

    Geht man von der nationalen Ebene der einzelnen Industrie- und Entwicklungsländer einen Schritt höher und widmet sich dem Bereich des zwischenstaatlichen bzw. internationalen Miteinanders dieser Staaten, stellt sich sofort die Frage nach der Beschaffenheit einer dieses Miteinander regelnden globalen Struktur- und Ordnungspolitik.

    Auch hier kann das Modell der Sozialen Marktwirtschaft in Form einer Internationalen Sozialen Marktwirtschaft das Grundgerüst für ein System internationaler Kooperation zur Nutzung von Globalisierungschancen und Bewältigung von Globalisierungsproblemen liefern. Dabei kann mit Recht darauf verwiesen werden, dass mit der Schaffung der Europäischen Union bereits erfolgreich das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft über die nationalstaatliche Ebene hinaus ausgedehnt wurde.

    Die Fixierung dieses Prinzips auf der zwischenstaatlichen Ebene impliziert die Schaffung eines internationalen Rahmens von Regeln und Prinzipien, der es auch den schwächeren Mitgliedern der internationalen Staatenfamilie, also in erster Linie den Entwicklungsländern, ermöglicht, an der Globalisierung mit den gleichen Chancen und Rechten wie die wirtschaftlich potenteren Länder partizipieren zu können. Ein Teil dieser Regelwerke kann zusätzlich auf internationaler Ebene dazu beitragen, die Verwirklichung wesentlicher Bestandteile der Sozialen Marktwirtschaft auf nationaler Ebene in den an der Globalisierung partizipierenden Ländern zu verankern.

    Deutschlands KnowHow und Erfahrungsschatz bei der Realisierung der Sozialen Marktwirtschaft ist äußerst wertvoll. Wir sollten dies insbesondere vor dem Hintergrund der Konsequenzen aus dem 11. September 2001 als besondere Verantwortung Deutschlands begreifen. Wir sollten in enger Kooperation mit unseren europäischen und internationalen Partnern noch viel stärker als früher alle relevanten Felder unserer Politik wie z.B. die Außen-, Wirtschafts-, Sicherheits-, Finanz-, Forschungs-, Arbeits-, Sozial-, Rechts- und natürlich Entwicklungspolitik kohärent und komplementär auf die Verankerung des Modells der Internationalen Sozialen Marktwirtschaft als Grundmodell für eine Weltordnungspolitik ausrichten, um so die sich aus der Globalisierung ergebenden Chancen und Risiken der Weltwirtschaft gerecht auf Industrie- und Entwicklungsländer zu verteilen. Wie dringend dieses Anliegen ist, zeigt uns gegenwärtig die chaotische Situation in Argentinien. In den vergangenen 20 Jahren hat dieses Land schrittweise die Forderungen des Internationalen Währungsfonds umgesetzt und galt als dessen Musterknabe. Auf Druck des Fonds drosselte das Land über sinkende Reallöhne und steigende Zinsen die Inlandsnachfrage, erhöhte die Steuern und schränkte seine Ausgaben insbesondere für Soziales ein. Vor allem die Sozialsysteme wurden privatisiert. Die Folgen dieses extrem wirtschaftsliberalen Kurses sehen wir jetzt: Die Regierung ist quasi handlungsunfähig und die verarmte Bevölkerung zieht gewalttätig und plündernd durch die Straßen. Und noch schlimmer: In Argentinien gewinnen politische Kräfte an Boden, die nach dem abrupten Ausstieg des Internationalen Währungsfonds aus einer weiteren Unterstützung und der Absage Argentiniens an einen weiteren Schuldendienst nun gleich jegliches marktwirtschaftliches Denken über Bord kippen wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine sensible Anwendung des Modells der Internationalen Sozialen Marktwirtschaft den Absturz Argentiniens hätte verhindern oder zumindest abfedern können und zukünftig derartigen Krisen weitaus besser vorbeugen könnte als die bislang vom Internationalen Währungsfonds gefahrene und von den USA unterstützte Strategie, ausschließlich auf die Kräfte des freien Weltmarktes zu vertrauen und arme und benachteiligte Länder und Bevölkerungen ihrem Schicksal zu überlassen.