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Der schnelle Fahndungserfolg im
Münchner Mordfall Moshammer hat die Diskussion über die
Verwendung von DNA-Tests zur Verbrechensbekämpfung neu
entfacht. Viele fordern, die gesetzlichen Schranken für die
Speicherung des genetischen Fingerabdrucks zu lockern. Vor allem
Datenschützer haben dagegen Bedenken.
BLICKPUNKT BUNDESTAG hat die Fraktionen gefragt, in welchem Umfang
der Polizei künftig DNA-Daten zur Verfügung stehen
sollen.
Die schnelle Festnahme des Tatverdächtigen in München konnte nur mit zwei Voraussetzungen gelingen. Erstens befand sich sein DNA-Profil wegen einer ungeklärten Vergewaltigung unter den fast 390.000 genetischen Fingerabdrücken, die seit 1998 beim Bundeskriminalamt (BKA) gespeichert worden sind. Zweitens hatte der mutmaßliche Täter am Tatort eine winzige Hautschuppe zurückgelassen. Der Datenvergleich über den BKA-Rechner zeigte, dass beide DNA-Datensätze übereinstimmten. Damit war der Verdächtige nahezu sicher identifiziert. Denn der genetische Fingerabdruck eines Menschen ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 300 Milliarden einzigartig und damit unverwechselbar.
Allerdings sind der Speicherung dieser Daten enge rechtliche Grenzen gesetzt. Zwar verraten sie – wie der herkömmliche Fingerabdruck – nicht das Aussehen, die Krankheiten oder genetischen Defekte des Menschen, von dem sie stammen. Sie erlauben abgesehen von der Identifizierung nur einen Rückschluss auf sein Geschlecht. Dennoch wird die Speicherung dieser Daten als schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung des Menschen angesehen – das heißt, in die Freiheit zu entscheiden, welche persönlichen Daten er weitergeben will. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2000 so entschieden.
Deshalb zieht ein Gesetz aus dem Jahre 1998 der Sammlung und Speicherung genetischer Fingerabdrücke enge Grenzen. Danach darf ein genetischer Fingerabdruck in Deutschland anders als ein normaler Fingerabdruck nur nach einem richterlichen Beschluss genommen werden, und zwar nur für zweierlei Zwecke:
In einem laufenden Ermittlungsverfahren dürfen zur Aufklärung einer konkreten Straftat Spurenmaterial vom Tatort und Körperzellen des Beschuldigten – in der Regel in Form einer Speichelprobe – entnommen werden.
Für künftige Strafverfahren darf die DNA-Analyse zur Feststellung der Identität eines Verdächtigen vorgenommen werden. Diese Maßnahme darf der Richter aber „nur dann anordnen, wenn erstens der Beschuldigte einer Straftat „von erheblicher Bedeutung“ oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist und zweitens die Gefahr neuer einschlägiger Straftaten besteht. Als Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ nennt der Gesetzgeber Verbrechen wie Sexualstraftaten, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl in besonders schwerem Fall und Erpressung. Außerdem dürfen nach der Rechtslage DNA-Merkmale verurteilter Straftäter erfasst werden.
Auf der Grundlage dieses Gesetzes – also immer mit richterlicher Genehmigung – ist die zentrale Gendatei des BKA entstanden. Von ihren derzeit knapp 390.000 Einträgen beziehen sich 83 Prozent auf bekannte Täter. Die restlichen 17 Prozent sind genetische Spuren unbekannter Personen vom Tatort. Mit dieser Datenbank wurden bereits 18.000 Straftaten aufgeklärt, darunter 371 Tötungs- und 870 Sexualdelikte. Nach Angaben der BKA-Fachleute wären die meisten Delikte ohne dieses Hilfsmittel entweder gar nicht oder nur unter erheblichem Aufwand aufgeklärt worden.
Solche Erfolge der DNA-Analyse bestärken Polizei und Politiker verschiedener Parteien in der Forderung nach Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen. Weitgehende Übereinstimmung besteht zum Beispiel darin, den so genannten Richtervorbehalt in den Fällen zu streichen, bei denen es um zunächst anonyme Spuren vom Tatort geht. Hier soll, wie bei der Abnahme der herkömmlichen Fingerabdrücke, die Polizei allein über die Sammlung von DNA-Proben entscheiden dürfen.
Umstritten hingegen ist das Verfahren bei der Entnahme von Speichelproben Verdächtiger. Die Bundesregierung will nach den Worten von Justizministerin Brigitte Zypries in diesen Fällen am Richtervorbehalt grundsätzlich festhalten. Allerdings soll die richterliche Entscheidung nicht notwendig sein, wenn die Betroffenen der Speicherung ihrer Daten freiwillig zustimmen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn nach einer Vergewaltigung alle männlichen Einwohner eines Dorfs zur Abgabe einer Speichelprobe aufgerufen werden. Bei Gefahr im Verzug muss der Richter schon nach geltendem Recht nicht eingeschaltet werden, wenn die Untersuchung unaufschiebbar ist und der Ermittlungserfolg sonst gefährdet wäre.
Weitgehende Übereinstimmung herrscht auch darüber, dass für die Entnahme von Speichelproben die bisherige Einschränkung entfallen soll, nach der die Verdächtigen Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ begangen haben müssen, damit ihre DNA-Daten gespeichert werden können. BKA-Studien zeigen nämlich, dass zum Beispiel Vergewaltiger zwar oft vorbestraft sind, aber nicht unbedingt wegen Sexualstraftaten. Oft sind sie wegen einer Reihe kleinerer Straftaten aufgefallen. Deswegen will die Bundesregierung auch mehrfach begangene einfache Straftaten als Rechtfertigung einer DNA-Datenspeicherung akzeptieren, wenn von diesem Täter auch in Zukunft Straftaten zu erwarten sind.
Kritiker einer Lockerung der Bestimmungen für den Umgang mit DNA-Daten hingegen warnen. Schließlich hinterlässt jeder Mensch täglich an vielen Orten DNA-Spuren. Wenn dies ganz zufällig an einem Tatort eines Verbrechens geschieht oder wenn gar eine falsche Spur gelegt wird, dann gerät ein Unschuldiger in Tatverdacht. Rein rechtlich gilt zwar nach wie vor die Unschuldsvermutung, doch faktisch gerät der nun Verdächtigte in die Situation, seine Unschuld beweisen zu müssen.
Text: Klaus Lantermann
Fotos: Picture-Alliance, Deutscher Bundestag
Grafiken: Karl-Heinz Döring
Erschienen am 15. März 2005
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