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April 03/1999
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LANDWIRTSCHAFTSAUSSCHUSS FÜR BESSERE STRUKTUREN

Wirtschaftlichere Verarbeitung und Vermarktung eingefordert

(lw) Leistungsfähigere Strukturen im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung in der Landwirtschaft haben die Parlamentarier des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom Präsidenten des Bundeskartellamtes, Dieter Wolf, gefordert. In der Ausschußsitzung am 17. März 1999 war einziger Punkt der Tagesordnung ein Bericht der Bundesregierung zu Problemen im Bereich der Verarbeitungs­ und Vermarktungsstrukturen in der Landwirtschaft. In den Ausführungen des Präsidenten des Bundeskartellamtes ging es insbesondere um die beiden Aspekte Fusionskontrolle und Nachfragemarkt.

Vieles an Sorgen und Zweifeln, was die Politik des Kartellamtes in bezug auf die Landwirtschaft angehe, sei inzwischen abgebaut worden, bemerkte man seitens des Ausschusses einleitend. Ein wesentliches Problem für die Landwirte seien jedoch nach wie vor mangelnde wettbewerbliche Alternativen. Sie allein führten zu ökonomisch besseren Ergebnissen.

Die Fusionskontrolle sei für die Landwirtschaft wesentlich gelockert worden, so Wolff. So habe man die bisherige Fusionsschwelle von 500 Millionen DM verdoppelt. Der damit hinzugewonnene Spielraum sei nicht nur "wesentlich", sondern bewirke im Ergebnis auch einen "entbürokratisierenden Effekt". Wolf verwies unter anderem darauf, daß seit 1991 insgesamt 100 Fusionsfälle im Bereich der Landwirtschaft zu prüfen gewesen seien. Davon habe man nur vier Fälle beanstandet. Er kenne keinen Bereich der deutschen Wirtschaft, der eine so niedrige Versagungsquote im Bereich der Fusionskontrolle aufweise.

Hinsichtlich des Aspektes Nachfragemarkt gab der Präsident des Bundeskartellamtes zu verstehen, das sei ein "Dauerbrenner" der Wettbewerbspolitik. Man nehme eine beängstigend hohe Konzentration vor allem im Lebensmittelhandel in Deutschland wahr. Diese sei zwar in Frankreich und Großbritannien noch höher, aber das beruhige keinesweg. Natürlich schlage jede hohe Wettbewerbsintensität auch auf die Beschaffungsseite durch. Nach dem Motto "im Einkauf liegt der Segen" gebe der Handel den Druck an die Zulieferer weiter. Es sei eher selten, daß es sich in diesem Verhältnis um zwei gleich starke Vertragspartner handele. Gefälle seien hier normal. Es käme dagegen auf die Höhe dieser Gefälle an. Sie könnten zum Beispiel zu einer Abhängigkeit führen, wenn 7,5 Prozent der Produktion an einen einzigen Nachfrager gingen.

Das Problem Nachfragemarkt sei auch nicht mit der Abwägungsklausel in der Fusionskontrolle zu lösen, weil jene allenfalls zum Zuge käme, wenn die Nachfrage des Handels bereits Marktbeherrschung bedeuten würde. Diese setze dann ein, wenn die fünf größten Handelsketten 66 Prozent des Marktes auf sich vereinten. Das Bundeskartellamt biete jedoch einen Beratungsservice bei Vorhaben an, die kartellrechtlich von Belang seien. Im Vorfeld ließe sich dadurch bereits feststellen, ob ein Vorhaben nicht zu realisieren sei oder aber doch, wenn man es modifiziere. Dieser Service werde im Bereich der Landwirtschaft gut angenommen. Das Kartellamt sei bereit, sein Beratungsangebot auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Die CDU/CSU­Fraktion erklärte, vom Bundeskartellamt werde etwas als "bedrückend" geschildert, das für die Landwirte gar nicht so bedrückend sei. Als Beispiel wurde die Verfahrensweise in Dänemark genannt. Danach sei man in Deutschland lieber einem Abnehmer "ausgeliefert", der sich erfolgreich am Markt behaupte und einen besseren Preis für die Produkte zahlen könnte, als eben nicht ausgeliefert, aber mit einem schlechteren Preis. Es werde jedoch nicht der Wille der fusionsbereiten Unternehmen aufgenommen, sondern den Unternehmen vorgeschrieben, wie dieser Fusionswille auszusehen habe. Die SPD­Fraktion führte an, die fünf größten Handelsketten im Bereich der deutschen Milchwirtschaft nähmen 85 Prozent der jeweiligen Produkte auf. Um überhaupt "ins Geschäft zu kommen", müsse jeden Tag eine bestimmte Menge an Milchprodukten geliefert werden, was einzelnen Molkereien gar nicht möglich sei. Man brauche daher ordentliche Zusammenschlüsse.

Wer ist vor wem zu schützen?

Zwischen den Parlamentariern des Ausschusses herrschte einhellige Übereinstimmung, es gehe bei dem Problem des Nachfragemarktes um die grundsätzliche Einschätzung, wer vor wem zu schützen sei. Manche, die nach Auffassung des Bundeskartellamtes geschützt werden sollten, wollten das gar nicht. Vielmehr hätten sie den Eindruck, man hege Einwände dagegen, daß landwirtschaftliche Betriebe "etwas am Markt verdienten". Der Präsident des Bundeskartellamtes entgegnete daraufhin, es ginge seitens seines Hauses nicht um "freies Ermessen", sondern man müsse schlicht nach dem Gesetz handeln. In diesem sei konkret festgelegt, was Marktbeherrschung bedeute.

Mit den derzeitigen Strukturen, so die Abgeordneten, habe die landwirtschaftliche Vermarktung keine Zukunft. Es werde doch nur noch mit Listungspreisen und Rabatten gearbeitet. Einen klaren Überblick über den Produktendpreis gebe es nicht. Sie appellierten an Dieter Wolf, das Bundeskartellamt solle die sich vollziehenden strukturellen Veränderungen nicht ignorieren, sondern dem einzelnen Landwirt eine Alternative eröffnen, wenn er sich dem Handel ausgeliefert sehe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9903/9903044a
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